Andreas Smurawski geht in seinem Gastbeitrag empirisch der Frage nach, was Geld eigentlich ist. Durch seine Beobachtungen findet er nicht nur eine überraschende Antwort, sondern liefert eine Definition von Geld, mit der wohl kaum jemand rechnet.
Auf den ersten Blick scheint die Frage danach, was genau Geld eigentlich ist, banal. Was soll Geld schon sein? Na, der Euro ist Geld!
Ok, nun gibt’s ja aber auch den Dollar oder den Yen, oder auch das britische Pfund. Die Antwort auf die Frage, was Geld genau ist, kann also offensichtlich nicht mit den Namen verschiedener Währungen beantwortet werden. Versuchen wir es deshalb mit der Gelddefinition von Wikipedia:
Geld ist jedes allgemein anerkannte Tausch- und Zahlungsmittel.[1]
Hier kommt die Erklärung, was Geld ist, schon ganz ohne Währungsbezeichnungen aus. Aber verstehen Sie nun genau, was das eigentlich sein soll? Geld? Wenn es Ihnen schwerfällt, aus dieser Gelddefinition heraus zu verstehen, was Geld ist, dann liegt das am normativen Charakter der Definition. Normativ heißt, dass einfach festgelegt wird, was Geld denn sei. Die Wikipedia-Definition legt fest, dass Geld jedes allgemein anerkannte Tausch- und Zahlungsmittel ist. Und erklärt es dadurch eben nicht!
Erscheinungsformen von Geld
In den kommenden Zeilen möchte ich erklären, wo Geld seinen Ursprung hat und damit bestimmen, was es ist, das Geld. Und zwar so, dass es der Leser nachvollziehen kann. So, dass der Leser es Anderen erklären kann, ohne dabei ins Stolpern zu geraten. Denn die heute bekannten Definitionen von Geld haben zwar einige interessante Erklärungsbestandteile, und trotzdem kann kaum jemand in kurzen Worten darlegen, was er unter Geld versteht.
Irgendwie hängt Geld mit Geldscheinen zusammen. Aber auch mit Münzen. In den letzten Jahrzehnten hat sich zusätzlich das Giralgeld entwickelt, also die Zahlen auf unseren elektronischen Konten. Geld gibt es in mannigfachen Erscheinungsformen. Muscheln[2] wurden schon als Geld verwendet. Gold wird hin und wieder als Geld bezeichnet. Ägypten verwendete schon vor Jahrtausenden Getreide[3] als Geld.
Vergegenwärtigt man sich all diese Formen von Geld, muss man als empirisch arbeitender Wissenschaftler irgendwann feststellen: Es gab und gibt unzählige Erscheinungsformen von Geld. Nur leider können diesen Umstand gängige Definitionen von Geld nicht erklären.
Wieso kann Geld überhaupt (scheinbar) jede erdenkliche Form annehmen? Ist Geld vielleicht gar nicht an eine bestimmte Erscheinungsform gebunden?
Um diese Fragen zu beantworten, gehe ich im vorliegenden Text über das vorherrschende normative Verständnis von Geld hinaus und nähere mich der Beantwortung auf empirischem Weg. Am Ende dieses Textes, liebe Leserin, lieber Leser, werden Sie dann nicht mehr glauben müssen, was Geld im Kern ist, sondern Sie können es selbstständig überprüfen und damit erklären.
Geld fällt nicht vom Himmel
Das bisherige Verständnis davon, was Geld sein soll, entspringt theoretischen Überlegungen, die nicht auf deren Wahrheitsgehalt hin untersucht werden können, ganz einfach weil sie normativ formuliert sind. Die Methoden der Naturwissenschaften zur Untersuchung von Phänomenen können demzufolge nicht angewendet werden. Geld aber entspringt menschlichem Wirtschaften und fällt nicht einfach so vom Himmel.
Es braucht deshalb dringend eine Gelddefinition, die überprüfbar ist, damit endlich wissenschaftlich untersucht werden kann, was Geld ist und welche Funktion(en) es demnach ausüben muss. Nur wenn verstanden wird, wo exakt die Geldentstehung während menschlichen Wirtschaftens abläuft, kann auch ein Geld entwickelt werden, was krisenfrei und vor allem herrschaftsfrei funktioniert.
Die Macht des Geldes entspringt noch immer aus dem Umstand, dass letztlich nicht klar ist, was Geld genau ist. Nur weil nicht verstanden wird, welchen Ursprung es hat, können einige Wenige auf der Basis eines falschen Verständnisses Geld als Machtmittel zur Durchsetzung individueller Interessen gebrauchen und somit große Bevölkerungsteile missbrauchen.
