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Eine Ode an das Wort

Man muss seine Gedanken aussprechen. Es zählt das Gesagte, das Geschriebene.

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Man muss seine Gedanken aussprechen. Es zählt das Gesagte, das Geschriebene.


„Lass es mich doch formulieren. Es aussprechen. Es greifbar machen. Es auf eine Ebene höher bringen als die des Gedankens.“


 

Das Gesagte verweilt nicht. Es ist flüchtig. Es zieht von dannen, ist weg; verschwunden. Stand kurz, ganz kurz, still und flog dann davon, löste sich auf, wurde unsichtbar. Wie die Gedanken; im Nirwana des Nichts verschwunden.

 

Und doch nicht ganz. Doch haben sie Spuren hinterlassen. Denn, das Gesagte wird meist auch gehört; und so weitergetragen. Das Gehörte kann wieder gesagt werden und verschwinden, aber eben nicht ganz. Es wird wieder gehört, gesagt, gehört, gesagt; getragen über den Fluss der Zeit. Doch es muss jemanden geben, der es sagt, damit es gehört werden kann. Doch wenn keiner mehr lebt, der das Gesagte hörte, dem aber keiner zugewandt lauschte, dann gibt es das Gesagte nicht mehr.

 

Da hilft ‘s nur ein Treppchen weiter hinaufzusteigen. Ein weiteres, zum Geschriebenen. Es kann so entweder vom Gedachten zum Gesagten zum Gehörten zum Geschriebenen oder gleich vom Gedachten zum Geschriebenen geformt werden. Und dann bleibt es.

 

Es hat viele Wege genommen und verweilt weit länger als das gedacht Gesagte. Es ist auf diese Weise niedergelegt, fest; gelegt auf Papier, Holz, Stein, Stahl, Haut oder Lehm. Auf der Welt. Es bedarf nun keinem mehr, zwingend, der es sagt und einem der es hört. Es ist möglich, dass einer, der es hörte oder dachte und niederschrieb, stirbt. Und es doch noch existiert. Trotz, dass man nicht gewillt gelauscht hat. Man kann die zweite Hand ergreifen und es weiter bilden, tragen und formen.

 


„Es ist nicht gänzlich verloren; nur vielleicht verborgen.“


 

 


Foto: efes – pixabay.com – Creative Commons CC0.

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Von Neue Debatte | Journalismus und Wissenschaft von unten

Alex Ross emi­g­rie­rte aus den schwäbisch-bayrischen Bergen in die Lüneburger Heide. Nach dem Abitur zog sie nach Hamburg, um ein Handwerk zu erlernen. Alex gibt sich als Autorin dem Schreiben hin und als Künstlerin der kreativen Malerei. Ihre Essays unterzieht sie dem Urteil der eifrigen Leserkultur. Sie schreibt über die kleinen Schönheiten und die großen Gemeinheiten des Alltags. Alex lebt im Norden Deutschlands.

2 Antworten auf „Eine Ode an das Wort“

Hallo, Alex,

schön, dass Du auch gerne schreibst. Ich habe meine Antwort gefunden, geschrieben 2007:

Die Dignität des Schreibens
Unter der Dignität (Heiligkeit) des Schreibens verstehe ich so Einiges. Begonnen hat das alles, als ich einst als Teenie ein Kochrezept aus einem Kinderbuch auf der Schreibmaschine meiner Eltern abschrieb. So eine Schreibmaschine war damals das non-plus-ultra der Technik, an Computer und Drucker war noch lange nicht zu denken. Mann, hab’ ich mich gut gefühlt, einmal so etwas Feines geschafft zu haben: Die frühe Form eines Exzerptes, schriftlich und gedruckt! Heute, in einem Zeitalter teilweise inflationären Schreibens, schätze ich andere Seiten dieser schönen Tätigkeit: Die Abnahme der offiziellen Dignität wird heute abgelöst und kompensiert durch die Freiheitswirkung des Schreibens. Was man in vis-á-vis-Gesprächen nicht sagen kann oder will, kann man zu Hause, in Ruhe am PC dennoch ausdrücken und sozusagen zu Papier bringen. Dadurch kann man immerhin den nicht nur psychosozialen Repressionen, sondern jeglicher Art ein Schnäppchen schlagen und sie umgehen. Gerade dies erhebt das Schreiben für mich zu seiner Dignität, welche ich immer wieder und gern goutiere: Die Heiligkeit des freien Denkens.
(2007)

Grüße,

Christian

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