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Unidos Podemos: Eine neue Hoffnung für Spanien und Europa?

Spanien wählt ein neues Parlament. Wie die Wahl auch ausgehen mag, etwas ist anders: Die Bevölkerung hat bereits durch die Akzeptanz von “Unidos Podemos”, wie sich die Partei nach dem Zusammenschluss mit der vereinigten Linken nennt, ein Machtwort gesprochen. Man duldet keine Korruption mehr und man duldet auch keine von außen aufgezwungene Sparpolitik mehr.

Juan Carlos Monedero, Ana Colau, Pablo Echenique, Carmena Sanchez, Íñigo Errejón, Julio Anguita, Alberto Garzón. Wem diese Namen spanisch vorkommen, der liegt völlig richtig.

Es sind die Namen von Personen, die mir bis letztes Jahr völlig unbekannt waren. Es sind Menschen, die einer Bewegung vorstehen, die jedem den verlorenen Glauben an eine wirkliche Demokratie zurückgeben können.

Am 15. Mai 2011 füllten sich in Spaniens Städten die Straßen und Plätze mit Millionen von Menschen. Sie versammelten sich um zu protestieren gegen soziale Ungerechtigkeit, gegen Kürzungen in der Bildung, in der Gesundheit, in Kultur und vielem mehr.

Es ist genug. Basta!

Sie protestierten auch gegen die Bankenrettung und die Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen. Sie protestierten gegen Massenarbeitslosigkeit und Zwangsräumungen von Wohnungen, deren Bewohner die Hypotheken nicht mehr bezahlen konnten. Sie sagten: “Genug. Basta!”

Wer dachte, dass nach diesem 15. Mai 2011 alles vorbei sei, der sah sich getäuscht. Die Proteste gingen weiter und die Protestbewegungen und Bürgerinitiativen schlossen sich zusammen.

Pablo Iglesias und Juan Carlos Monedero gründeten mit diesem Verbund im Januar 2014 die Partei Podemos. Sie kandidierten für die Europa Wahl und errangen auf Anhieb fünf Sitze. Seitdem haben sie nicht aufgehört die Parteienlandschaft in Spanien aufzumischen. In mehreren autonomen Regionen sind sie bereits in der Regierung und stellen in vielen Städten die Bürgermeister, darunter Madrid und Barcelona. Das war die Kurzfassung der Podemos-Story.

Das Machtwort der Bevölkerung

Nun steht Spanien vor Neuwahlen, weil man sich nach den Wahlen am 20. Dezember 2015 auf keine Regierungsbildung einigen konnte.

Wie die Wahl auch ausgehen mag, etwas ist anders: Die Bevölkerung hat bereits durch die Akzeptanz von “Unidos Podemos”, wie sich die Partei nach dem Zusammenschluss mit der vereinigten Linken nennt, ein Machtwort gesprochen. Man duldet keine Korruption mehr und man duldet auch keine von außen aufgezwungene Sparpolitik mehr.

Die deutsche Bundesregierung, allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel, wird als mitverantwortlich angesehen für die Zwangsräumungen, für empfindliche Kürzungen im Gesundheitswesen, in der Bildung und für die Privatisierung öffentlicher Firmen. Renten- und Lohnkürzungen wurden Spanien ebenfalls diktiert.

Es lässt sich schwer bestreiten, dass Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble die treibenden Kräfte dahinter gewesen sind.

Merkel & Co. haben kaum Freunde in Spanien

Man wirft der Bundesregierung zudem vor, denn Massenexodus von Hunderttausenden junger spanischer Fachkräfte ins Ausland mitverschuldet zu haben. Es ist somit nicht verwunderlich, dass die Bundesregierung nach der Erzwingung des sozialen Kahlschlags in Spanien nur sehr wenige Freunde hat.

Ursprünglich wollte ich die letzte Rede von Pablo Iglesias vor den Wahlen übersetzen. Ich habe aber davon Abstand genommen, weil eine Übersetzung der Rede ihre Kraft und das Feuer nehmen würde.

Er spricht aber von all den Dingen, die ich eben aufgezählt habe. Und er spricht von dem Vielvölkerstaat Spanien – ein großes und wichtiges Thema im Land. Die Wunden des Bürgerkriegs und des Franco Regimes sind immer noch nicht verheilt. Der Faschismus ist nie aus Spanien verschwunden. Er existierte scheinbar auch dort, wo man ihn am wenigsten vermutet hätte. Nach bisher unbestätigten Berichten soll die Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) von faschistischen Kräften unterwandert worden sein.

Ob das tatsächlich stimmt, bleibt abzuwarten. Was aber nicht zu übersehen ist, dass die PSOE ebenso wie die SPD in Deutschland den neoliberalen Weg eingeschlagen hat.

Eine Partei der Bürger für Bürger

Eines ist sicher: Die Bevölkerung auf der Iberischen Halbinsel ist aufgewacht. Das ist unumkehrbar. Sie hat mit Unidos Podemos ein Instrument in der Hand, mit dem sie den Mächtigen Respekt abfordert und Angst einflößt.