Die Möglichkeiten moderner Wissenschaft und ihrer Methoden zur Untersuchung beobachtbarer Phänomene sind heute so weit entwickelt, dass es beschämend ist, dass sie bisher nicht zur Erklärung des Phänomens Geld angewendet werden können. Der Grund hierfür ist einzig und allein eine fehlende Operationalisierung des Geldes. Es ist bisher nicht gelungen, Geld so zu erklären, dass man es untersuchen kann. Genau diese Lücke schließt die hier vorgestellte Definition von Geld.
Geld ist an keine physische Erscheinungsform gebunden
David Gräber führt dem Leser in seinem Buch Schulden – Die ersten 5000 Jahre[4] eindrucksvoll vor Augen, dass nahezu jede physische Erscheinung schon als Geld verwendet wurde. Vieles von dem, was Menschen anfassen können, wurde in der Vergangenheit und wird auch heute noch als Geld verwendet. Genau hier möchte ich den Leser auffordern, einmal kurz innezuhalten:
Schauen wir uns die Geldgeschichte an, können wir feststellen, dass Geld offensichtlich viele verschiedene Formen annehmen kann. Sei es Gold, seien es Muscheln oder seien es Münzen. Anders ausgedrückt scheint es fast völlig egal zu sein, welche äußere Erscheinungsform Geld hat. Offensichtlich scheint Geld nicht an eine bestimmte physische Erscheinungsform gebunden zu sein. Die Erkenntnis, dass Geld unabhängig von seiner physischen Erscheinungsform existieren kann, führt dazu, dass Geld anders erklärt werden muss, als zu sagen: Geld ist jedes allgemein anerkannte Tausch- und Zahlungsmittel, wie Wikipedia dies tut. Denn dies erklärt alles zu Geld und damit gar nichts.
Wenn nun der Gedanke, dass Geld eigentlich jede physische Erscheinungsform annehmen kann, weitergedacht wird, wohin führt uns das dann? Das führt uns zu der Feststellung, dass Geld lediglich Information sein kann.
Information? Ja, eine Information kann ohne physischen Charakter bestehen. Eine Information kann zum Transport jede physische Erscheinungsform annehmen. Möchte ich eine Information von A nach B übermitteln, kann ich sie auf einen Zettel schreiben. Dann ist der Zettel die physische, die anfassbare Form der Information. Eine Information kann aber auch mit einer Muschel übermittelt werden, oder mit Gold. Ganz so wie das Geld jedwede Form greifbarer Materie annehmen kann, kann auch eine Information zu deren Transport jede nur denkbare Gestalt annehmen.
Geld ist Information!
Geld war schon immer Information, Geld war im Kern noch nie etwas anderes als Information. Dies folgt aus der Beobachtung, dass Geld während seiner Jahrtausende langen Existenz unzählige physische Erscheinungsformen annehmen konnte. Was wäre, wenn es tatsächlich völlig egal ist, was wir als Geld verwenden? Ob nun Steine[5], Tulpenzwiebeln[6] oder Diamanten[7]? Die Geldgeschichte zeigt uns genau das, nämlich, dass es völlig Wurst ist, was wir als Geld verwenden, solange, ja solange dieses Etwas die Geldfunktionen ausübt.
Empirisch überprüfbar lässt sich also festhalten, dass Geld nahezu jede Form annehmen kann. Diesen Umstand kann man nur erklären, wenn man Geld als Information versteht. Denn nur eine Information kann sich zur Übermittlung in alles verwandeln, was man sich ausdenken kann.
Bleibt zu erklären, über WAS Geld informiert? Also WELCHE Information transportiert Geld, welche Funktion übernimmt es also? Auch hierzu gehen wir wieder wie ein empirisch arbeitender Wissenschaftler vor und beobachten.
Ganz ohne Geld!
Geld wird bei uns Menschen dazu verwendet, Arbeitsergebnisse auszutauschen. Wenn eine Friseurin einem Umzugshelfer die Haare schneidet, dann hat sie sich das Recht erworben, von eben diesem Umzugshelfer etwas zurückzubekommen. Sollte die Friseurin zufälligerweise einen Umzug geplant haben, dann könnte der Umzugshelfer zu ihrer Bezahlung vorschlagen, dass er als Gegenleistung seine Umzugshilfe zur Verfügung stellt. Als Bezahlung des Haareschneidens schlägt er also vor, ihr ein paar Möbel von alter zu neuer Wohnung zu tragen. Erstaunlicherweise ist bei diesem Beispiel offensichtlich kein Geld notwendig, um die jeweils individuellen Arbeitsergebnisse auszutauschen. Wie das?
