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Kultur

Kennst du das?! Normal war nie genug!

In ihrem Essay macht sich unsere Autorin Phoebe Gedanken über die Achtung von Ich, Er, Sie und Wir.

Inhaltsübersicht

Der Standard – nullachtfünfzehn -, schal schmeckend wie trockener Wein. Er betäubt dich für den Moment, in dem du aufhörst, zu denken und zu hinterfragen. Umso dröhnender der Kopf, wenn die Benebelung deiner Gedanken sanft nachlässt.

Ich

Wohin mit mir? Wohin mit meinem Können? Laut Standard passe ich nirgendwo hinein. Bin ein Versager. Ein Nichtskönner. Aber ich kann doch etwas! Ich bin doch wer. Oder etwa doch nicht? Mama hat damals gesagt, ich sei einzigartig. Doch was nützt mir jetzt diese einzige Art? Was nützt mir mein klarer Verstand? Ich brauche keinen Wein, um mich zu betäuben. Ich will alles hautnah. Nackt. Pur. Klar mitbekommen. Erkennen.

Wohin mit mir? Wohin mit meinem Können?
Laut Standard passe ich nirgendwo hinein.

Er

Oh man. Schon wieder so ein Schmarotzer. So ein dreckiges Pack. Pissen in ihre Schlafsäcke. Der Geruch steigt mir in die Nase. Ich verziehe die Augen. Krümme die Nase. So etwas kann ich nicht dulden. Die und ihre widerwertigen Hunde. Ja, dafür haben sie Geld. Und für ihr Bier. Oh ja, wenn ich mal einen von euch erwische. Jeden Tag arbeite ich diszipliniert an meinen Zielen. Bin ein guter Ehemann. Ich liebe meine Frau und meine Kinder. Noch nie bin ich fremd gegangen. Durch die Arbeit erfahre ich Bestätigung. Ein glückliches Leben führe ich. Uns fehlt es an nichts. Und wenn ich diese stinkenden Versager da liegen sehe, fühle ich mich wie Gott. Ich muss urteilen. Jeder muss etwas tun für sein Glück. Wer sich dem widersetzt, hat nichts anderes verdient als das da.

Sie

Familie, Sicherheit? Zwei Jobs habe ich und einen kleinen Jungen. Der Vater ist früh abgehauen. Ich liebe unseren Jungen. Viel Geld bleibt im Monat nicht für uns beide übrig. Ich bin froh, dass es das Sozialkaufhaus gibt. Die Blicke der Anderen, die sehen, wie ich dort mit einer Plastiktüte hinauskomme, stören mich schon gar nicht mehr. Hier kann ich meinem Kleinen wenigstens ein paar Spielzeuge kaufen. Eine Tasche für mich selber? Habe ich mir seit Jahren nicht gegönnt. Passend zum Outfit? Ein Traum. Um ein wenig Luxus zu erfahren und weil ich mich nicht gehen lassen will, lasse ich mir die Nägel von einer Freundin machen. Auch sie lebt im Plattenbau und ersehnt sich ebenfalls ein Leben mit mehr Licht. Mit mehr Perspektive.

Ein dummer Zufall. Von jetzt auf gleich. Alles weg. Ich weiß nicht weiter. Mir bleibt nichts mehr. Ich bin am Ende. Wo sind auf einmal alle? Die Dunkelheit umarmt mich und küsst mir auf die Stirn, damit ich ruhig einschlafe und am besten meine Augenlider nicht mehr öffne.

Wir

Umstände. Schicksalsschläge. Nicht zu erahnende Ereignisse, die dein Leben und das deiner Liebsten umwirbelt wie ein Hurricane. Fragmente hinterlässt. Der dich, euch zur Neuorientierung, Neuausrichtung förmlich zwingt. Damals als kleiner Mensch noch gedacht, man sei immer gut beschützt. Leid war uns so fern. Weinende Menschen aus Kinderaugen nur mit unscharfem Verstand zu verstehen.

Heute, in den stürmischen Zeiten, müssen wir immer häufiger Stürme überstehen. Uns aufrappeln. Unsere sieben Sachen beisammen nehmen und vielleicht woanders komplett neu anfangen.

Wir alle leben zwar in unserem eigenen Film. Doch wir Menschen, das Kollektiv, müssen endlich aufhören gegeneinander zu arbeiten. Selbstjustiz walten zu lassen. Auf schon Liegende noch weiter zu treten. Sie mit der eigenen Doppelmoral auszupeitschen, weitere Narben zu hinterlassen.

Wir alle sind dazu aufgefordert unseren Planeten nachsichtig zu behandeln und unsere Mitmenschen nicht zu foltern, zu ermorden, zu hintergehen oder auszuspielen. Wir alle haben das Recht auf Respekt, Liebe, Toleranz und gegenseitige Unterstützung.

Achtet den Menschen. Achtet euch!

Frau in Milch getaucht. (Foto: Averie Woodard; Unsplash.com)


Fotos: Mike Wilson (Titelbild) und Averie Woodard (beide Unsplash.com).

Autorin Phoebe kommt aus Deutschland.

Von Phoebe

Autorin Phoebe kommt aus Deutschland.

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