Kategorien
Philosophie

Philosophie der Robotik: Die Ersetzbarkeit der Emotionen

Der Homo sapiens wird in der Arbeitswelt von der Robotik verdrängt. Doch sind seine Emotionen auch ersetzbar?

Der Homo sapiens, der durch seine Bedürfnisse nicht nur nach Entlohnung eine ökonomische Belastung der auf Nutzwert optimierten Arbeitswelt verkörpert, wird von der Robotik verdrängt. Doch sind seine Emotionen auch ersetzbar?

Die Wissenschaft schreitet voran, und mit ihr die Technik: In vielen Lebensbereichen übernehmen bereits Maschinen – eben Roboter – menschliche Arbeit.

In handwerklichen Bereichen mag das noch angehen und legitim sein, sofern dies einer Arbeitserleichterung dient, doch schon hier stellt sich die Frage der Ersetzbarkeit von Menschen. In dessen Folge auch die Frage, inwiefern ein oder die Roboter den Menschen – ich denke hier nicht nur an Fabrik- und Fließbandarbeiter – ihre existenzsichernde Arbeit streitig machen.

Ein ähnliches Bild bietet sich auf dem genuin menschlichen Sektor, eben der Pflege von Menschen: Ein Roboter ist vielleicht dazu imstande, physische Pflegeleistungen zu erbringen, doch wie steht es mit der damit einhergehenden menschlichen emotionalen Zuwendung, welche zwar mittlerweile von den Maschinen simuliert werden kann, aber ist diese wirklich durch einen Roboter leistbar und ersetzbar?

Welcher Klient sähe schon gern seinen Pfleger, Psychologen oder Psychiater von einem Roboter ersetzt? Hier tun sich Grenzen auf in der Ersetzbarkeit von Menschen durch Maschinen, welche die sogenannten Vordenker zum Nachdenken anregen sollten.

Die Evolution zum Super oeconomicus

Dass sich das Denken der technischen Vordenker um die Faszination der Künstlichen Intelligenz (KI) und die Robotik selbst dreht, überrascht nicht, auch wenn nüchtern zur Kenntnis genommen werden muss, dass diese Auseinandersetzung die menschliche Komponente dauerhaft auf den zweiten Platz der Wichtigkeitsskala verbannt.

Begründungen finden sich in der alten Welt des Homo oeconomicus, der im 21. Jahrhundert die Chance ergriffen hat, durch die Verschmelzung mit dem Homo digitalis zum Super oeconomicus zu mutieren, der alle Lebensbereiche mit seiner dominanten Logik der Nutzenmaximierung durchdringt: Wirtschaft, Politik, Bildung, Gesellschaft, Ethik, Moral, Gesundheit, Pflege und in letzter Konsequenz das Menschsein selbst.

Der banale Homo sapiens, der durch seine Bedürfnisse nach Zuspruch, Anerkennung und emotionale Nähe mehr ökonomische Last als Nutzen bedeutet, zwingt somit den Super oeconomicus seine neuen Schöpfungen, diese seelenlosen Maschinen, in ihrem Sein auf eine Ebene zu heben, die sie zum Abbild ihrer Schöpfer werden lässt und diese schlussendlich überflügelt.

Das Schmiermittel des Lebens

Der Mensch bleibt in diesem künstlichen, aber dennoch evolutionären Prozess zweiter Sieger und wird sich daran gewöhnen müssen, das ihm Maschinen und Algorithmen die Abläufe des Seins diktieren und sogar seine Emotionalität neu definieren, um den höchsten Grad ökonomischer Nutzbarkeit zu erreichen – bis zu dem Tag, an dem die neue Schöpfung den Homo sapiens als überflüssig einstuft …

Außer, diese Schöpfung erreicht das Menschsein selbst, und die künstliche Intelligenz entdeckt den Reiz von Liebe, Hass, Eifersucht, Scham, Glück, Trauer, Furcht und Sehnsucht, entdeckt die Emotionen, das Schmiermittel des menschlichen Lebens und des Zusammenlebens von Mensch, Tier und Maschine.

Sicher ist: Auf den Menschen folgt die Maschine. Der Landwirt der Zukunft ist ein Roboter und die Krankenschwester von morgen hat Solarbetrieb. Es bleibt die Hoffnung, dass der Homo sapiens sapiens für sich selbst die Wichtigkeit des Homo sapiens sapiens erkennt.


Foto: Roboter von Amigos3D; Pixabay; Creative Commons CC0.