Wieso ist in diesem Beispiel, wir abstrahieren ein wenig, von zwei Personen, die Arbeitsergebnisse austauschen, KEIN Geld notwendig? Die Erklärung hierfür ist, weil beide Protagonisten maximale Transparenz über ihre jeweiligen Arbeitsergebnisse haben. Der Umzugshelfer weiß ganz genau, welche Arbeit die Friseurin geleistet hat und kann deshalb relativ gut einschätzen, was er selbst leisten muss, um sie zu bezahlen. Ganz ohne Geld!
Wenn wir die Friseurin und den Umzugshelfer nun als Gruppe bezeichnen, die kleinstmögliche Gruppe sind zwei Individuen, dann können wir beobachten, dass in kleinen Gruppen offensichtlich nicht zwingend das Vorhandensein von Geld notwendig ist, um trotzdem Arbeitsergebnisse auszutauschen. Jeder Leser wird sofort Beispiele in seinem persönlichen Umfeld finden, an denen er nachvollziehen kann, dass Arbeitsergebnisse auch ohne Geld austauschbar sind. Einfach, indem Arbeitsleistung gegen Arbeitsleistung getauscht wird.
Nehmen Sie sich einen Moment und überlegen, wann Sie das letzte Mal ihre eigene Arbeitsleistung mit der Arbeitsleistung eines anderen Menschen, vielleicht sogar innerhalb ihrer eigenen Familie, ausgetauscht haben und dafür KEIN Geld verwenden mussten.
Genau das ist Empirie, es gibt erfahrbare Beispiele dafür, dass wir Menschen durchaus Arbeitsergebnisse ohne Geld austauschen können. Aber wieso? Wieso nur ist manchmal Geld quasi unumgänglich, um Arbeitsergebnisse auszutauschen und manchmal völlig bedeutungslos? Genau diesen Unterschied können gängige Gelddefinitionen nicht hinreichend erklären. Wenn aber manchmal kein Geld nötig ist, um Arbeitsergebnisse zu tauschen und es manchmal quasi zwingende Voraussetzung dafür ist, dann muss dieser Unterschied erklärt werden.
Transparenz individueller Arbeitsergebnisse
Variieren wir nun die Gruppengröße und stellen uns vor, dass 5 Menschen untereinander ihre jeweiligen Arbeitsergebnisse tauschen möchten. Die Friseurin, der Umzugshelfer, ein Elektriker, eine Finanzbeamtin und ein KFZ-Mechatroniker wollen ihre Arbeitsergebnisse untereinander tauschen. Da sich alle fünf nun schwerer bei der Ausübung ihrer jeweiligen Arbeit beobachten können, weil sie beispielsweise nicht alle in einem Büro tätig sind, schwindet die Transparenz ihrer Leistungen. Für das einzelne Gruppenmitglied wird es also schwerer, exakt nachzuvollziehen, was der jeweils andere für das Ergebnis seiner Arbeit tatsächlich getan hat. Einfacher ausgedrückt: Es gehen Informationen verloren.
In größer werdenden Gruppen nimmt die Transparenz der individuellen Arbeitsergebnisse ab. Ganz einfach, weil es für die Einzelne zunehmend schwerer wird, nachzuvollziehen, was der Andere tatsächlich geleistet hat. Genau an dieser Stelle können wir das Entstehen von Geld, in welcher Form auch immer, beobachten:
Je größer die Gruppe, desto wahrscheinlicher wird es, dass etwas wie Geld entsteht. Warum? Weil bei größer werdenden Gruppen die Transparenz der individuellen Arbeitsergebnisse abnimmt. Um diesen Informationsverlust aufzufangen, MUSS etwas wie Geld entstehen, das diesen Informationsverlust nämlich ausgleicht. Geld informiert. Geld IST Information. Worüber informiert Geld? Über die individuellen Arbeitsergebnisse in größer werdenden Gruppen.
Diese Gelddefinition überwindet den normativen Charakter bisheriger Gelddefinitionen, die nämlich nur festlegen, was Geld sein solle, ohne dass sie empirisch überprüft werden könnten. Letztlich muss ich glauben, was Geld ist, wenn irgendjemand das einfach festlegt. Eine normative Definition entzieht sich empirischer Überprüfbarkeit.
Der Denkfehler
Wieso ist es immens wichtig, dass Geld so definiert wird, dass ich nicht glauben muss, dass es ist, wie es gesagt wird, sondern dass ich überprüfen kann, ob es ist, wie es gesagt wird? Weil nur dann ein stabiles, dauerhaft funktionierendes Geld entwickelt werden kann!
