Wien, 21. Mai, 21.30 Uhr, U-Bahn-Station Dresdnerstraße – Am Heimweg. Stefan und ich haben uns heute das Fußballspiel SK Rapid Wien gegen Sturm Graz angeschaut. Nicht im Stadion, sondern im Fernsehen … wenigstens die Sonntagsspiele werden noch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk live übertragen.
Da ich morgen Frühdienst hab, war es nach dem verdienten 1:0 für unsere Mannschaft Zeit heimzufahren. Die Geldtasche liegt zu Hause. Eine Vorsichtsmaßnahme – heute wollte ich mal versuchen keinen Cent auszugeben, denn es liegen noch 10 Tage vor mir.
Zum Glück sind es nur wenige Stationen zur Währinger Straße, denn die Blase drückt. Ich erinnere mich daran, dass die Wiener Linien kürzlich angekündigt hatten, dass die Benutzung der öffentlichen WC-Anlagen in Zukunft nur noch kostenpflichtig möglich sein wird.
Für “hochwertige, saubere und barrierefreie WCs” werden künftig 50 Cent eingehoben, verlautbarten die städtischen Verkehrsbetriebe am Freitag. Im Notfall müsste ich heute also irgendwo eine “Nische” finden, um meinem natürlichen Drang freien Lauf zu lassen – für Männer eigentlich nichts Ungewöhnliches, Frauen sind in dieser Frage immer schon benachteiligt.
Erschreckend finde ich die Kommentare mancher LeserInnen von Unsere Zeitung, als wir die Nachricht über die WC-Gebühren der Wiener Linien gestern auf unserer Facebook-Seite geteilt haben.

“Wenn die WC dann sauber werden, zahle ich gerne”, schreibt Hans. Marty posted zur Untermauerung dieses Arguments einige Bilder von “verwüsteten” Toilettanlagen (siehe Foto rechts).
Abgesehen davon, dass mich ein “Teppich” aus Boulevardblättern wie Österreich oder heute erst so richtig animieren würde, meine Notdurft zu verrichten, verstehe ich durchaus das Argument, dass öffentliche Bedürfnisanstalten auch halbwegs sauber sein sollten.
Doch nichts, rein gar nichts, zwingt die Stadt Wien dazu, dass diese deshalb nicht mehr kostenlos sein sollen. Es wäre ein Leichtes die aktuell bestehenden 70 WC-Anlagen zu modernisieren, fair bezahltes Personal anzustellen, das dafür sorgt, sie in einem vernünftigen Zustand zu erhalten, und allen Menschen, die aufs Klo müssen, dieses Grundbedürfnis kostenlos zu ermöglichen. Wenn man will, dann ist das alles kein Problem!
Doch der Betrieb der Anlagen soll künftig ausgelagert werden. Eine “internationale Ausschreibung” läuft. Irgendeine obskure Firma soll davon profitieren, dass jene, die es sich leisten können/wollen, ihr “Geschäft” verrichten. Alle anderen lassen der Natur einfach anderswo ihren Lauf.
Na Bravo, mit dem Lulu, dem das eingefallen ist, mach ich Samstagabend mal eine Underground-Tour durch Wien …
Tatsächlich hab ich es heute geschafft null Euro auszugeben. Eine Nudelsuppe zu Mittag und Toast & Salat zum Abendessen haben den Magen gefüllt. Für die restlichen 10 Tage bleiben mir 83,24 Euro.
Fragen, Anmerkungen, Lob und Tadel sowie Feedback zur Aktion, können als Kommentar unter dem Beitrag geschrieben oder an seine E-Mail michael.woegerer(at)gmail.com gesendet werden.
Die bisherigen Tagesnotizen:
31 Tage Mindestsicherung – Eine Annäherung (30.4.)
Tag 1 – Kein Spiel! (1.5.)
Tag 2 – Konsumgesellschaft (2.5.)
Tag 3 – Öffentlichkeit schaffen! (3.5.)
Tag 4 – Lebensrealitäten (4.5.)
Tag 5 – Freundschaft (5.5.)
Tag 6 – Netzwerke (6.5.)
Tag 7 – Kein Märchen (7.5.)
Tag 8 – Befreiung (8.5.)
Tag 9 – Nachhaltigkeit (9.5.)
Tag 10 – Durchatmen (10.5.)
Tag 11 – Lebenserwartung (11.5.)
Tag 12 – Exklusiv (12.5.)
Tag 13 – Soziale Hängematte (13.5.)
Tag 14 – Sigi, du fehlst! (14.5.)
Tag 15 – Halbzeit (15.5.)
Tag 16 – Beim Frisör (16.5.)
Tag 17 – Für Lisa (17.5.)
Tag 18 – Hunger auf Kultur (18.5.)
Tag 19 – Gratis-Essen für alle (19.5.)
Tag 20 – Wenn ich Sozialminister wäre (20.5.)
Foto: Marty (Unsere Zeitung Freundeskreis) und TheoHengelmolen (Titelbild); pixabay.com; Creative Commons CC0.
Michael Wögerer ist ein Journalist aus Wien. Er ist Mitbegründer und Redakteur von „Unsere Zeitung – Die Demokratische“, einem Kooperationspartner von Neue Debatte, war bei der Austria Presse Agentur und schreibt über Gewerkschaften, Soziales, Lateinamerika, Fußball und Liebe.