Soziale Hängematte ist ein politischer Kampfbegriff, mit dem alle Menschen, die kurz- oder langfristig auf staatliche Hilfe angewiesen sind, pauschal als Faulpelze abgeurteilt werden. Michael Wögerer schreibt in seinem Tagebuch über asoziale Populisten und die Hängematte der Reichen.
“Nein zu einer sozialen Hängematte!”, posaunt es aus der rechten Hälfte des politischen Establishments. Dabei sind jene Menschen in Österreich gemeint, die mit etwas staatlicher Unterstützung mit dem Mindesten auskommen müssen.
Wenn es den asozialen Populisten gerade wieder einmal ins Konzept passt, schießt man sich auf die MindestsicherungsbezieherInnen ein. Es dürfe nicht sein, dass sich diese “ohne Gegenleistung” mit durchschnittlich 520 Euro pro Haushalt ein “gemütliches Leben” machen. Dem “Sozialbetrug” müsse der Riegel vorgeschoben werden. Dabei wird gerne folgendes Argument in Stellung gebracht:
“Wer arbeitet, muss am Ende des Monats deutlich mehr haben als der, der es nicht tut.”
Stimmt! Aber führt diese Feststellung zu einer Diskussion über höhere Löhne? Macht man sich Gedanken darüber, dass jene, die mit Wohnungsspekulationen oder von Geburt aus reich sind, einen gerechten Anteil zum Sozialstaat beitragen?
Der Skandal sind nicht die 837 Euro im Monat für alleinstehende Bezieher der Mindestsicherung (2016). Der Skandal ist, dass es Menschen gibt, die für ihre Arbeit nur einen so geringen Lohn bekommen, dass sie kaum über diese armutsgefährdende “Mindestsicherung” hinaus kommen. Und eine Sache wird bei dieser Debatte meistens überhaupt übersehen:
Die “soziale Hängematte” hängt ganz woanders!
Diejenigen, die im Reichtum schwimmen, wollen uns davon abhalten, von ihnen ein Stück des Kuchens zu fordern, den sie ohne Gegenleistung tagtäglich vermehren. Die, die (noch) Arbeit haben und damit halbwegs über die Runden kommen, sollen gegen jene, die keine Arbeit haben und von sozialer Hilfe angewiesen sind, ausgespielt werden.
Wir sollen nach unten treten, statt hinauf zu schauen. Währenddessen wird die echte “soziale Hängematte”, in der es sich einige wenige gemütlich gemacht haben, nicht beachtet. Sie leben von dem Geld aus Spekulationsgeschäften, kaufen Immobilien ohne sie selbst zu verwenden und steigern ihre Profite auf Kosten derer, die gezwungen sind horrende Preise für ein Dach über dem Kopf zu zahlen.
Sie schicken ihre Kinder auf Eliteuniversitäten und sorgen dafür, dass ihr Status, der schon längst nichts mehr mit Leistung zu tun hat, so bleibt wie er ist. Sie kaufen sich Medien, die uns Sand in die Augen streuen und finanzieren Parteien, die immer wieder lautstark “Nein zu einer sozialen Hängematte!” posaunen. Und damit sorgen sie dafür, dass sie es sich auch weiterhin in ihrer Hängematte gemütlich machen können.
Diese oberen 10.000 können sich nicht vorstellen, dass ich am heutigen Tag insgesamt nur 6,65 Euro ausgegeben und in den kommenden 18 Tagen insgesamt nur noch 148,06 Euro zur Verfügung habe.
Sie haben keine Ahnung, was es bedeutet, sich Sorgen zu machen, wie man sein morgiges Essen finanziert oder kein Geld hat, mit Freunden fortzugehen – ihnen würde so ein Experiment durchaus mal gut tun. Vielleicht sogar viel länger als nur einen Monat.
Fragen, Anmerkungen, Lob und Tadel sowie Feedback zur Aktion, können als Kommentar unter dem Beitrag geschrieben oder an seine E-Mail michael.woegerer(at)gmail.com gesendet werden.
Die bisherigen Tagesnotizen:
31 Tage Mindestsicherung – Eine Annäherung (30.4.)
Tag 1 – Kein Spiel! (1.5.)
Tag 2 – Konsumgesellschaft (2.5.)
Tag 3 – Öffentlichkeit schaffen! (3.5.)
Tag 4 – Lebensrealitäten (4.5.)
Tag 5 – Freundschaft (5.5.)
Tag 6 – Netzwerke (6.5.)
Tag 7 – Kein Märchen (7.5.)
Tag 8 – Befreiung (8.5.)
Tag 9 – Nachhaltigkeit (9.5.)
Tag 10 – Durchatmen (10.5.)
Tag 11 – Lebenserwartung (11.5.)
Tag 12 – Exklusiv (12.5.)
Foto: Hängematte – Pixabay.com – Creative Commons CC0.
Michael Wögerer ist ein Journalist aus Wien. Er ist Mitbegründer und Redakteur von „Unsere Zeitung – Die Demokratische“, einem Kooperationspartner von Neue Debatte, war bei der Austria Presse Agentur und schreibt über Gewerkschaften, Soziales, Lateinamerika, Fußball und Liebe.