Wenn die definitorische Grundlage von Geld auf Glauben basiert, dann kann nicht nachvollzogen werden, warum Geld immer und immer wieder zu schwersten gesamtgesellschaftlichen Krisen führt. Nach jeder Finanzkrise reiben sich die Experten verwundert die Augen, warum das gerade jeweilig benutzte Geld überhaupt seine Funktion verlieren konnte. Es steht doch fest, was Geld ist. Nun ja, genau das ist der Denkfehler!
Geld gibt es eben nicht ohne Grund, es übernimmt eine Funktion im menschlichen Wirtschaften. Dass es Geld gibt, entspringt einer Notwendigkeit. Es ist an der Zeit, zu überprüfen, aus welchem Grund genau der Mensch überhaupt Geld entwickelt hat. Die empirische Forschung zum Thema Geld ist bisher deswegen nicht entwickelt, weil Gelddefinitionen normativen, das heißt, nicht empirisch überprüfbaren Charakter haben.
Damit endlich stabile Geldsysteme entwickelt werden können, muss Geld, genauer die Geldentstehung, einer Überprüfung zugeführt werden. Es muss endlich ermöglicht werden, dass Wissenschaftler überall auf der Welt untersuchen können, wie genau Geld entsteht, um daraus dann zunächst experimentell, später praktisch, ableiten zu können, welche Bestandteile Geldsysteme haben müssen, damit sie krisenfrei funktionieren.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten:
Geld ist Information.
Woher kommt dieser Gedanke? Aus der Beobachtung, dass Geld nahezu jede Form annehmen kann. Die Geldgeschichte zeigt uns, dass es völlig egal ist, welche äußere Erscheinungsform Geld hat, solange es die Geldfunktionen innehat. Welche Funktion ist das zu aller erst? Geld soll uns informieren.
Worüber informiert Geld uns? Über die individuellen Arbeitsergebnisse unseres Gegenübers. Geld ist ein Maßstab, der uns dabei behilflich ist, einzuschätzen, was der Andere geleistet hat, und zwar gemessen an unserer eigenen Leistung. In kleinen Gruppen können wir eher einschätzen, was andere für deren Arbeit getan haben, in größer werdenden Gruppen fällt uns dies zunehmend schwerer, weswegen wir einen Vergleichsmaßstab brauchen. Genau dieser Vergleichsmaßstab ist Geld!
Geld transportiert Informationen. Informationen über individuelle Arbeitsergebnisse, deren Transparenz in größer werdenden Gruppen abnehmen. Die wesentliche Funktion von Geld ist, diese Transparenz wiederherzustellen, also zu informieren. Die Geldentstehung kann nun in ein mathematisches Modell überführt werden, dass man auf seine Gültigkeit hin überprüfen kann:
Je kleiner eine Gruppe N, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit eines Arbeitsaustauschs, ohne Geld verwenden zu müssen.
Je größer eine Gruppe N, desto kleiner ist die Wahrscheinlichkeit eines Arbeitsaustauschs, ohne Geld verwenden zu müssen.
Die Vorhersage dieses Modells ist, dass in kleinen Gruppen, die kleinstmögliche Gruppe besteht aus zwei Individuen, nicht zwingend Geld benötigt wird, um deren Arbeitsergebnisse auszutauschen. Je kleiner die Gruppe, desto weniger wahrscheinlich ist das Entstehen von Geld. Dementsprechend gilt, je größer die Gruppe, desto wahrscheinlicher wird das Entwickeln von Etwas, was die Geldfunktion übernimmt.
Dabei ist völlig egal, was dieses Etwas ist. Wichtig ist nur, dass dieses Etwas von allen Beteiligten akzeptiert wird, dass es in kleinen Stückelungen vorhanden ist und dass man es leicht transportieren kann. Einen inneren Wert muss Geld nicht haben. Nehmen wir als Beispiel dafür unser heute überwiegend benutztes Geld, das Giralgeld, also die Zahlen unserer elektronischen Konten.
Diese Zahlen haben keinerlei eigenen Wert und doch verwenden wir sie wie selbstverständlich als Zahlungsmittel, also als Geld. Diesen Umstand, dass wir an sich wertlose Zahlen benutzen, um Güter und Dienstleistungen auszutauschen, kann nur erklärt werden, wenn man unterstellt, dass Geld im Kern sowieso nix anderes als Information ist. Und genau das ist der Fall!
In der sogenannten Informationsgesellschaft ist diese Erkenntnis noch nicht einmal besonders originell.
