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Zeit für ein europäisches Europa: Erste Einsichten bei Merkel?

Nach dem Spitzentreffen der westlichen Industrieländer in Taormina, von Beobachtern als Tiefpunkt in der G7-Geschichte ausgemacht, meinte Bundeskanzlerin Angela Merkel, Europa müsse sein Schicksal in die eigene Hand nehmen. Kann man diese Aussage ernst nehmen? Community-Autor Gregor Flock meint: Wohl eher nicht.

Unter der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama konnte man von der deutschen CDU-Politikerin und amtierenden Bundeskanzlerin Angela Merkel mitunter den Eindruck gewinnen, dass ihr Motto für transatlantische Beziehungen „Obama/USA befiel, ich folge dir!“ sein könnte.

Neben dem im Artikel “Ein europäisches Europa: Wann, wenn nicht jetzt?” bereits erwähnten und vielleicht vor allem geopolitischen Schuss ins eigene Knie im Zuge der Ukrainekrise könnte man auch Merkels maue Reaktionen auf den NSA-Abhörskandal 2013 anführen – ein Verhalten, das voraussichtlich historischen Umständen geschuldet sein dürfte, deren Kenntnis man der Bevölkerung im Allgemeinen wohl lieber nicht zumutet:

“Dass die NSA und andere westliche Geheimdienste in großem Umfang internationale Kommunikation abhören sowie Unternehmen und staatliche Stellen ausspionieren, machte im Juni 2013 Whistleblower Edward Snowden publik. Als der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) von den Aktivitäten erfuhr, reagierte er forsch: Wenn ein ausländischer Dienst den Internetknoten in Frankfurt anzapft, sei das eine Verletzung unserer Souveränitätsrechte. Doch bei aller Empörung, Friedrich lag falsch. Für die NSA war und ist die BRD ganz legal Horchposten – ob als Frontstaat in den Jahrzehnten des Kalten Kriegs oder als künftiger Hegemon im EU-Zentrum. Konrad Adenauer, der gut bekannt mit Allen Dulles, dem damaligen Direktor der Central Intelligence Agency (CIA) war, sicherte den Westalliierten in den 50er Jahren das Recht zu, den Post- und Fernmeldeverkehr zu überwachen sowie Geheimdienste mit Unterstützung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) außerhalb des deutschen Rechts zu stellen, wenn es Interessen erfordere, wie Historiker Prof. Josef Foschepoth nachweisen konnte. In diese Zeit fällt übrigens auch die Gründung des Bundesnachrichtendienstes (BND) als Nachfolger der Organisation Gehlen. Reinhard Gehlen war Hitlers Chef für Auslandsaufklärung.”

Vervollständigt wird das Bild des deutsch-merkelschen und dadurch auch europäischen Vassallentums an den ‘Lehensherrenʼ USA dann zum Beispiel dadurch,

(1) dass unter der Amtszeit Merkel die USA Drohnenkriege bzw. Drohnenmorde von der Ramstein Air Base bei der deutschen Stadt Ramstein-Miesenbach aus betreiben und dadurch Deutschland selbst zum Ziel terroristischer Gegenschläge machen,

(2) dass in der Büchel Air Base im Zuge der NATO nuklearen Teilhabe nach wie vor (vermutlich) auf Russland gerichtete U.S.-Atomwaffen gelagert sind und Deutschland dadurch im Falle des Falles zum Ziel nuklearer Gegenschläge wird,

(3) dass tonangebende transatlantische Think Tanks wie die Atlantik-Brücke medial bestens vernetzt sind und Merkel notfalls ‘weggeschriebenʼ werde könnte und,

(4) dass sogar Merkels Ehemann Joachim Sauer im Vorstand der Friede Springer Stiftung (verfolgt ‘philanthropische Zieleʼ) sitzt, die wiederum in ihren Grundsätzen “Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika” stehen hat.

