“Die Meinungsfreiheit werden wir uns nicht nehmen lassen, weil es ohne sie keine Demokratie gibt”, sagt Pilar Mesa Arroyo. In ihrem Gastbeitrag beschreibt die Aktivistin die Auswirkungen des scharf kritisierten Knebelgesetzes “Ley Mordaza” in Spanien.
In den letzten Jahren leidet unsere Bevölkerung unter der Einschränkung von Grundrechten und Kürzungen im Gesundheits- und im Bildungswesen. Als Vorwand wird dazu die Wirtschaftskrise benutzt.
Es haben auch viele Menschen ihre Arbeit verloren, weil dadurch Entlassungen erleichtert worden sind. Ebenfalls sind Menschen von Rentenkürzungen und vom Verlust der ihnen zustehenden Sozialleistungen betroffen. Viele leiden auch an der sogenannten Energiearmut oder haben ihre Wohnungen verloren.
Unter dem Strich hat die soziale Ungleichheit erheblich zugenommen, mit der Konsequenz, dass immer mehr Menschen vom bisher gewohnten sozialen Leben ausgeschlossen sind.
Die Regierung kriminalisiert soziale Bewegungen und friedliche Proteste.
Aufgrund dieser Tatsachen hat sich die empörte Bevölkerung mobilisiert, insbesondere seit dem 15. Mai 2011.1 Sie hat Demonstrationen, Streiks und Versammlungen organisiert, sie hat gegen Zwangsräumungen von Eigentumswohnungen mobilgemacht und vieles mehr.

Daraus sind soziale Bewegungen wie Stop deshaucios (Stopp den Zwangsräumungen) und Stop represión (Stopp der Repression) und die Würdemärsche entstanden.
Mit dem Ziel, diesen Ausdruck der Empörung zu bremsen, die sozialen Auseinandersetzungen zu unterdrücken und mit ihrer Austeritätspolitik fortzufahren, hat die Regierung die sozialen Bewegungen und die friedlichen Proteste kriminalisiert, sie hat die Repression verstärkt, in dem sie das Strafrecht reformiert hat und ein Gesetz erlassen hat, das im Volksmund das Knebelgesetz genannt wird.
Offiziell ist es das Gesetz zum Schutz der Bürger und trat am 1. Juli 2015 in Kraft. Dieses Gesetz bestraft, verbietet und kriminalisiert Aktionen wie das Verhindern oder Erschweren einer Zwangsräumung, es verletzt ebenso fundamentale Grundrechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit oder das Recht zu demonstrieren.
Es bestraft auf diese Weise Armut und Solidarität. Es ist somit eine gravierende Beeinträchtigung der Menschenrechte und der Rechte, die den Menschen durch die spanische Verfassung zustehen.
Schwarze Listen und eingeschränkte Bürgerrechte
Durch diese Gesetzesänderung verwandeln sich einfache Fehler in administrative Gesetzesverstöße und neue werden typisiert. Da es sich dann um administrative Sanktionen handelt, bleiben sie in Händen der Verwaltung und der Polizei, wodurch beim Strafverfahren Garantien wie das Recht auf einen Anwalt oder gar das Recht auf ein Gerichtsverfahren verloren gehen.
Um das Maß vollzumachen, werden “Schwarze Listen” erlaubt, mit der Bezeichnung “gewöhnliche Gesetzesverstöße”. Menschen, die auf diese Listen kommen, sind somit gebrandmarkt.
Nationale und internationale Organisationen wie die UNO oder der Kommissar für Menschenrechte des Europarates haben dieses neue Gesetz hart kritisiert sogar das Verfassungsgericht in Spanien hat eine Klage diesbezüglich zugelassen.
35 Professoren unterschiedlicher Universitäten Spaniens unterschrieben ein Manifest, in dem diesem Gesetz technische Armut und eine reaktionäre und autoritäre Natur bescheinigt wurde.
Auch Vertreter von Verlagen und Journalisten unterzeichneten ein Dokument, in dem die Rücknahme dieses Gesetzes verlangt wurde, da sie es auch als eine Gefahr für die Freiheit der Information ansahen.
Parlamentarische Gruppen der Opposition – mit Ausnahme von UpyD (Unión Progreso y Democracia; dt.: Union Fortschritt und Demokratie), CiU2 (Convergència i Unió) und PSOE (Partido Socialista Obrero Español, dt.: Spanische Sozialistische Arbeiterpartei) – und Parteien ohne parlamentarische Vertretung, wie zum Beispiel damals Podemos, unterzeichneten eine Verabredung mit dem Souverän, in der sie sich im Falle einer Regierungsbildung dazu verpflichteten, das Gesetz sofort außer Kraft zu setzen.
Die Meinungsfreiheit werden wir uns nicht nehmen lassen, weil es ohne sie keine Demokratie gibt.
Es ist unbedingt erforderlich gegen dieses Gesetz anzukämpfen und wir begrüßen jede Aktivität, die in diese Richtung geht.
Leider müssen wir feststellen, dass in jüngster Zeit mehrere Künstler aus Granada Opfer dieses Gesetzes geworden sind, was wir natürlich verurteilen.
Ebenso verurteilen wir den Fall von Andrés Bódalo3, einem Gewerkschafter, der zurzeit im Gefängnis sitzt.
Trotz des “Knebelgesetzes” machen wir auf den Straßen weiter und machen auf Ungerechtigkeiten aufmerksam. Die Meinungsfreiheit werden wir uns nicht nehmen lassen, weil es ohne sie keine Demokratie gibt.
Redaktioneller Hinweis: Mit besonderem Dank an Jairo Gomez für die Übersetzung.
Quellen und Anmerkungen
[1] Am 15. Mai 2011 begannen mit einem Aufruf in 58 spanischen Städten Proteste und spontane Demonstrationen, die soziale, wirtschaftliche und politische Missstände kritisierten. Spanische Medien bezeichnen sie auch als Movimiento 15-M. ↩
[2] Die Convergència i Unió war ein Parteienbüdnis mit regionaler Verankerung in der Autonomen Region Katalonien. Es wurde im Juni 2015 aufgelöst. ↩
[3] Andrés Bódalo ist Gewerkschafter der Sindicato Andaluz de Trabajadores und Kommunalpolitiker der Partei Podemos. Er soll bei einer Protestaktion im Jahre 2012 massiven Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet haben und wurde von einem Gericht zu 3,5 Jahren Gefängnis verurteilt. ↩
Titlbild: Demonstration gegen das “Gag Law” in Madrid am 20. Dezember 2014 (CC BY-SA 4.0) und Plakat zum Demonstrationsaufruf gegen das Gag Law (Pilar M. Arroyo).
Pilar Mesa Arroyo kommt aus Spanien. Sie gehört der Partei Podemos und dem Bürgerrat in Andalusien an. Dort engagiert sich vor allem für die Bereiche Menschenrechte und Bildung.