Dr. Christian Ferch studierte Linguistik, Philosophie und Religionswissenschaft mit den Schwerpunkten Semantik, Kommunikationstheorie und Religionskritik. Er war Chefredakteur der Studentenzeitung „Die Spitze“ und schrieb seine Dissertation unter dem Titel „Elemente einer allgemeinen Kommunikationstheorie“ an der Freien Universität Berlin. Christian Ferch veröffentlicht zahlreiche philosophische Texte auf seiner Homepage. Im Podcast Philosophie Heros reflektiert er auf gesellschaftliche Aspekte aus dem Blickwinkel der Philosophie und der Kommunikation.

Gunther Sosna studierte Psychologie, Soziologie und Sportwissenschaften in Kiel und Hamburg. Er war als Handballtrainer tätig, arbeitete dann als Journalist für Tageszeitungen und Magazine und später im Bereich Kommunikation und Werbung. Er lebte hauptsächlich im europäischen Ausland und war international in der Pressearbeit und im Marketing tätig. Sosna ist Initiator von Neue Debatte und weiterer Projekte aus den Bereichen Medien, Bildung, Diplomatie und Zukunftsfragen. Regelmäßig schreibt er über soziologische Themen, Militarisierung und gesellschaftlichen Wandel. Außerdem führt er Interviews mit Aktivisten, Politikern, Querdenkern und kreativen Köpfen aus allen Milieus und sozialen Schichten zu aktuellen Fragestellungen. Gunther Sosna ist Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens und tritt für die freie Potenzialentfaltung ein, die die Talente, Fähigkeiten und die Persönlichkeit des Menschen in den Mittelpunkt stellt, ohne sie den Zwängen der Verwertungsgesellschaft unterzuordnen. Im Umbau der Unternehmen zu gemeinnützigen und ausschließlich dem Gemeinwohl verpflichteten sowie genossenschaftlich und basisdemokratisch organisierten Betrieben sieht er einen Ausweg aus dem gesellschaftlichen Niedergang, der vorangetrieben wird durch eine auf privaten Profit ausgerichtete Wirtschaft, Überproduktion, Kapitalanhäufung und Bullshit Jobs, die keinerlei Sinn mehr haben.

