Die Rente wird zum Wahlkampfthema. Wirkliche Lösungen werden nicht angeboten, meint unser Leser Reimund Gretz und kritisiert in seinem Gastbeitrag zur Rente Flickschusterei und Stimmenfang. Sein Vorschlag: Die Erwerbstätigenversicherung.
Die Altersversorgung wird von den Parteien als Wahlkampfthema entdeckt. Eine wirkliche Lösung des Problems wird aber nicht verfolgt, sondern man will weitermachen mit der Flickschusterei. Es ist reiner Stimmenfang vor der Bundestagswahl im nächsten Jahr.
Immer wieder wird in der Rentenfrage versucht Jung gegen Alt gegeneinander auszuspielen, anstatt die wirklichen Ursachen und Fehlverhalten zu benennen, die zur Lage der Rentenversicherung geführt haben.
Keiner will mehr wissen, dass in der Vergangenheit die Sozialkassen von den Unternehmen mit Unterstützung der Politik benutzt wurden, um kostengünstig Personal abzubauen. Dies wurde durch die allgemein bekannten Vorruhestandsregelungen bewerkstelligt.
Die vielen versicherungsfremden Leistungen werden genauso unter den Teppich gekehrt wie auch die etwa 600 Milliarden Euro, die der Rentenkasse seit 1957 durch den Staat entnommen wurden.
Die Politik beschönigt die Situation und eine generell erforderliche Reform wird nicht umgesetzt. Jetzt, wo die geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter kommen, fällt der Politik nichts anderes ein, als das Renteneintrittsalter weiter zu erhöhen beziehungsweise das Rentenniveau zu senken.
Diese Jahrgänge und die Jugend sollen das Fehlverhalten der Politik also ausbaden. Dabei wäre es längst erforderlich, dass endlich ausnahmslos alle in das Rentensystem einzahlen.
Unterschiedliche Positionen
Die Bundesregierung plant die Angleichung der Ost-West-Renten und eine Verbesserung der Mütterrenten. Weiterhin wird auf eine Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und der privaten Vorsorge gesetzt. Das Rentenniveau soll bis 2030 auf unter 43 Prozent sinken und die Beiträge auf 22 Prozent steigen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund will das Rentenniveau halten oder sogar leicht erhöhen und setzt dabei auf eine frühere Erhöhung der Beitragssätze und eine Stärkung der betrieblichen Altersversorgung.
Der Sozialverband VdK fordert die Einführung einer Erwerbstätigenversicherung und ein Rentenniveau von mindestens 50 Prozent (derzeit 47,8%). Es soll keine weiteren Erhöhungen des Renteneintrittsalters geben, eine Rente nach Mindesteinkommen und eine vollständige Angleichung der Mütterrenten.
Flickschusterei beim Rententhema
Sind die Beitragszahler in die gesetzliche Rentenversicherung Menschen zweiter Klasse? So werden sie zumindest behandelt durch die Flickschusterei beim Thema Rente. Wo ist die soziale Gerechtigkeit, wenn Pensionäre mit 56 Jahren in den Ruhestand gehen können und die Mindestpension doppelt so hoch ist wie die Grundsicherung? Und das ohne Zahlung von Beiträgen, da aus Steuermitteln finanziert.
Mit welchem Recht werden versicherungsfremde Leistungen aus Beitragsmitteln der gesetzlichen Rentenversicherung finanziert? Auch die betriebliche Altersvorsorge und die private Vorsorge hatten wir schon und beides hat nicht wirklich funktioniert. Wie sollte auch jemand mit Mindestlohn, der oft genug nicht einmal zum Leben reicht, privat vorsorgen können?
Dann sind da noch die selbstständig Tätigen. Vielfach ist deren finanzielle Situation prekär. Wenn sie keine Altersvorsorge getroffen haben, erhalten sie später die Grundsicherung. Die trägt der Steuerzahler, also diejenigen, die Beiträge zur Altersvorsorge gezahlt haben. Außerdem gibt es noch den Personenkreis der Selbstständigen, der nicht beitragspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung ist, und der sich finanziell eine bessere Altersversorgung aussuchen und leisten kann.
Generelle Rentenreform als Lösung
Um die Altersversorgung gerechter und das Rentensystem stabiler zu gestalten, bleibt als Lösung nur eine generelle Rentenreform übrig: ein Systemwechsel zur Erwerbstätigenversicherung in die alle einzahlen! Dazu gehören vor allem Beamte und Selbstständige. Eine Langfristprojektion von Prof. Martin Werding (Universität Bochum) im Auftrag des ARD-Magazins Monitor bestätigt diesen Ansatz.
Würde das Rentenniveau von derzeit 47,8 Prozent wieder auf den Stand vor der Rentenreform 2001 erhöht (52,6 Prozent), würde der Beitragssatz in 20 Jahren auf etwa 22,8 Prozent steigen.
Durch die Einführung einer Erwerbstätigenversicherung läge der Beitragssatz trotz des höheren Rentenniveaus im Jahr 2060 etwa zwei Prozentpunkte niedriger als beim derzeitigen System.
Das geltende Rentensystem sieht Beiträge in ähnlicher Höhe vor, führt aber zu einem wesentlich niedrigeren Rentenniveau von lediglich 43,7 Prozent.
Die Forderung nach einer entsprechenden Reform können aber nur die Beitragszahler der gesetzlichen Rentenversicherung durchsetzen, da andere Einkommensgruppen durch die beschriebenen Vorteile kein Interesse daran haben werden, eine solche Änderung herbeizuführen.
Titelfoto: Alexas_Fotos (pixabay.com) – Creative Commons CC0
Neue Debatte ist das Magazin für Menschen, Kultur und Gesellschaft. Es steht für 100% Journalismus und Wissenschaft von unten - unabhängig und nicht werbefinanziert. Journalisten, Blogger, Arbeiter, Akademiker, Soziologen, Handwerker, Philosophen, Micro-Blogger, Erwerbslose, Wortkünstler, Experten und kritische Menschen aus allen Milieus und Ländern skizzieren das Zeitgeschehen aus ihrem Blickwinkel: offen, ehrlich und ohne doppelten Boden. Unterstütze uns!