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Leben von Mindestsicherung: Tag 9 – Nachhaltigkeit

“Ich werde deshalb ab sofort damit beginnen, jene Tipps zu sammeln, die es Menschen erleichtert, mit wenig finanziellen Mittel das tägliche Leben besser meistern zu können.”

Der Journalist Michael Wögerer schreibt in seinem Tagebuch über das Leben mit Mindestsicherung in Österreich und über den Versuch, eine Community aufzubauen, die sich gegenseitig mit Informationen und Tipps unterstützt, um trotz geringster finanzieller Mittel das tägliche Leben in Wien besser zu meistern.

“Was verändert dein Experiment? Hilft es irgendjemanden? Ist es nicht heuchlerisch einen Monat auf arm zu spielen und danach wieder seinen gewohnten Weg zu gehen?”

So oder so ähnliche waren die kritischen Fragen, als ich die Idee zu meinen 31 Tagen Mindestsicherung meinen Freundinnen und Freunden präsentierte. Und obwohl mir klar war, dass es mir in erster Linie darum geht, Öffentlichkeit für die Themen Armut & Reichtum in Österreich zu schaffen, nagen diese Fragen dennoch ein wenig an mir. Denn was bringt das Ganze wirklich nachhaltig?

Michael Wögerer Selbstversuch Tag 9
“Ich müsste dringend meine Haare schneiden, doch um 7,50 Euro/Tag wird das schwierig. Aber ihr habt bestimmt Ideen, wo es (nicht nur für mich) in Wien einen günstigen Frisör gibt.”

Als ich mich heute via Facebook auf die Suche nach einem günstigen/kostenlosen Frisör machte, gab es viele Rückmeldungen mit konkreten Ideen, doch eine Reaktion brachte mich wieder zum nachdenken.

Ulrike schrieb: “Ich finde deine Idee, darauf zu schauen, am sozialen Leben mit Mindestsicherung teilnehmen zu können, inkl. Haare schneiden total klasse! Du hast das Glück einer großen Community die dir Tipps gibt! Was macht aber jemand, der schon am Rande der soz. Gesellschaft lebt? Stellst du dann deine Infos z.b in der Gruft aus?”
Warum eigentlich nicht, dachte ich mir. Es gibt viele Wissen darüber, wie man zum Beispiel in Wien mit wenig Geld über die Runden kommt. Was spricht dagegen, diese Informationen zusammenzutragen und allen zur Verfügung zu stellen, die sie brauchen können.

Ich werde deshalb ab sofort damit beginnen, jene Tipps zu sammeln, die es Menschen erleichtert, mit wenig finanziellen Mittel das tägliche Leben besser meistern zu können. Angefangen von der Frage, wo man günstige Lebensmittel, Kleidung, Möbel u.s.w. beziehen kann, bis hin zu Dienstleistungen und Freizeitmöglichkeiten für wenig bis gar kein Geld. Was dabei herauskommt, steht noch offen.

Vielleicht sogar eine Broschüre, die wir irgendwann kostenlos verteilen können. Wie immer freue ich mich dabei auf eure Ideen und konkrete Mithilfe (Kontakt: michael.woegerer(a t)gmail.com).

Habe dazu auch die öffentliche Facebook-Gruppe Mit wenig Geld in Wien, die zum Austausch dienen soll. Macht mit, auch wenn ihr vielleicht gar nicht persönlich betroffen seid!

 Sunset Waimea Bay Oahu Hawaii (Anthony Quintano/flickr.com; Lizenz: CC BY 2.0)
Sunset Waimea Bay Oahu Hawaii (Foto: Anthony Quintano/flickr.com; CC BY 2.0)

Und bevor nun die kritische Frage auftaucht, ob so etwas denn die Wurzel von Armut bekämpft, sei gleich vorweg gesagt: Nein, das tut es nicht! Dazu bräuchte es in diesem Land eine politische Bewegung, die nicht nur von Reichtumsverteilung spricht, sondern diese auch konkret umsetzt. Aber bis es soweit ist, schadet es bestimmt nicht, jenen, die von der Politik längst nichts mehr erwarten, konkrete Hilfe anzubieten.

Heute hab ich übrigens 7,09 Euro ausgegeben, davon 5,50 für den leidigen Tabak und 1,59 für Lebensmittel. Zum Abendessen gab´s Toast-Hawaii mit Gurkensalat (Kosten: ca. 1,50 Euro).

Vom Urlaub auf “Big Island” (siehe Bild) können MindestsicherungsbezieherInnen allerdings nur träumen.

Noch 22 Tage um 184,62 Euro.

Die bisherigen Tagesnotizen:

31 Tage Mindestsicherung – Eine Annäherung (30.4.)

Tag 1 – Kein Spiel! (1.5.)

Tag 2 – Konsumgesellschaft (2.5.)

Tag 3 – Öffentlichkeit schaffen! (3.5.)

Tag 4 – Lebensrealitäten (4.5.)

Tag 5 – Freundschaft (5.5.)

Tag 6 – Netzwerke (6.5.)

Tag 7 – Kein Märchen (7.5.)

Tag 8 – Befreiung (8.5.)


Fragen, Anmerkungen, Lob und Tadel sowie Feedback zur Aktion, können als Kommentar unter dem Beitrag geschrieben oder an seine E-Mail michael.woegerer(at)gmail.com gesendet werden.


Foto: Sunset Waimea Bay Oahu Hawaii (Anthony Quintano/flickr.com; Lizenz: CC BY 2.0); Michael Wögerer; Titelbild: Markus Spiske; Pixabay; Creative Commons CC0.

Journalist bei Unsere Zeitung | Webseite

Michael Wögerer ist ein Journalist aus Wien. Er ist Mitbegründer und Redakteur von „Unsere Zeitung – Die Demokratische“, einem Kooperationspartner von Neue Debatte, war bei der Austria Presse Agentur und schreibt über Gewerkschaften, Soziales, Lateinamerika, Fußball und Liebe.

Von Michael Wögerer

Michael Wögerer ist ein Journalist aus Wien. Er ist Mitbegründer und Redakteur von „Unsere Zeitung – Die Demokratische“, einem Kooperationspartner von Neue Debatte, war bei der Austria Presse Agentur und schreibt über Gewerkschaften, Soziales, Lateinamerika, Fußball und Liebe.

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