5 Antworten auf „Philosophie der Robotik: Die Ersetzbarkeit der Emotionen“

Liebe Freunde,
In eurem Artikel sprecht ihr eine ganze Reihe höchst aktueller und existentieller Fragen und Probleme an. Ich möchte einiges zur Sichtweise sowohl ergänzen als auch in Frage stellen.
Der homo oeconomicus ist eine Erfindung der Wirtschaftswissenschaften, der nur in ihren mathematischen Theorien vorkommt und der sich in ihren Modellen immer absolut ökonomisch und modellkonform verhält. Da es solche Menschen nicht gibt, stimmen ihre Vorhersagen auch nie.
D e n homo oeconomicus gibt es auch deshalb nicht, weil die Menschheit seit Jahrtausenden in Ausbeutungsgesellschaften organisiert ist, denen sich der homo sapiens, der denkenden Mensch, aufspaltet in die große Masse der homi abuti, der ausgebeuteten Produzenten und der kleinen Eliteschicht der homi abutens, der Ausbeuter. Zwischen denen findet der Klassenkampf statt, nicht zwischen d e n Menschen und den Robotermaschinen.
Wenn es so weitergeht wie jetzt, werden weder die Menschen noch die Maschinen übrigbleiben. Für den produktiv arbeitenden Teil der Menschheit waren Maschinen immer nur Werkzeuge zur Erleichterung und Effizienzsteigerung ihrer Arbeit, zur Schaffung von Freiräumen der Lebensgestaltung, Existenzabsicherung und Kreativitätsentfaltung. Für die herrschenden, aus beutenden Klassen ging es immer nur darum, dass die unterjochten Produzenten mehr Überschüsse für die parasitäre Lebensgestaltung der Krieger-, Aristokratie und Priesterkasten erarbeiteten.
Das bedeutet für heute, dass die Arbeitnehmer mehr Mehrwert und damit Kapitalprofit erwirtschaftensollen, d. h. Maschinen, Roboter, etc. werden als fixes Kapital investiert, um das variable Kapital, die Menschen, produktiver zu machen.
Das Problem, dass ihr auch ansprecht, ist, dass die Maschinen anfangen, die menschlichen Produzenten zu takten, und im Produktionsprozess tendenziell überflüssig zu machen. Das wäre an sich eine tolle Sache, wenn das den abhängig Arbeitenden zugutekäme und dadurch die Gesellschaft mehr Freiraum zur freien Entfaltung aller bekäme.
Das ist keine tolle, sondern eine total widersprüchliche Sache für das heutige System der Ausbeutung, denn: Maschinen und Roboter kann man nicht ausbeuten! Die kosten etwas und machen etwas, nutzen sich ab und werden abgeschrieben.. Sie warten und optimieren sich sogar gegenseitig und wenn man sie abschaltet, stehen sie herum. Sie schaffen keinen Mehrwert, denn das können nur Menschen durch geleistete Mehrarbeit. Roboter gehen auch nicht einkaufen und geben ihren Lohn aus und verbrauchen nicht die Produkte, die sie vorher produziert haben.
Also z. B.: Produzenten bauen Waschmaschinen, die eine tolle Arbeitserleichterung sind, und kaufen sich anschließend von ihrem Gehalt so eine Waschmaschine, freuen sich über die Arbeitserleichterung im Haushalt, und kurbeln zugleich Markt und Wirtschaftskreislauf an. Die Waschmaschine – oder der Roboter – kauft gar nichts, kurbelt gar nichts an, ist erst mal wie die Waschmaschinen ökonomisch zu nichts nütze, es sei denn Menschen können sie gebrauchen und kaufen sie.
Wenn aber durch den Einsatz selbiger Maschinen und Roboter die Produzenten ihre Arbeit verloren haben, verdienen sie nichts, können sich nichts, schon gar nicht Waschmaschinen, kaufen. Das in der Produktion investierte Kapital steht sinnlos als unverkäufliche Waschmaschine herum, kein Mehrwert, kein Profit – denn – wie gesagt – Maschinen kann man nun einmal nicht ausbeuten.
Folglich macht es für den Unternehmer keinen Sinn mehr, mit seinem Kapital eine solche Produktion aufzubauen und entsprechend Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. So oder so, dieses Produktionssystem bricht mit jedem Roboter, der eingeführt wird, mit jedem abgebauten Arbeitsplatz ein Stück mehr zusammenzusammen, während zugleich ein überflüssiges, arbeitslose Ex-Prozentenheer ökonomisch zu entsorgen ist.
Also nicht wie ihr schreibt: „Auf den Menschen folgt die Maschine“, sondern: Die Übermacht der Maschinen führt zum Zusammenbruch des kapitalistischen Wirtschaftssystems mit hungernden Menschenmassen, aus den Fugen geratenden Gesellschaften und dumm herumstehenden Maschinen und Robotern in pleite gegangenen Fabriken.
Der Ausweg? Nicht die produzierenden Menschen und ihre tollen Erfindungen von Maschinen und Robotern sind das Problem, sondern das auf reine Kapitalverwertung angelegte Wirtschaftssystems. Das muss weg! Und es muss ersetzt werden durch eine Gesellschaft, in der es darum geht, d e n Menschen das Leben zu erleichtern, ihre Kreativität und Entfaltungsmöglichkeiten zu fördern und bewusst Entscheidungen zu treffen, welche der nervtötenden, langweiligen, und kleinteiligen Arbeiten Maschinen schneller, besser und gründlicher machen können, damit wir das nicht mehr zu tun brauchen und unsere Zeit sinnvoller einsetzen können und die „Schmiermittel des menschlichen Lebens“ voll auskosten können.
Gruß
Reinhard

