Wer wenig Geld hat, muss einen Großteil seines Einkommens für Lebensmittel ausgeben. Gleichzeitig leben wir in einer Welt, wo global betrachtet, Nahrungsmittel im Überfluss vorhanden sind. Ein Drittel unseres Essens landet im Müll. In Österreich sind das 143 vollbeladene Sattelschlepper täglich.
Doch gegen diese “strukturelle Verschwendung”, wie Flo sie nennt, wächst kreativer Widerstand. Gemeinsam mit rund 10 AktivistInnen hat er das Projekt Comida Popular gestartet.

Jeden dritten Freitag im Monat veranstalten sie im KuKu – HIER SIND SIE RICHTIG! in der Linken Wienzeile eine “Volxküche” und stellen Lebensmittel zur Verfügung, die sonst im Abfall gelandet wären.
Brot, Semmeln, Salat, Tomaten, Äpfel, Eier, Milch und vieles mehr gibt es auch an diesem Freitag zur freien Entnahme. Hinzu kommt ein Buffet mit zubereiteten Speisen (Gulaschsuppe, Vegetarische Krautfleckerl, Curry, Reis mit Linsen,…). Man kann vor Ort so viel Essen wie man will, auch Take-Away mit eigenem Geschirr ist erwünscht.
Das Publikum ist gemischt. Jung und alt genießen die entspannte Atmosphäre. Wer möchte kann sich Getränke kaufen – dazu gedrängt wird niemand. Vom Team der Comida Popular werden Spezial-Drinks angeboten, der Großteil des Erlöses geht an soziale Organisationen. Im März wurde zum Beispiel das Projekt Sea-Watch mit rund 200 Euro unterstützt. Ein kleiner Teil wird für Zutaten verwendet, die für das Buffet und die Soligetränke hinzugekauft werden müssen.
Obstsalat, vegetarische Krautfleckerl, Curry und vieles mehr bei der “Comida Popular” – jeden 3. Freitag im Monat im “Kuku” (Foto: Verena Tscherner)
“Unser Ziel war es einen Begegnungsraum zu schaffen”, erzählt Flo von den Anfängen im Dezember 2016. Das KuKu habe sich als fortschrittliches, linkes Beisl dafür angeboten.
Die Leute, die bei Comida Popular mitmachen, kommen teilweise aus der Foodsharing-Szene, doch die Motivationen dahinter sind unterschiedlich. Es ist ein offenes Projekt, einmal im Monat trifft man sich zur Vorbereitung. Helfende Hände sind willkommen.
“Für das Essen zahlen alle nix, egal ob man es sich leisten könnte oder nicht”, erklärt mir Andrea, die von Beginn an dabei ist. Das wirkt “destigmatisierend”. Das monatliche Angebot in der Linken Wienzeile 94 hatte sich rasch herumgesprochen. Bereits ab dem zweiten Mal kamen im Lauf des Abends rund 200 Menschen, holten sich Lebensmittel ab oder blieben ein Weilchen sitzen.

Auch ich habe mir gestern im KuKu den Bauch vollgeschlagen. Da ich Freitags immer zu Hause für Unsere Zeitung und andere Projekte arbeite, trinke ich viel Tee und vergesse oft darauf zu Essen.
Mit leerem Magen und bisher null Ausgaben an diesem Tag fahre ich zur Pilgramgasse. Ich hab mir ganz bewusst nur 10 Euro, Wuzeltabak und meine Öffi-Jahreskarte eingesteckt, damit ich heute nicht zu viel ausgeben kann.
Ich treffe Verena Tscherner, die heute Fotos macht. Abgesehen davon, dass sie dafür keine Gage verlangt, lädt sie mich auch noch auf zwei Bier ein. Auch Kiri hinter der KuKu-Bar lässt es sich nicht nehmen mich auf eins einzuladen. Ich bestehe darauf, dass ich zumindest ein Soli-Getränk (3 Euro) selbst bezahle.
Nach der Einladung zum Mittagessen durch Lisas Papa am Mittwoch, waren es in dieser Woche auch genug Getränke, auf die mich solidarische Menschen, eingeladen haben. Dass das MindestsicherungsbezieherInnen nicht so häufig passiert, ist mir klar, mehr zu dem Thema übrigens auch im aktuellen Interview mit Semiosis: “Was ist das für ein Leben, das man nur zu Hause auf der Couch verbringen kann?”
Es ist Zeit Heim zu fahren. Fürs Party machen reichen die restlichen 7 Euro, die ich noch eingesteckt habe, sowieso nicht aus und immer nur schnorren ist auf Dauer auch unangenehm.
Beim Heimweg schau ich noch bei “Bobby’s Getränke” bei der U4-Station Margaretengürtel vorbei und leiste mir einen kalten Hopfenblütentee aus dem steirischen Göss zum Einschlafen (1,50 Euro).
Insgesamt hab ich also heute dank Comida Popular und besonders lieber Menschen nur 4,50 Euro ausgeben. Für die restlichen 12 Tage bleiben mir noch 92,91 Euro.
Fragen, Anmerkungen, Lob und Tadel sowie Feedback zur Aktion, können als Kommentar unter dem Beitrag geschrieben oder an seine E-Mail michael.woegerer(at)gmail.com gesendet werden.
Die bisherigen Tagesnotizen:
31 Tage Mindestsicherung – Eine Annäherung (30.4.)
Tag 1 – Kein Spiel! (1.5.)
Tag 2 – Konsumgesellschaft (2.5.)
Tag 3 – Öffentlichkeit schaffen! (3.5.)
Tag 4 – Lebensrealitäten (4.5.)
Tag 5 – Freundschaft (5.5.)
Tag 6 – Netzwerke (6.5.)
Tag 7 – Kein Märchen (7.5.)
Tag 8 – Befreiung (8.5.)
Tag 9 – Nachhaltigkeit (9.5.)
Tag 10 – Durchatmen (10.5.)
Tag 11 – Lebenserwartung (11.5.)
Tag 12 – Exklusiv (12.5.)
Tag 13 – Soziale Hängematte (13.5.)
Tag 14 – Sigi, du fehlst! (14.5.)
Tag 15 – Halbzeit (15.5.)
Tag 16 – Beim Frisör (16.5.)
Tag 17 – Für Lisa (17.5.)
Tag 18 – Hunger auf Kultur (18.5.)
Fotos: Verena Tscherner (Visual Art & Photography – www.verenatscherner.com) und PixelDino (Titelbild); Pixabay.com; Creative Commons CC0.
Michael Wögerer ist ein Journalist aus Wien. Er ist Mitbegründer und Redakteur von „Unsere Zeitung – Die Demokratische“, einem Kooperationspartner von Neue Debatte, war bei der Austria Presse Agentur und schreibt über Gewerkschaften, Soziales, Lateinamerika, Fußball und Liebe.