Heute ist ein historisch denkwürdiger Tag. Der 8. Mai steht für die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht, das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Befreiung Europas vom Joch des Nationalsozialismus im Jahr 1945. Der Aufstieg der Nazis wurde begünstigt durch Obrigkeitshörigkeit, Mitläufertum und Kritiklosigkeit. Rainer Kahni ist ein Zeitzeuge. Er mahnt an, dass die Deutschen für die Demokratie kämpfen müssen.
Als Kind habe ich den Einzug der Franzosen in meiner Heimat in Weingarten (Württemberg) erlebt. Mein Großvater hat sich bis zuletzt mit Waffengewalt gegen die fanatischen Werwölfe gewehrt, die die Stadt nicht kampflos preisgeben wollten.
Er wurde vom französischen Stadtkommandanten als erster Bürgermeister eingesetzt, weil er nie ein Nazi war. Er empfand den Einmarsch der Franzosen als Befreiung! Der Riss ging aber quer durch die Familie.
Mein Vater war Chef der Gegenspionage der Abwehr Wehrmacht im französischen Dijon. In seinem Verantwortungsbereich wurden 7000 Juden und Mitglieder der Résistance in die KZs Natzweiler-Struthof, Ravensbrück und Auschwitz deportiert.
Mein Opa handelte gegen seine Überzeugung, als er seinen Schwiegersohn bis 1948 vor den Greifkommandos der Franzosen versteckte. Mein Vater empfand diese Besatzung der Franzosen als Schmach und Niederlage. Er war begeistert von der Deutsch-Nationalen Idee.

Eine bis heute nicht verheilte Verwüstung in den Hirnen der Menschen haben das Kaiserreich, die erfolglose Weimarer Republik und das Naziregime bis heute hinterlassen.
Die Deutschen haben seit der misslungenen Revolution von 1848 nie für eine wahre Demokratie gekämpft. Sie waren obrigkeitshörige Untertanen im Kaiserreich, gleichgültige Demokraten in der Weimarer Republik, willfährige Mitläufer der Nazis, gleichgültige Dulder der Nazi-Wendehälse in der Bundesrepublik Deutschland und stehen auch heute wieder in ihrer großen Mehrzahl unkritisch dem verheerenden Verfall einer Diktatur der Parteien gegenüber.
Ein Regime wie das III. Reich ist mit diesem obrigkeitshörigen und duckmäuserischen Volk jederzeit wieder möglich.
Es werden zwar keine Juden mehr vergast, aber wir lassen in unserem Konsumwahn 800 Millionen Menschen in der Welt verhungern, wir lassen um der Erhaltung unseres mörderischen Exportwahns willen täglich Menschen im Mittelmeer ersaufen, wir unterstützen und führen Kriege in aller Welt, um unsere Ressourcen zu garantieren.
Wir laufen dem Schurkenstaat USA gläubig hinterher, der einen erneuten Holocaust auf deutschem Boden gegen Russland anzetteln will, wir dulden US-Drohnen-Morde und Geheimdienstaktionen von unserem Territorium aus.
Wir lassen es durch eine verheerende Sozialpolitik zu, dass 15 Millionen deutsche Bürger in Armut und Elend versinken und in den Pflegeanstalten jämmerlich und würdelos verenden.
Auf deutschem Boden ist kein Nazi-Regime mehr denkbar, aber es ist mit diesem deutschen Volk eine geistige Verelendung der Bürger möglich. Dagegen erhebt sich so wenig Widerstand wie im Nazi-Regime.
Die Deutschen müssen endlich erwachsen werden und sich ihre Demokratie erkämpfen, sonst wird sich der 30. Januar 1933[1] in anderer Form wiederholen. Nämlich als Diktatur der Parteien, der Lobbyisten und Medienzaren, die dieselben Verwüstungen, nur noch mit perfideren Mitteln, anrichten können, wie vor 1945.
Wehrt euch endlich, oder ihr seid nicht viel besser als die duckmäuserischen und obrigkeitshörigen Mitläufer des Kaiserreiches und der Nazis!
Redaktionelle Anmerkung
Adolf Hitler wurde am 30. Januar 1933 von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. ↩
Foto: Alfred Jodl (Der Generaloberst unterzeichnete am 7. Mai 1945 im französischen Reims die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht, die am 8. Mai um 23:01 Uhr in Kraft trat. (Gemeinfrei); Titelbild: Ruine des Reichstags in Berlin im Mai 1945 (Gemeinfrei).
Rainer Kahni wuchs am Bodensee auf und lebte viele Jahre in Paris. Er ist Autor von zahlreichen Romanen, Polit- und Justizthrillern. Seine Sachbücher, Romane und Kolumnen erreichen eine breite internationale Leserschaft. Er ist Mitglied von Reporters sans frontières, berichtete als Journalist aus Krisengebieten und veröffentlichte Reportagen und zeitgeschichtliche Dokumentationen. Rainer Kahni, auch bekannt als "Monsieur Rainer", lebt heute in Südfrankreich und publiziert immer wieder kritische Artikel zur Entwicklung der Demokratie und der Politik in Deutschland und Europa.
