In Afghanistan wurde die stärkste nicht atomare Bombe der US-Streikräfte eingesetzt. Nun ist die letzte Option zur Steigerung der Vernichtungskraft und zur Demonstration absoluter Macht der nukleare Horror. Ein Kommentar.
Es gibt keinen gerechten Krieg. Das wusste vor 2000 Jahren schon der römische Philosoph Marcus Tullius Cicero. Heute, nach zwei Weltkriegen, den Kriegen in Korea, Vietnam, Nicaragua, Angola usw. und den aktuellen Kriegen im Irak, in Afghanistan, im Jemen, in Syrien usw. usw., nach Millionen Toten und noch mehr Verstümmelten ist die Menschheit sehr viel klüger und weiß: Es gibt keinen gerechten Krieg.
Und sie weiß auch, dass der Frieden viel billiger ist. Und die gleiche Menschheit, die das alles weiß, die lässt sich von durchschnittlich begabten und durchschnittlich gebildeten Menschen, die sich wahlweise Politiker, Experten, Vordenker oder Vorbeter nennen, und deren Kaltherzigkeit so auffällig ist, dass ein Mensch mit Anstand diesen Herrschaften noch nicht einmal die Hand reichen würde, sondern angewidert ob ihrer Erscheinung die Straßenseite wechselt, die sich in den verkrusteten politischen und gesellschaftlichen Systemen ein warmes Nest gebaut haben und in ihrem ganzen Leben niemals auf einem Schlachtfeld anzutreffen sein werden, von diesen Mittelmäßigen lässt sich die kluge Menschheit einreden, dass ein Krieg kein Krieg sei – und doch nötig hin und wieder?!
Und dann finden sich irgendwo ein paar Menschen, die sich eine Uniform anziehen oder sich eine noch so kranke Ideologie zu eigen machen und eine Waffe für diese Mittelmäßigen in die Hand nehmen oder Bomben auf arme Menschen in Asien, in Afrika, im Nahen Osten, in Europa oder sonst wo auf dem Globus werfen, sie umbringen, ihre Dörfer abfackeln, ihre Städte in Trümmer legen und unzählige namenlose Menschen töten.
Und nun wird sogar die Mutter aller Bomben auf irgendwen geworfen, den niemand kennt und doch wird es die Richtigen getroffen haben: vielleicht, vermutlich, ganz bestimmt … das haben schließlich unsere Mittelmäßigen gesagt, die das Richtige tun.
Und Menschen in den Redaktionsstuben der Guten, deren Zaren und Königinnen sich beständig mit den Mittelmäßigen umgeben, die beschreiben diese Mutter, diese Ausgeburt der technologischen Hölle und diese letzte Vorstufe zum nuklearen Horror … Sie beschreiben sie so schön sachlich und so schön antiseptisch wie die lieb gewonnene Glühbirne:
- Typ: GBU-43/B (Massive Ordnance Air Blast)
- Gewicht: Rund zehn Tonnen
- Sprengkraft: 8000 Kilogramm Sprengstoff mit elf Tonnen TNT-Äquivalent
- Kosename: Mother of all Bombs
- Besonderheit: Stärkste nicht atomare Bombe der US-Streitkräfte
Und wenn dann noch ein Mittelmäßiger aus dem Weißen Haus für seinen König verkündet, Vorkehrungen seien getroffen worden, um zivile Opfer möglichst zu vermeiden, dann beruhigt dies, auch wenn das Wörtchen “möglichst” höchste Beunruhigung auslösen sollte. Möglichst … Das ist die Spitze der Unverbindlichkeit.
Wenn die Herolde dann noch verbreiten, die Mutti sei auf ein Gebiet im Norden Afghanistans und dort auf die Terrormiliz “Islamischer Staat” abgeworfen worden, und es seien drei Dutzend Menschen ums Leben gekommen, selbst dann rührt sich der Instinkt des Misstrauens nicht.