Geld ist Information. In größer werdenden Gruppen geht Information über individuelle Arbeitsergebnisse verloren. Genau diesen Informationsverlust gleicht das Geld aus. Das ist seine Funktion. Seine einzige. Alles andere ist Herrschaft!
Quellen und Anmerkungen
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Geld ↩
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Muschelgeld ↩
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Umlaufgesichertes_Geld ↩
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Schulden:_Die_ersten_5000_Jahre ↩
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Rai_(W%C3%A4hrung) ↩
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Tulpenmanie ↩
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Geldfunktion ↩
Fotos: Christine Roy (Unsplash.com).
Andreas Smurawski setzt sich seit seiner Ausbildung zum Bankkaufmann kritisch mit dem Geldsystem auseinander. Das Studium der Psychologie, dass er im Anschluss absolvierte, motivierte ihn dazu, die Kenntnisse aus seiner Ausbildungszeit mit Kenntnissen über die menschliche Psyche zu verknüpfen, um so zu gesamtgesellschaftlichen Prozessen Stellung nehmen zu können. Vor allem die Ereignisse beim Platzen der sogenannten Internetblase um die Jahrtausendwende und die Finanzkrise 2007 weckten in ihm Zweifel daran, dass das derzeitige Geldsystem alternativlos sei, wenn es doch zu derartigen Zerwürfnissen führte. Andreas Smurawski ist Jahrgang 1980. Er lebt bei Rostock und arbeitet im Bereich Forschung und Entwicklung.
8 Antworten auf „Geld – Was genau ist eigentlich Geld?“
Etwas Wissenschaftstheorie hätte noch gut getan. Die Ökonomie ist praktische Philosophie. Und Geld ist als Kulturerzeugnis mit den Mitteln der Gesellschafts- und Kulturwissenschaften zu fassen, nicht jedoch rein empirisch. Schon daran scheitert die (wohl gut gemeinte) Analyse.
Als Kulturerzeugnis ist Geld menschengemacht. Da beisst die Maus keinen Faden ab.
Übrigens ist Fiat Money auch alles andere als “reiner Glaube”, wenn es so gemacht würde, wie es gedacht war: beim Fiat Money hat nämlich alles Buchgeld eine volle Deckung in Sachwerten (die Banksicherheiten der Kredite, auf die es geschöpft wurde) – nur das Bargeld hat keine solche. Das sind aber nur ein paar Prozent der Geldmenge.
Der Autor erscheint vom Thema überfordert zu sein.
Vielen Dank für Ihren Kommentar.
“Als Kulturerzeugnis ist Geld menschengemacht.”
Richtig. Das sehe ich ganz genauso und sage ich auch mehrfach im Text. Geld fällt eben nicht vom Himmel, sondern ist menschgemacht.
“Und Geld ist als Kulturerzeugnis mit den Mitteln der Gesellschafts- und Kulturwissenschaften zu fassen, nicht jedoch rein empirisch.”
Geld “ist” so und so zu fassen. Wer legt das fest? Und: Rein empirisch muss man Geld nicht verstehen, aber eben auch. Das ist ja meine Kernaussage. Geld muss dringend auch empirisch überprüft werden, damit seine Funktionen untersucht werden können.
Fiat Money: Um Fiat Money ging es in diesem Beitrag nicht, sondern um eine empirische Annäherung an des Thema Geld.
Mit besten Grüßen,
Andreas Smurawski
Den zutreffenden Ausführungen möchte ich noch hinzufügen: Geld stellt “Versprechen” dar, die Zusage, dass ein Tun, ein Helfen, ein Einsatz mit einer Gegenleistung beantwortet werden wird. Da das Versprechen nur Worte sind, die verhallen, vergessen oder geleugnet werden können, werden sie mit einem greifbaren Symbol verknüpft. Und dieses Symbol ist dann das Geld. Früher steckte auch im Symbol Arbeit (Goldgewinnung). In modernen Zeiten verlässt man sich darauf, dass die große Gemeinschaft (z.B. der Staat) darüber wacht, dass das Versprechen nicht gebrochen wird. Hinter dem Versprechen taucht dann Macht auf.
An sich können Versprechen mit der Zeit ihren “Wert” verlieren. Der Versprechende stirbt, wird krank oder macht sich aus dem Staub. Wenn aber das Symbol weitergereicht werden kann, vermindert sich das Risiko. Es bleibt trotzdem ein Risiko, wie man es im Wertverlust des Geldes sieht.
Man kann in der Masse bald nicht mehr überprüfen, was hinter dem Versprechen steckt. Es ist nicht mehr persönlich. Vertrauen auch. Man muss der anonymen Gesellschaft vertrauen. In den Finanzkrisen schwindet Vertrauen. Das überindividuelle, soziele Vertrauen entwickelt durch die Masse Schwerfälligkeit.
