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Egon Vouillème über die Industrie 4.0 und das Grundeinkommen (Teil 1)

Erwerbsarbeit verliert die Funktion, den Lebensunterhalt sicherzustellen. Egon Vouillème geht ausführlich der Frage nach, was in der Industrie 4.0 aus den vielen Produkten und Dienstleistungen werden soll, wenn sie niemand mehr kaufen kann.

Erwerbsarbeit verliert die Funktion, den Lebensunterhalt sicherzustellen. Egon Vouillème geht ausführlich der Frage nach, was in der Industrie 4.0 aus den vielen Produkten und Dienstleistungen werden soll, wenn sie niemand mehr kaufen kann.

Industrie 4.0 soll eine neue industrielle Revolution kennzeichnen, die derzeit stattfindet. Es gibt Schätzungen, wonach bis zu 90 Prozent aller Arbeitsplätze wegfallen!

Algorithmen, Roboter und Maschinen sind auf dem Vormarsch. Erwerbsarbeit verliert die Funktion, den Lebensunterhalt sicherzustellen. Was soll aber das Angebot an Produkten und Dienstleistungen, wenn sie niemand kaufen kann? Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) wird also kommen! Aber wie kann es finanziert werden?

Finanziert ist das BGE schon.

Die Grundfrage lautet, ob die Gesellschaft einen so großen Überschuss an Gütern und Dienstleistungen produzieren kann, dass für die Menschen ein Grundeinkommen oberhalb des Existenzminimums gewährleistet werden kann.

Finanziert ist das BGE schon. Denn wir produzieren genügend Güter und Dienstleistungen. Von ihnen leben wir, nicht von Geld. Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte einen qualitativen Wandel herbeiführen. Es könnte zu einer Veränderung nicht nur des menschlichen Verhaltens, sondern auch der gesellschaftlichen Verhältnisse führen.

Durch zunehmende Kommunikation und gerechte Verteilung werden politische Konflikte endlich fair ausgetragen. Produkte und Dienstleistungen könnten ohne Profite von Zwischenhändlern direkt vertrieben werden.

BGE als Katalysator einer Neuorientierung

Das bedingungslose Grundeinkommen hat das Zeug, um für eine weltweite Angleichung der Lebensbedingungen und eine gerechte Neuorientierung der Welt zu sorgen.

Im Augenblick der Einführung des BGE in einem Land wird der Rest der Welt unter Druck geraten. Insoweit könnte das BGE quasi als weltweiter Katalysator für eine soziale, friedvolle Neuorientierung der gesamten Welt dienen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund steigender sozialer Probleme durch Fluchtbewegungen und Terrorismus.

Flucht und Terror sind Ausdruck dieses Unrechts. Machtmissbrauch ist eine Folge.

Die soziale Sicherheit muss sich immer am Notwendigen orientieren, ohne dem Einzelnen die Chance zum Möglichen zu nehmen. Der Menschheit muss verständlich werden: Wenn die Grundversorgung als das Notwendige nicht weltweit garantiert werden kann, ist auch das Mögliche gefährdet, weil alle legitime Ordnung durch Macht oder Gewalt ersetzt werden muss.

Flucht und Terror sind Ausdruck dieses Unrechts. Machtmissbrauch ist eine Folge. Die Rechte auf Leben, Nahrung und Unterkunft, auf medizinische Versorgung, Bildung und Abdeckung der existenziellen Grundbedürfnisse sind dem Menschen angeborene Rechte. Diese dürfen unter keinen Umständen eingeschränkt werden.

Frei gewählte Tätigkeit als Menschenrecht

Insofern muss eine an diesem Grundrecht orientierte Versorgungswirtschaft die Grundversorgung garantieren. Dies ist nur möglich, wenn sich alle Menschen für dieses globale, soziale Recht einsetzen.

Diese Auffassung spiegelt sich im Menschenrecht auf eine frei gewählte Tätigkeit und im Verbot jeglicher Zwangsarbeit wieder. Erich Fromm (Anm.:  ein deutsch-amerikanischer Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe; 1900 – 1980) hat dieses Menschenrecht in seiner berühmten Schrift Haben oder Sein noch einmal bekräftigt.

Jeder Mensch habe demnach das bedingungslose Recht, sich ohne Hunger ernähren zu können und nicht obdachlos sein zu müssen.

In Europa wird das BGE in mehreren Staaten diskutiert. Die Initiatoren und Befürworter lassen jedoch ihre Vorstellungen für die Finanzierung weitgehend offen oder diskutieren es kontrovers.

Zur Finanzierung eines BGE muss keine Zusatzsteuer erhoben werden.