Vielen Dank für die Anregungen, Reinhard. Der homo oeconomicus existiert natürlich als rein theoretisches Konstrukt, aber auch nur deshalb, weil er nicht in Beziehung gestellt wird zu den heutigen technischen Möglichkeiten der Verwertungsgesellschaft. Du hast natürlich recht, dass der Begriff Ausbeuter viel besser passt. Am Ende der Kette eines kapitalisierenden Handlungsablaufs steht irgendwo ja immer ein Mensch, den ich selbst etwas anders kategorisiere. Dazu mag das Beispiel der Börsen dienen. Der dortige Handel, der nicht ausschließlich Brokern überlassen wird, sondern der Technik (die Einführung des elektronischen Handels – in Deutschland als Xetra-Handel bekannt – war ein solcher Schritt) und in der “evolutionären Spitze” dem Flash Trading weicht, also dem Hochfrequenzhandel, hat aus der Theorie die Praxis werden lassen. Der Ausbeuter bleibt zwar ein Mensch, aber die Ausbeutung geht auf die Maschine über, die der Mensch “beauftragt” bzw. “besitzt”. Dies verhindert jede Emotionalität, sonst wäre es vermutlich gar nicht möglich, dass Grundnahrungsmittel an der Börse gehandelt werden und sich durch die Kursbewegungen irgendwo auf dem Planeten von einem Tag auf den anderen Menschen nichts mehr “zu fressen” leisten können. Doch kritisiert wird nicht der Mensch, der dafür verantworlicht ist – die haben Namen -, sondern “der Börsenhandel”, was immer der sein mag. Die Gesellschaft entmenschelt die Verantwortung. Um es zu verdeutlichen: nicht die Waffenschmiede Heckler & Koch verkauft den Tod in die Welt, sondern die Herrschaften in der Geschäftsführung. Du schreibst: “Roboter gehen auch nicht einkaufen und geben ihren Lohn aus und verbrauchen nicht die Produkte, die sie vorher produziert haben.” Das mag zwar jetzt noch so sein, aber in der Zukunft, und um die soll es gehen, wird – auch wenn es sich aberwitzig anhört -, der Roboter auch zum Konsumenten, da die Frage der Emotionalität der Maschinen bereits jetzt ein Thema bei der Entwicklung der KI ist. Emotion also auch im Sinnen von Begehrlichkeit: Nicht Durst oder Hunger, aber andere Formen der Zuneigung, des haben Wollens. Es wird sich mit der Empathie von Robotern für Menschen beschäftigt. Aber mit der Empathie kommt eben die Emotion und mit ihr Wünsche und Bedürfnisse: also auch Konsumwünsche. So würde ich das langfristig zumindest einschätzen, auch wenn dein Argument, die Übermacht der Maschinen führt “zum Zusammenbruch des kapitalistischen Wirtschaftssystems mit hungernden Menschenmassen, …” völlig schlüssig ist. Doch diese Massen haben wir schon jetzt in Afrika und in Teilen Asiens. Deshalb treffen unsere Forderungen – auch wenn das nicht Kern des Artikels war – zusammen: Das Wirtschaftssystem ist das Problem und das System muss durch ein anderes ersetzt werden. Allerdings, und da fängt eine Schwierigkeit an, die wohl nur durch radikales Umdenken der “Mitspieler” bewältigt werden kann, nämlich, dass sich komplexe Systeme insbesondere in Krisenzeiten nicht reformieren lassen. Unbestritten fällt nicht nur Europa von einer Krise in die nächste, und dennoch referieren die etablierten politischen und gesellschaftlichen Kräfte über eine Reformation des Systems (dazu zähle ich auch die Mär von den Nationalstaaten, die angeblich irgendwas besser machen könnten, als das Gesamtsystem). Diese Reformationsansprachen halte ich nicht nur für unsinnig, sondern schlicht für ein absurdes Theater, um den Verlust der eigenen Pfründe zu verhindern. Entweder wird das alte System zügig abgerissen und durch ein durchdachtes neues System ersetzt oder es wird sich selbst abreisen und dann durch etwas anderes, ein spontan entstehendes System ersetzt. Und dieses “spontane System”, das keiner kennt, sollte zu denken geben …

hmmm … ob die fortpflanzung dann auch durch roboter realisert wird? mit ganz viel liebe natürlich:-)))

roboterembryonen und – babys … bis zum robotersterben …

natürlich gebe es zu diesem existenziellen thema der zukunft unendlich viel zu sagen – doch bleibt letztendlich die machtfrage über die richtung des wohin … auch wenn einzelne teilschritte dabei ihren reiz haben können. doch: eine welt voller arbeitsloser, die von robotern bedient, gepflegt – ja unterrichtet werden … wer beantwortet dann ihre frage nach dem SINN des lebens …

” Ende März gab der milliardenschwere Unternehmer und Gründer der Unternehmen SpaceX und Tesla, Elon Musk, bekannt, mit dem neurowissenschaftlichen Startup Neuralin eine Mensch-Computer-Schnittstelle (BCI) entwickeln zu wollen.

Ins Gehirn implantierte Elektroden sollen es künftig Menschen erlauben, per Gedankenübertragung mit Maschinen und anderen Menschen zu kommunizieren.”

https://deutsch.rt.com/meinung/49710-transhumanismus-und-kunstliche-intelligenz-jack/

Wie ist Deine Meinung zum Thema?

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.