Als könne tatsächlich irgendwer nach der Explosion eines solchen Monstrums, dessen Sprengkraft sich fast auf Augenhöhe mit dem kleinen Jungen, der Atombombe Little Boy bewegt, die am 6. August 1945 die japanische Stadt Hiroshima in Schutt und Asche legte, sagen, ob dort nun fünf, zehn, hundert oder tausend Menschen gestanden hätten – und vor allem wer dort stand …
Im 1. Weltkrieg wurden an der Front bei Ypern am 7. Juni 1917 unter den Stellungen der 3. Königlich Bayerische Division von britischen und australischen Pionieren 600 Tonnen Sprengstoff in die Luft gejagt. Binnen einer Sekunde wurden 10.000 Mann getötet … Vermutlich, möglicherweise, man weiß es nicht genau. Dort, wo die Division vorher noch war, blieb ein Krater zurück. Und jetzt kommt diese Mutter.
Selbst der Umstand, dass die Übertrumpfung dieser hässlichsten aller Mamis nur durch den Einsatz einer Atombombe erreicht werden kann, dieser Umstand ändert die medialen Beschreibungen der Beipackzettel nicht. Die Demonstration absoluter Macht um der Macht willen macht jene blind und taub für jegliche Kritik, die sich auf der Seite der Mächtigen wähnen.
Und nachdem für die Mittelmäßigen diese Hausarbeit mit Schreiber und Schwert erledigt wurde, bekommen diese Gestalten zum Dank einen neuen Posten, vielleicht einen freien Tag oder einfach nichts.
Die anderen, diejenigen, die die Knöpfe drücken, die bekommen vielleicht ein Stück Metall an die feine Uniform geheftet, ein Schulterklopfen auf den Stumpf des Armes, den eine Granate abgerissen hat, einen Kranz auf dem Soldatenfriedhof oder bürokratisch korrekt auf den Verlustlisten den Eintrag “Verschollen” – oder ein paar bunte Pillen, damit die Kriegstraumata nicht so auffallen.
Wie schwer muss es sein und welche Überwindung muss es kosten, die Uniform auszuziehen, die Knarre in den nächsten Graben zu werfen und nicht mehr mitzumachen …
Und wie schwer muss es fallen, zu schreiben, dass dort im Irgendwo von Afghanistan nicht die Mutter aller Bomben abgeworfen wurde, sondern die Mutter aller Idioten …
Foto: See-ming Lee (flickr.com) – CC BY 2.0.
Gunther Sosna studierte Psychologie, Soziologie und Sportwissenschaften in Kiel und Hamburg. Er war als Handballtrainer tätig, arbeitete dann als Journalist für Tageszeitungen und Magazine und später im Bereich Kommunikation und Werbung. Er lebte hauptsächlich im europäischen Ausland und war international in der Pressearbeit und im Marketing tätig. Sosna ist Initiator von Neue Debatte und weiterer Projekte aus den Bereichen Medien, Bildung, Diplomatie und Zukunftsfragen. Regelmäßig schreibt er über soziologische Themen, Militarisierung und gesellschaftlichen Wandel. Außerdem führt er Interviews mit Aktivisten, Politikern, Querdenkern und kreativen Köpfen aus allen Milieus und sozialen Schichten zu aktuellen Fragestellungen. Gunther Sosna ist Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens und tritt für die freie Potenzialentfaltung ein, die die Talente, Fähigkeiten und die Persönlichkeit des Menschen in den Mittelpunkt stellt, ohne sie den Zwängen der Verwertungsgesellschaft unterzuordnen. Im Umbau der Unternehmen zu gemeinnützigen und ausschließlich dem Gemeinwohl verpflichteten sowie genossenschaftlich und basisdemokratisch organisierten Betrieben sieht er einen Ausweg aus dem gesellschaftlichen Niedergang, der vorangetrieben wird durch eine auf privaten Profit ausgerichtete Wirtschaft, Überproduktion, Kapitalanhäufung und Bullshit Jobs, die keinerlei Sinn mehr haben.
2 Antworten auf „Afghanistan: USA setzen zum ersten Mal die “Mutter aller Idioten” ein“
Du sprichst mir aus dem Herzen!
Treffender Kommentar. Wenn man dazu bedenkt, das eine Bombe rund 16 Millionen Dollar kostet und sich überlegt, was man mit soviel Geld an humanitären Hilfeleistungen hätte machen können…
Aber es war eben immer lukrativer (für einige Wenige) den Krieg zu finanzieren, als die Mitmenschlichkeit.