Michael Wögerer von “Unsere Zeitung” will auf die Situation von Menschen aufmerksam machen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen oder bedroht sind. Er lebt in Wien einen Monat lang von 7,50 Euro am Tag: dem theoretischen Durchschnittsbetrag, den die Mindestsicherung in Österreich zum Leben vorsieht. Wir veröffentlichen sein Tagebuch.
29 Tage stehen mir noch bevor und mein Budget beträgt dafür 224,25 Euro. Da ich gleich am ersten Tag ein wenig mehr als die 7,50 Euro verbraucht hatte, hab ich mir heute vorgenommen keinen Cent auszugeben.
Ein paar Vorräte – Dosen-Chilli zu Mittag, Obst und Gemüse am Nachmittag und ein Müsli am Abend – konnten meinen Magen gut füllen. Auch mit dem Wuzeltabak komme ich noch bis morgen aus.
Passend zum zentralen Thema hat die Statistik Austria heute neue Zahlen zu Armut in Österreich veröffentlicht.
Da ich am Vormittag zu Hause war, hab ich daraus für Unsere Zeitung gleich eine Meldung verfasst: 1.542.000 Menschen in Österreich von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen. Das bedeutet, dass fast jeder 6. Mensch armuts- oder ausgrenzungsgefährdet ist.
Denkt daran, wenn ihr morgen mit U-Bahn, Bus oder Straßenbahn fahrt und in die Runde blickt. 1,2,3,4,5,6 – Achtung, Armut!
Zentral scheint mir bei der Debatte um Armut in Österreich der Begriff “soziale Ausgrenzung” zu sein. Zum Glück gibt es hierzulande niemanden der verhungert. Einige, die meinen Selbstversuch kommentiert haben, erzählten, dass sie sogar mit weniger als 7,50 Euro pro Tag ihr Auslangen finden müssen/mussten.
Ich bedanke mich hier auch für die vielen tollen Tipps, wo man günstige oder kostenlose Lebensmittel bekommt. Ich werde diese Initiativen in den nächsten Wochen besuchen und präsentieren.
Aber die Teilhabe an unserer Gesellschaft ist nicht dadurch gegeben, dass man überleben, sondern mitleben kann. Und dieses Mitleben ist großteils mit Konsum verbunden. Kino, Konzerte, Kaffeehaus, Beisl oder Fußballplatz. Nirgends kommst du hinein, ohne für den Eintritt oder die dortige Konsumation zu bezahlen. Wir leben in einer Gesellschaft, die darauf ausgerichtet ist Geld auszugeben. Und wer keines hat, muss eben draußen bleiben!
Doch ich weiß, dass es auch hier viele Ideen gibt, aus dieser Konsumgesellschaft auszubrechen und ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir auch hier mit Tipps weiterhelft!
Freue mich auf eure Kommentare!
Alles Liebe! Michael
Wien, 2. Mai 2017
Fragen, Anmerkungen, Lob und Tadel sowie Feedback zur Aktion, können als Kommentar unter dem Beitrag geschrieben oder an seine E-Mail michael.woegerer(at)gmail.com gesendet werden.
Titelbild: Consumer Society (pixabay.com) Creative Commons CC0.
Michael Wögerer ist ein Journalist aus Wien. Er ist Mitbegründer und Redakteur von „Unsere Zeitung – Die Demokratische“, einem Kooperationspartner von Neue Debatte, war bei der Austria Presse Agentur und schreibt über Gewerkschaften, Soziales, Lateinamerika, Fußball und Liebe.
3 Antworten auf „Leben von Mindestsicherung: Tag 2 – Konsumgesellschaft“
Nebenher einen kleinen Job annehmen, als Aushilfe oder so, bringt wenigstens etwas in die Kasse.
mit 7.50€ liegt er ja noch “ganz gut im rennen”. wer in der bundesrepublik sin leben mal als “harzer” fristen durfte kann von sowas nur träumen, vor allem, wenn er dann noch frau und kinder hat, da geht der tagessatz mal ganz rapide in den keller, denn dann kann man ja billiger einkaufen, meinte die früherer familienministerin und heutige kriegsministerin, frau von der leyen. und nach einer klage gegen diese sätze machte man sich nach höchsrichterlichem urteil aus karlsruhe dann fix daran, die sätze gleich nach unten anzupassen. da war nicht mal mehr der wuzeltabak drin, denn das sah man als asozial an. und von dem, was ende des monats nicht übrig blieb, ist dann noch ein betrag zum ansparen eingeplant, falls mal irgendeine grösser investition, wie zb eine waschmaschine ansteht. wie das geht, steht in den sternen. “negativguthabe”n ist da wohl der neudeutsche begriff für, den herr kohl seinerzeit mal kreierte.
“Heutzutage kaufen viele Leute mit dem Geld, das sie nicht haben, Sachen, die sie nicht brauchen, um damit Leuten zu imponieren, die sie nicht mögen.” Ernst Bloch, Philosoph
Schöne Grüsse aus der Ausstellung “Was ist Glück?”
(ANMERKUNG ADMIN: Link gelöscht; Werbeabsicht erkennbar. Sie sollten lieber über diese Ausstellung bzw. über die Wichtigkeit von Kunst und Kultur in einem Gastbeitrag schreiben. Das ist durchaus willkommen, selbst wenn eine Verkaufsabsicht verfolgt wird, nämlich u.a. schon deshalb, wie es Jonathan Meese einmal treffend beschrieb, weil alles Schreckliche dieser Welt auf die Bühne und in die Kunst gehört.)