Reporter ohne Grenzen zieht eine ernüchternde Jahresbilanz der Pressefreiheit. 2016 wurden weltweit 74 Journalisten, Bürgerjournalisten und Medienmitarbeiter getötet.
Journalisten, Reporter und Bürgerjournalisten riskieren oft genug Leib und Leben, wenn sie aus Kriegsregionen oder Krisengebieten berichten.
Im zweiten Teil seiner Jahresbilanz der Pressefreiheit 2016 verzeichnet Reporter ohne Grenzen (ROG) insgesamt 74 getötete Medienschaffende: 57 professionelle Journalisten, neun Bürgerjournalisten und acht Medienmitarbeiter.
Noch erschreckender als die Zahl der Toten ist der Umstand, dass rund drei Viertel der Getöteten im Zusammenhang mit ihrer Arbeit gezielt angegriffen wurden.
ROG kommt zu dem Ergebnis, dass Afghanistan, Syrien, der Irak, Mexiko und der Jemen aktuell die gefährlichsten Länder für Medienschaffende überhaupt sind.
Journalisten in Haft
Viele Journalisten werden wegen ihrer Berichterstattung verfolgt, manche inhaftiert oder sie verschwinden spurlos. 348 Medienschaffende sitzen laut ROG aktuell in Haft. Die meisten sind in der Türkei, in Ägypten, China, Syrien oder dem Iran eingesperrt. Unter den Inhaftierten sind auch 146 Blogger und Bürgerjournalisten.
In China steht es extrem schlecht um die Pressefreiheit. Über 100 Journalisten und Blogger sitzen dort im Gefängnis. Im Iran sieht es laut ROG kaum besser aus:
Auch im Iran werden professionelle Journalisten wie auch Blogger und Bürgerjournalisten ausspioniert, verfolgt, verhört und unter oft erbärmlichen Haftbedingungen eingesperrt.
Zu den verfolgten Journalisten in der Türkei zählt zum Beispiel Can Dündar, ehemaliger Chefredakteur der Cumhuriyet. Seine Zeitung berichtete im Mai 2015 über Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien, an denen der türkische Geheimdienst beteiligt gewesen sein soll.
Dündar wurde ein halbes Jahr später verhaftet und nach mehreren Monaten Untersuchungs- und Isolationshaft zu fünf Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteil.
ROG schreibt über die Situation in der Türkei:
Mithilfe des Ausnahmezustands hat die Regierung zugleich die führenden kritischen Medien per Dekret geschlossen und damit den Medienpluralismus weitgehend abgeschafft.
Gegen das erste Urteil legte Can Dündar Berufung ein. Gegen ihn wurde ein weiteres Verfahren wegen Unterstützung einer terroristischen Organisation eröffnet. Dündar verließ die Türkei.
Der Fall Jean Bigirimana
52 Medienschaffende, so steht es im ersten Teil der Jahresbilanz der Pressefreiheit, wurden Opfer einer Entführung. Diese sollen sich alle in Syrien, im Jemen oder im Irak abgespielt haben.
Ein Fall aus dem ostafrikanischen Burundi steht exemplarisch für das plötzliche Verschwinden von Journalisten. Jean Bigirimana verschwand am 22. Juli 2016 spurlos. Zuletzt wurde er in Gewahrsam von Geheimdienstbeamten gesehen.
Anfänglich räumten die Behörden ein, sie hätten Bigirimana festgenommen. Diese Aussage wurde widerrufen. Bigirimana konnte bis heute nicht aufgefunden werden.
Forderung nach mehr Schutz
Anfang Mai, zum internationalen Tag der Pressefreiheit, hatte Reporter ohne Grenzen die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen aufgerufen, einen UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten einzusetzen. Trotz verschiedener UN-Resolutionen in den vergangenen Jahren ist eine reale Verbesserung der Situation bis heute nicht eingetreten.
Foto und Grafiken: Unsplash (pixabay.com) – Creative Commons CC0 sowie Reporter ohne Grenzen.
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