Angela_Merkel_Juli_2010 - 3zu4 Von Armin Linnartz, CC BY-SA 3.0 de
Die Raute als Markenzeichen: Bundeskanzlerin Angela Merkel (Foto: Armin Linnartz, CC BY-SA 3.0.de)

Dass die liebe Angie, die nebst vielen anderen selbst Mitglied der Atlantik-Brücke ist, somit wohl gröbere Probleme haben dürfte, deutsche bzw. europäische von US-Interessen auseinanderzuhalten da sie geradezu mit diesen verheiratet ist, dürfte damit auf der Hand liegen.

Interessanterweise ist es nun diese ‘Transatlantik-Angieʼ, die von sich gibt: “Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.

Zur sich aufdrängenden Frage, ob man diese Ansage ernst nehmen kann, lautet meine derzeitige Antwort: “Wohl eher nicht.”

Merkel gehört zu bzw. ist das Werkzeug von transatlantisch-internationalistischen Machteliten die sich im Infight mit nationalistisch ausgerichteten und nicht ganz so dazugehörenden Machteliten wie Donald Trump und seinem Gefolge bzw. seinen Lenkern befindet.

Merkels obige Aussage ist somit nicht als Absage an die USA, sondern bloß als Absage an Trump zu verstehen und Teil eines großen Politiktheaters, in welchem – ähnlich dem Demokraten- versus Republikanertheater in den USA und gerade in Zeiten des Wahlkampfs – beide die jeweils andere Seite benutzen, um sich selbst als die Guten darzustellen, obwohl genau dies letzten Endes (abgesehen von wenigen Ausnahmen und trotz kleinerer Unterschiede) weder die eine noch auf die andere Seite für sich beanspruchen kann.

Das politische Establishment gehört vielmehr entsorgt, und das trifft sowohl auf die Clintons als auch auf die Trumps zu, genauso wie es sowohl auf die Merkels als auch auf die Schulzes zutrifft.

Dann kann man über ein Bottom-up europäisches Europa der 99% und nicht der 1% weiterreden. Oder wie es unerwartet treffend im Abschlussparagraphen des vorherigen Artikels hieß:

“Viele Kommentare in sozialen Netzwerken verwiesen aber auch darauf, dass die Kanzlerin in einem Bierzelt gesprochen habe: Wer aus dieser Rede nun eine Neudefinition des transatlantischen Verhältnisses machen wolle, blase eine Wahlkampfrede unverhältnismäßig auf.”

Dem ist, auch in Anbetracht der vorherigen Punkte, nicht mehr allzu viel hinzuzufügen.


Fotos: Merkel Raute von Armin Linnartz – cropped version of File: AM Juli 2010 – 3zu4.jpg; Lizenz: CC BY-SA 3.0 sowie Aufnahme Angela Merkel CC BY-SA 3.0 de.

Philosoph, Journalist und Gründer des Global Civil Society Network bei The Global Civil Society Network | Webseite

Gregor Flock ist unabhängiger Philosoph, Journalist sowie Gründer und Chefredakteur des Global Civil Society Network. Er lebt in Österreich.

Von Gregor Flock

Gregor Flock ist unabhängiger Philosoph, Journalist sowie Gründer und Chefredakteur des Global Civil Society Network. Er lebt in Österreich.

4 Antworten auf „Zeit für ein europäisches Europa: Erste Einsichten bei Merkel?“

Wir kennen doch alle diesen Wendehals & Volksverräter.
Zitat:
“Man kann sich nicht darauf verlassen, daß das, was vor den Wahlen gesagt wird, auch wirklich nach den Wahlen gilt.”

Grüße

Nunja; ich gebe Dir in diesem Punkt natürlich recht (das mit dem “einfach”) – nur:
was diese Frau an Antideutschtum an den Tag legt, läßt mich in diese einfache Art antworten; bzw., hier kommentieren.
Hinzu kommt, daß ich ebenfalls SEHR einfacher Natur bin – das ist natürlich KEIN Argument – ich wollte lediglich meine Art des Kommentierens erklären.

Grüße

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