Meine Ergänzungen erklären natürlich auch noch nicht alles. Ich bin auch nicht am Ende des Verstehens.Ich vermute aber schon jetzt, dass wir aus der globalen, schwerfälligen Versprecherei wieder raus müssen. Hin zu regionalem Geld. Die Regionen können dann wieder Tauschgeschäfte organisieren, die auf neuer Ebene überblickbar sind. Nur so eine Ahnung.
Gerhard Kugler
Vielen Dank für Ihren Kommentar.
“Hin zu regionalem Geld.”
Regionale Geldsysteme können eine wunderbare Ergänzung der großen Geldsysteme sein. Darüberhinaus bieten sie die Möglichkeit neue Formen von Geld in der Praxis zu testen.
“Man kann in der Masse bald nicht mehr überprüfen, was hinter dem Versprechen steckt. Es ist nicht mehr persönlich. Vertrauen auch. Man muss der anonymen Gesellschaft vertrauen.”
Abnehmendes Vertrauen in Massen ist unausweichlich, weil die Voraussetzung für Vertrauen u.a. ist, dass man sich kennt. Je näher man sich kennt, desto größer kann das Vertrauen sein. Das ist genau der Grund, warum der Mensch etwas wie Geld entwickelt hat. In größer werdenden Gemeinschaften geht Vertrauen verloren, da man sich immer unbekannter wird. Geld wird zur Überwindung dieses Informationsgefälles gebraucht.
Mit besten Grüßen,
Andreas Smurawski
Auch für mich ist Geld eine Information über den Anspruch auf Energieeinheiten (erstarrt in Waren, geleistet durch Dienste).
kurz dazu: das ‘Urmeter’ in Paris ist eine akzeptierte Referenz für die ‘1’ aller Längeninformationen, deren unzählige Darstellungsformen menschlichem Einfallsreichtum obliegen.
Würde Geld informieren über einen Anspruch auf ‘Länge’, wäre die Sache einfach. Aber wo finden wir die Referenz für die ‘1’ aller Energieinformationen (ausgedrückt in Form des jeweils akzeptierten Geldes)? Wo ist das ‘Urmeter’ für Geld, womit ich doch ALLES bezahlen kann?
Naheliegend ist es, die Herstellungsenergie von etwas zu messen und als ‘Urmeter’ – als Referenzwert – heranzuziehen.
Arbeitsleistung unter ähnlichen Bedingungen gäbe den Mix, aus welchem ein ‘Geldurmeter’ gebastelt werden könnte.
Welche Arbeitsleistung? Haareschneiden, Hausbauen, Gruben graben mit den Händen …. Atmen?
Ein Atemzug unter ähnlichen Bedingungen als Referenz für den Preis einer Ware, die eben mindestens 6 Milliarden Atemvorgänge in einem doppelt(?) schwierigen Mileau brauchte und daher 12 Milliarde kostet? Warum nicht?
Oder – ‘1’ ist die benötigte Energie für das Existenzminimum eines Menschen in einem Jahr in einer bestimmten Gegend?
Alles sicher nicht so akkurat wie das Pariser Vorbild, aber hinlänglich, um dem globalen Finanz-Betrugssystem Essentielles entgegenzusetzen – nämlich Preisstabilität innerhalb überschaubarer Wirtschaftsräume sowieso, aber auch global, weil der Wert des Wassers dann NUR mit der Bodenbeschaffenheit und Entfernung von einer ‘nie versiegenden’ Quelle steigt.
»Als empirisch arbeitender Wissenschaftler« und denkender Mensch könnte man auch feststellen, dass das bisher bekannte Geld rein gar nichts mit Wissenschaft oder Logik zu tun hat und haben kann.
Die Funktionen des Geldes, welcher Form auch immer, werden als Zahlungs-/Tauschmittel, Wertaufbewahrung und Wertmaßstab angegeben. Die beiden erstgenannten Funktionen setzen einen Wert (Information) voraus. Ein Wert kann nur das Ergebnis einer Schätzung oder Messung sein (auch einer Berechnung, welche ebenfalls auf geschätzten oder gemessenen Werten beruht). Die Schätzung ist subjektiv und liefert keine wissenschaftliche Basis. Die Messung ist ein empirischer Vorgang, der einen definierten, unveränderlichen Wertmaßstab voraussetzt. Das ist Geld nicht. An der Stelle beißt sich die Katze in den Schwanz. Wenn der Wert von Geld (Zahlung/Tausch, Wertaufbewahrung) bestimmt werden soll, kann Geld selbst nicht der Wertmaßstab sein. Ein Wertmaßstab hat keinen Eigenwert. Ein Kilogramm hat selbst keine Masse.