Das BGE sollte aber offensichtlich zumindest in dem 2016 abgelehnten Schweizer Referendum nicht zusätzlich, sondern nur unter Anrechnung des sonstigen Einkommens gezahlt werden. Damit wäre es aber nicht mehr bedingungslos. Die Höhe der sonstigen Einkommen müsste festgestellt und angerechnet werden.

Zur Finanzierung eines BGE muss keine Zusatzsteuer erhoben werden. Eine solche Steuer ist eher kontraproduktiv. Dies beginnt schon beim ausschließlichen Blick auf das verfügbare Einkommen als Finanzierungsbasis.

Es geht eigentlich um die Finanzierung eines garantierten Grundbedarfs, also eines auskömmlichen privaten Verbrauchs. Hierunter sind alle Ausgaben zu einem würdigen Lebensunterhalt zu verstehen, also neben Lebensmitteln beispielsweise auch Kosten für Bildung, Kultur und Wohnen.

Profite der Zwischenhändler angemessen kürzen

Jeder private Verbrauch, ob mit dem BGE oder sonstigem Einkommen finanziert, sollte nötigenfalls mit einer Umlage in den Preisen belastet werden. Diese Verbrauchsumlage würde dann als Grundeinkommen an alle Verbraucher anteilig zurückfließen. Für Kinder gilt ein nach Alter gestaffelter Anteil. Niemand wäre mehr arm, weil er mindestens in Höhe seines Grundbedarfs konsumieren könnte.

Die Preise können zuvor in Höhe der nicht mehr notwendigen Steuern und Abgaben zumindest in ähnlicher Höhe gesenkt werden. Außerdem könnten durch Begrenzung der Einkommen die Profite der Zwischenhändler angemessen gekürzt werden und bei der Grundversorgung sogar ganz entfallen.

Die Umlage wäre als direkte Preiserhöhung von allen Endverbrauchern zu zahlen. Sie fließt als BGE an alle Menschen zurück, wodurch sie nicht als Abgabe empfunden würde. Die Zahler wären zugleich Empfänger und umgekehrt. Jeder zahlt in Abhängigkeit seines individuellen Verbrauchs und erhält in Abhängigkeit seines notwendigen Grundbedarfs. Das Existenzminimum dürfte niedriger sein, als ein so ausgestaltetes BGE.

Hier geht es zum zweiten Teil von Industrie 4.0 und das Grundeinkommen.


Redaktioneller Hinweis: Der Beitrag von Egon Vouillème erschien erstmals auf seinem Blog. Wir danken dem Autor für die Zustimmung zur Übernahme auf Neue Debatte.


Titelfoto: Orlando Seppip (pixabay.com) – Creative Commons CC0

 

Blogger und Autor

Egon Vouillème stammt aus Hannover, zog nach der Ausbildung nach Berlin und war dort seit Anfang der 1970er-Jahre als Industriekaufmann tätig. 1980 beendete er ein Studium an der Freien Universität Berlin als Diplomkaufmann. Er arbeitete im Berliner Abgeordnetenhaus, war Wirtschaftsreferent einer Gewerkschaft und später Geschäftsführer einer tariflichen Sozialkasse. Egon Vouillème ist Blogger (www.weltgemeinschaft.net) und Autor. Er veröffentlichte die Bücher Globale Befreiung, Demokratie ohne Grenzen sowie Globalisierung 2.0.

Von Egon Vouilleme

Egon Vouillème stammt aus Hannover, zog nach der Ausbildung nach Berlin und war dort seit Anfang der 1970er-Jahre als Industriekaufmann tätig. 1980 beendete er ein Studium an der Freien Universität Berlin als Diplomkaufmann. Er arbeitete im Berliner Abgeordnetenhaus, war Wirtschaftsreferent einer Gewerkschaft und später Geschäftsführer einer tariflichen Sozialkasse. Egon Vouillème ist Blogger (www.weltgemeinschaft.net) und Autor. Er veröffentlichte die Bücher Globale Befreiung, Demokratie ohne Grenzen sowie Globalisierung 2.0.

2 Antworten auf „Egon Vouillème über die Industrie 4.0 und das Grundeinkommen (Teil 1)“

Das Bedingungslose Grundeinkommen ist ein absolutes muss. Es bildet die Basis zur Lösung vieler, existenzieller Probleme, wie Armut, ungerechte Geldverteilung, Flüchtlinge, Kriege, Terrorismus.
Die Problematik , welche durch Industrie.4 usw. entsteht, nämlich Wegfall der Erwerbsarbeit,
ist längst bekannt. Schon 1982 wies der Club of Rome ausführlich darauf hin mit dem `Bericht an den
Club of Rome`, “Auf Gedeih und Verderb”.

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