Unidos Podemos ist keine Partei wie die etablierten in Spanien oder wie die in Deutschland. Nein. Es ist eine Partei von Bürgern für Bürger. Jeder war eingeladen an dem Parteiprogramm mitzuarbeiten. Jeder konnte Vorschläge einbringen und die Mehrheit hat entschieden. Dazu bedient man sich des Internets. Niemand wurde ausgeschlossen, egal welcher Partei er angehörte. Einzige Voraussetzung war, dass man die allgemeine Menschenrechtserklärung respektiert.

Ideologische Befindlichkeiten waren auch kein Thema, weil nahezu jeder im Land von den ungerechten Auswirkungen des neoliberalen Kurses der Regierung betroffen war und weiterhin ist. Ausgenommen die Eliten.

So kommt es, dass Konservative mit Grünen, Kommunisten mit Liberalen und Anarchisten mit Christdemokraten zusammen an einem Strang ziehen.

Deutschland hat das Potential für Podemos

An der Spitze von Unidos Podemos stehen nun Pablo Iglesias und Iñigo Errejón (beide Podemos) und Alberto Garzón von IU (Vereinigte Linke). Sie sind allerdings jederzeit von der Mehrheit abwählbar. Sie alle sind glänzende Redner, die an das auch wirklich glauben wovon sie sprechen und es gelingt ihnen dadurch die Menschen für das gemeinsame Projekt zu begeistern.

Ich höre in Deutschland immer wieder, wenn ich von Podemos erzähle, eine solche Partei sei hier nicht möglich. Es würden andere Verhältnisse herrschen und überhaupt sei der Deutsche anders als der Spanier oder der Franzose oder der Belgier.

Dabei stellt sich mir die Frage, ob die Verhältnisse tatsächlich so ganz anders als in Spanien sind? Gibt es etwa seit der Umsetzung der Agenda 2010 keine empfindlichen sozialen Kürzungen? Keine Lohnkürzungen? Keine Privatisierungen? Keine Massenentlassungen? Keine Menschen unwürdige Leiharbeit? Reicht der Mindestlohn zum Leben? Gibt es keine Altersarmut? Sind die Renten sicher? Zu welchem Leben sind die Millionen Hartz-IV-Empfänger verurteilt? Werden hier die Reichen nicht immer reicher und die Armen immer ärmer? Warum gibt es so viele Tafeln? Was ist mit den zahllosen Obdachlosen? Hält sich etwa die Regierung an das Grundgesetz? Ist den Banken nicht zu Lasten der Steuerzahler geholfen worden? Haben die Jungen noch große Perspektiven? Gibt es in Deutschland kein Korruption?

Die Liste an Fragen könnte durchaus noch länger sein. Wenn man ehrlich ist, sind die Unterschiede zu Spanien und anderen Ländern, in denen der Weg des Neoliberalismus eingeschlagen wurde, nicht eklatant.

Ob es in Deutschland möglich wäre, eine solche Bewegung wie Podemos auf die Beine zu stellen? Das Potential wäre da. Es gibt genug Bürgerinitiativen und Protestbewegungen, Friedensbewegungen und überhaupt Menschen, die unser Land kaum noch wiedererkennen und die mit den Zuständen nicht mehr zufrieden sind.

So weit ich es beurteilen kann, hat es bisher noch niemand ernsthaft versucht, diese Gruppen zu einigen. Nötig wäre es auf jeden Fall. Unser Land und unsere Menschen hätten es verdient.


Foto: Efraimstochter – CC0 1.0 – Pixabay.com

Seit 1967 lebt der im spanischen Granada geborene Bernardo Jairo Gomez Garcia in Deutschland. Sein Vater stammt aus Kolumbien, seine Mutter aus Spanien. Schon vor seinen Ausbildungen zum Trockenbaumonteur und Kfz-Lackierer entdeckte Gomez seine Leidenschaft für die Kunst. Er studierte an einer privaten Kunsthochschule Airbrushdesign und wechselte aus der Fabrikhalle ans Lehrerpult. Rund 14 Jahre war Gomez als Spanischlehrer in der Erwachsenenbildung tätig. Seine Interessen gelten der Politik, Geschichte, Literatur und Malerei. Für Neue Debatte schreibt Jairo Gomez über die politischen Entwicklungen in Spanien und Lateinamerika und wirft einen kritischen Blick auf die gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland und Europa.

Von Bernardo Jairo Gomez Garcia

Seit 1967 lebt der im spanischen Granada geborene Bernardo Jairo Gomez Garcia in Deutschland. Sein Vater stammt aus Kolumbien, seine Mutter aus Spanien. Schon vor seinen Ausbildungen zum Trockenbaumonteur und Kfz-Lackierer entdeckte Gomez seine Leidenschaft für die Kunst. Er studierte an einer privaten Kunsthochschule Airbrushdesign und wechselte aus der Fabrikhalle ans Lehrerpult. Rund 14 Jahre war Gomez als Spanischlehrer in der Erwachsenenbildung tätig. Seine Interessen gelten der Politik, Geschichte, Literatur und Malerei. Für Neue Debatte schreibt Jairo Gomez über die politischen Entwicklungen in Spanien und Lateinamerika und wirft einen kritischen Blick auf die gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland und Europa.

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