Wenn man nun annimmt, dass die Ergebnisse menschlicher Tätigkeit den Wertmaßstab repräsentieren sollen, stellt sich die Frage, wie man diese messen und vergleichen will. Wie vergleicht man Reinigen, Backen, Singen, Bauen, Pflügen, Verwalten, Konstruieren, Frisieren, Reparieren, Lehren, Pflegen, Heilen …? Auf welcher wissenschaftlichen Grundlage soll das funktionieren?
In der Gegenwart werden die meisten Menschen (wenigstens in den westlichen Kulturen) auf der Basis von Zeit bezahlt. Auch dies ist ein normativer Akt der Willkür ohne wissenschaftliche Grundlage. Was ein Menschenleben wert und was eine Stunde davon? Wer legt das fest? Außerdem fließt in die menschliche Tätigkeit nicht nur Lebenszeit, sondern auch Gesundheit, Wissen, Fertigkeiten, Talente… Was ist Gesundheit wert? Welcher Mensch hat das Recht, dies zu entscheiden?
Menschenleben besteht nicht aus kleinen abzählbaren Teilchen/Einheiten. Die Ergebnisse menschlicher Tätigkeit sind mehr als dreidimensionale Körper. Auch deshalb ist Geld als mechanistischer Wertmaßstab, Tausch- und Zahlungsmittel und zur Wertaufbewahrung unwissenschaftlich und vor allem für eine humanistische Gemeinschaft ungeeignet. Es ist vom Menschen erdacht und kann daher immer nur normativ sein.
Denkt man sich Geld als Information (das altchinesische Fei Lun war so ein Geld), dem ich zustimme, kann diese Information nur das Ergebnis der Leistung beschreiben. Wenn dem so ist, kann keine Bank Geld schaffen. Geld kann sich nicht verzinsen. Geld (Leistung) könnte nicht knapp sein, da jeder Mensch selbst zum potentiellen »Geldschöpfer« wird.
Menschen leben nicht vom Geld, sondern von den Ergebnissen eigener und/oder fremder Leistung. Und etwas ohne inneren Wert muss man nicht tauschen. Logisch wäre also beispielsweise, wenn Menschen ihre Leistung in die Gemeinschaft einspeisen und ihren individuellen Warenkorb aus den Leistungen der Gemeinschaft füllen. In diesem Zusammenhang könnte Geld als Information einen anderen Sinn bekommen und als kollektives Gedächtnis fungieren (Stichwort: Ecosimia). Dabei wäre die Größe einer Gemeinschaft egal. Es ergäben sich völlig neue Möglichkeiten für Menschen, Natur und Umwelt.
Vielen Dank für den ausführlichen Kommentar und die Hinweise. Eine Nachfrage. Sie schreiben: “In der Gegenwart werden die meisten Menschen (wenigstens in den westlichen Kulturen) auf der Basis von Zeit bezahlt. Auch dies ist ein normativer Akt der Willkür […]”
Wer übt diese Willkür aus bzw. welche Hebel/Umstände führen zu dieser Willkür? Kann man das genauer fassen?
Nichts zu danken. Ich denke, dass die Antwort aus meinem Beitrag bereits hervorgeht. Umfassend lassen sich die Fragen in diesem Rahmen nicht beantworten. Das würde länger als der obige Text von Herrn Smurawski. Ich gehe trotzdem kurz näher darauf ein.
Die bestehende gesellschaftliche Ordnung ist weder logisch noch wissenschaftlich begründbar. Menschen müssen sich ökonomischen und rechtlichen Normen unterwerfen, die dazu führen, dass wenige auf Kosten vieler vermögender werden.
Das »moderne« Arbeitsrecht ist so eine ökonomische, rechtliche Norm. »Verkauft« wird sie den Menschen als Menschenrecht. Das Recht auf Arbeit. Es wird sogar als Errungenschaft betitelt. Letztlich wird damit ein Recht auf Willkür manifestiert. Schaut man auf den historischen Hintergrund, wird man feststellen, dass das Arbeitsrecht dem römischen (Sklavenhalter)Recht entspringt und in der Tradition des Locatio conductio operarum steht. Dieses hatte sein Modell im Locatio conductio rei. Es stammt aus einer Zeit in der es üblich war, mit Menschenleben Handel zu treiben. Der Wert eines Menschen hing davon ab, für welche Verwendung er bestimmt war, welchen Nutzen/Gewinn sich der potentielle Eigentümer ausrechnete. Menschenleben als Wirtschaftsgut. Trotz aller Reden von Aufklärung, Freiheit und Humanismus wurde diese Ansicht bis in die Gegenwart getragen. Man findet sie bei Hobbes ebenso wie bei Marx, der sie von diesem übernahm.
