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Chronik des gewöhnlichen Rassismus

Liebe nette Leute können schreckliche Gedanken haben, wenn ihre Sicht der Dinge manipuliert wird. Der gewöhnliche Rassismus und der Weg ins Schlachthaus.

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Liebe nette Leute können schreckliche Gedanken haben, wenn ihre Sicht der Dinge manipuliert wird. Der gewöhnliche Rassismus und der Weg ins Schlachthaus.

 

Liebe nette Leute können schreckliche Gedanken haben, wenn ihre Sicht der Dinge manipuliert wird. Mathieu Aucouturier schreibt über den gewöhnlichen Rassismus und den Weg ins Schlachthaus.

Dies ist die Geschichte eines schwarzen Schafes, das seit Langem auf einem Feld inmitten von weißen Schafen lebt. Seine Farbe war bisher niemals ein Problem gewesen und der Rest der Herde hat es immer als vollwertiges Mitglied betrachtet. Eines Tages, als es friedlich weidete, traf es einen seiner Freunde …

“Hast Du von den schwarzen Schafen im Nachbarfeld gehört?“, fragte Weißes Schaf. “Sie sind alle heute bei Tagesanbruch ins Schlachthaus gebracht worden.”

Tatsächlich? Das ist ja schrecklich!, rief Schwarzes Schaf aus. Und weiß man warum? Woher hast du diese Nachrichten?

Der Schäferhund hat es uns gesagt. Ich denke, dass sie ins Schlachthaus gebracht wurden, weil sie es verdient haben. Sie machen immer Ärger, es gibt immer mehr von ihnen, dann ist es doch normal, dass man sie wegschafft.

Das kannst du doch nicht sagen. Ich möchte dich daran erinnern, falls du es nicht bemerkt hast, dass ich selbst schwarz bin, und ich habe nicht das Gefühl, dass ich Ärger mache, ich denke sogar, dass ich gut in die Herde integriert bin.

Bei dir ist das etwas anderes, du bist so nett, du bist sicher die Ausnahme von der Regel. Nein, also ich höre alle Geschichten, die der Schäferhund uns erzählt, was die schwarzen Schafe in den Nachbarfeldern tun. Ich glaube, dass sie es verdient haben, was ihnen da passiert.

Welche Regel bestätige ich? Dass die schwarzen Schafe Ärger machen? Ich möchte dir eine Frage stellen: Wenn man mich genauso behandeln würde, hätte ich das verdient deiner Meinung nach?

Natürlich nicht, das wäre völlig ungerechtfertigt und wirklich schlimm.

Weil du mich kennst. Aber glaubst du nicht, dass es in den anderen Feldern Schafe gibt, die mich nicht kennen und derselben Logik folgen wie du und dann nichts gegen diese Entscheidung einzuwenden hätten?

Ich vermute ja.

Wäre es da also nicht vorsichtiger zu denken, dass es unter den Schafen, die ins Schlachthaus abgeführt wurden, auch schwarze Schafe, wie mich gab, die keinen Ärger gemacht haben? Und wenn du nichts dagegen gehabt hast, dann deswegen, weil du sie nicht kanntest? Ist das nicht ungerecht?

Ich bin verwirrt, so habe ich die Sachlage nicht betrachtet. Ich muss sagen, dass ich ein Ungeheuer bin.

Ich denke gar nichts, ich weiß, dass du ein guter Kerl bist, und ich muss einsehen, dass liebe nette Leute schreckliche Gedanken haben können, wenn ihre Sicht der Dinge manipuliert wird.

In diesem Augenblick kam der Schäferhund aufs Feld, ging auf Schwarzes Schaf zu und begleitete es zum Ausgang. Genau in diesem Augenblick verstand Weißes Schaf, dass man implizit die schlimmsten Schreckenstaten billigt, wenn man sich auf allgemeine Denksätze einlässt.

Absolut nette und sympathische Leute, die sich an die Idee gewöhnt haben, dass die Ursache ihres Unglücks die Andersartigen sind, stellen dann häufig fest, dass ihre Ideen ungeheuerlich sind, sobald sie die schrecklichen Konsequenzen dieser Ideen miterlebt haben.


Mit besonderem Dank an Dr. Susanne Hildebrandt für die Übersetzung.


Foto: Neue Debatte mit Material von Gordon Johnson (pixabay) – Creative Commons CC0.

Mathieu Aucouturier ist ein Autor aus Frankreich. Er schreibt unter anderem für Gazette Debout.

Von Mathieu Aucouturier

Mathieu Aucouturier ist ein Autor aus Frankreich. Er schreibt unter anderem für Gazette Debout.

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