2 Antworten auf „Tag der Befreiung: Über die Mitläufer und Untertanen des Kaisers und der Nazis“
Hat dies auf MoshPit's Corner rebloggt.
Lieber Rainer Kahni,
Ich kann ja deinen Frust und deine Verachtung für deutschen Untertanengeist und blindes Mitläufertum verstehen – und trotzdem ist das nicht richtig, weder historisch, noch moralisch! Bitte überdenke noch mal dieses kollektive WIR, WIR Deutschen, DIE Deutschen, das du durchgängig bemühst.
Nein, dieses Land war immer gespalten in „WIR“ und „JENE“. Gehörten die 5 Abgeordneten, die als einzige im Reichstag 1913 gegen die Flottenkredite gestimmt haben, zu „Wir“ oder zu „jenen“? Oder die von rechter Soldateska ermordeten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht 1919: die waren „wir“, ihre Mörder „“jene“, oder waren alle etwa „wir Deutsche“?
Waren die Kieler Matrosen, die 1918 der Auslaufbefehl verweigerten und mit den Arbeitern das Rathaus stürmten und einen Arbeiter- und Soldatenrat gründeten, wir oder jene? Waren die vielen SPDler, KPD’ler Gewerkschaftler, Pfarrer wie Dietrich Bonhöfer in den KZs und Studenten wie die „Weiße Rose“ „wir“ oder „die“?
Waren die 1500 demokratischen und einer freien Wissenschaft verpflichteten Wissenschaftler, die von den Nazis in den 30ger Jahren entlassen und vertrieben wurden und die überall auf der Welt im Exil weiterarbeiteten, „wir“ oder „die“? Und es gab eine Marlene Dietrich und nicht nur Leni Riefenstahls!
Und nach dem Krieg, gab es da nur die Bundeswehr aufbauende Ex-Nazigeneräle und nicht auch eine breite Bewegung gegen die Widerbewaffnung?
Waren nicht zehntausende Studenten (ich übrigens auch) in den 60ern engagiert, die gegen den Vietnamkrieg, für den Prager Frühling, gegen die Altnaziprofessoren, später gegen die Pershing und Krieg im Weltraum auf der Straße waren. 1982 demonstrierten 400 000 in der größten jemals stattgefundenen Kundgebung auf den Bonner Rheinwiesen gegen den Kalten Krieg und SS-20-Rakeren. War das eine deutsche Untertanenmasse? Und waren nicht Hunderttausende im Kampf gegen die Atomkraftwerke, die Bauern, Jugendlichen und politischen Kämpfer nicht alles Deutsche? Bin ich nicht selber in Brockdorf in den Nebelschwaden der Rauchbomben beinahe verreckt – und bin ich kein Deutscher?
Ich war noch dabei, als in wilden Streiks die Blohm&Voss-Werft in Hamburg besetzt und sozusagen ein freies Territorium war, wo unter Führung der Streikleitung Leute wie Hannes Wader in der Kantine auftraten. Waren das alles die weicheiigen deutschen Mitläufer?
Und was machen „wir Deutschen“ der Neuen Debatte und der vielen Widerstand leistenden „Nester“? Laufen wir gerade untertänig mit?
OK, ich könnte diese Liste noch lange fortsetzen. Nimm einfach zur Kenntnis, dass es immer Widerstand, Kampf, Mut und Zivilcourage gegen diese Klassengesellschaft und die Ausbeutung der Leute auch in Deutschland gegeben hat und dass das nicht nur Einzelne waren, sondern sich immer wieder große Volksmassen nachhaltig gewehrt haben. Immer muss man unterscheiden zwischen „WIR in einem deutschen Staat“ ausgebeutete, verführte, aber genauso passiven und aktiven Widerstand leistende Bevölkerung und „JENE in dem deutschen Staat herrschende Kaiser, Reichspräsidenten, „Volksparteien“, Industriebosse und Banken- und Börsenhaie“.
Ich sehe auch die Schwierigkeiten, in der heutigen Situation im Land, in Europa und der Weltwirtschaft, eine klare und überzeugende Linie zu finden, für die es sich zu kämpfen lohnt. Es fehlt in diesem Land nicht an Mut und Widerstandsgeist, sondern an Klarheit und was wir den alten Patentrezepten von korrumpierten Parteien und Parlamenten entgegenzusetzen haben und wie wir uns weltweit zusammenschließen können.
Dein Artikel jedoch, lieber Rainer Kahni, macht mir Magenschmerzen. Ich, und nicht nur ich, habe mich ein Leben lang in Opposition befunden und nehme Dir – einem Deutschen – diesen Artikel gegen „DIE schlimmen Deutschen“ persönlich als Deutscher übel. Wer bist du denn, dass du von einem Olymp herab alle in dieser Weise „ankackst“: „Wehrt euch endlich, oder ihr seid nicht viel besser als die duckmäuserischen und obrigkeitshörigen Mitläufer des Kaiserreiches und der Nazis!“ Nee, so nicht!
Reinhard