Im letzten Beitrag fragte ich: »Was ist ein Menschenleben wert und was eine Stunde davon? Was ist Gesundheit wert?«
Ökonomie und Recht sind nicht in der Lage, diese Fragen auf der Grundlage von Wissenschaft zu beantworten. Sie sind Regelwerke, die zu dem auf einer mechanistischen Weltanschauung beruhen, welche die Welt in abzählbare Teilchen zerlegt. So funktioniert Leben nicht.
Wenn ich nicht bestimmen kann, was ein ganzes Menschenleben kostet, weil dieses nicht verhandelbar ist, kann ich nicht bestimmen, was eine Stunde kostet (wert ist). Lohn pro Stunde Lebenszeit ist unlogisch und hat keine wissenschaftliche Grundlage. Es kann nur eine willkürliche Bewertung geben.
Eine andere Dimension des Lebens ist die Gesundheit. Sie fließt auch in den Arbeitsprozess ein. Ihr Wert ist nicht bestimmbar. Was soll ein Burn-out kosten (wert sein) oder eine zerstörte Lunge oder ein kaputter Rücken? Kann ein »Lohn« dies berücksichtigen oder wie viel sollte man dafür verlangen?
Und immer geht es darum, was ein anderer bereit wäre zu geben. Man muss als Mensch sein Leben von anderen bewerten lassen. Man lebt nicht selbstbestimmt. Man ist der Grundlage der Freiheit beraubt. Das hat mit Menschenwürde und Humanismus nichts zu tun. Dafür mit Angebot und Nachfrage. Das ist diese merkwürdige ökonomische Regel, bei der Bedarfsdeckung nicht vorkommt, weil es dann keinen Profit gibt.
Der zweite Aspekt ist das Geld als Wertmaßstab. Wie Herr Smurawski oben schrieb, gibt es keine Definition für Geld. Es gibt Erklärungen. (So ist es übrigens mit vielen Begriffen: Staat, Verbraucher, Arbeit, Demokratie, Gleichheit, Armut, Reichtum, bürgerlich, Rechtsstaat, Sozialstaat, sozial, links, rechts, Mitte, Wohlstand, Gerechtigkeit, Freiheit, Markt, Geld, Recht, Mensch… Leben). Es gibt nicht nur keine Definition für den Begriff, auch der Wert des Geldes, was ein Wertmaßstab sein soll, ist nicht definiert. Was nützt ein Wertmaßstab dessen kleinste Einheit unbestimmt ist? Auf welcher Grundlage soll da gemessen werden? Wissenschaftlich? Wenn es keine wissenschaftlichen Grundlagen gibt, können es nur willkürliche, normative sein.
Das bedeutet, dass die Messung menschlicher Leistung mit Geld immer ein Willkürakt sein muss. (Ist es Geld, welches sich im Umlauf befindet und durch Manipulation vermehrt oder verknappt werden kann, hat man die Situation, in der man sich jetzt befindet. Ist es Geld mit informativen Charakter, welches nicht in Umlauf geht [damit spielt die Geldmenge keine Rolle], ließe sich die Gesellschaft völlig anders organisieren.) Aber es dreht sich nicht nur um menschliche Leistung. Es geht auch um Land und natürliche Ressourcen. Deren Wertbestimmung mangelt es ebenfalls an Wissenschaftlichkeit. »Angebot und Nachfrage« sind keine Wissenschaft. Sie widerspiegeln eine von Menschen erdachte Auf- und Einteilung des Planeten, seiner Bewohner und Ressourcen.
Es wurde länger als ich wollte. Dabei musste ich meine Gedanken gewaltig raffen und habe vieles ausgelassen. Ich hoffe, dass es als Denkanstoß genügt. Jedenfalls denke ich, dass es für eine humanistische Gesellschaft ein anderes Denken braucht, als man es heute vorfindet. Dabei sind Lösungen viel einfacher als sich viele vorstellen können, wenn man nur (Mensch und Humanist sein) wollte.
Also, wer übt diese Willkür aus? Menschen.
»Die unheilvolle Neigung, über die Dinge nicht mehr nachzudenken, sobald sie nicht mehr zweifelhaft sind, hat die Hälfte aller menschlicher Irrtümer zu verantworten.«
Blaise Pascal