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Selbstlosigkeit

Ich habe diesen Text schon vor Wochen geschrieben. Aus den Gedanken der Hoffnungslosigkeit oder auch starren Unfassbarkeit der Taten von Menschen heraus. Jetzt flammt es wieder auf, nach dem Ansehen des Interviews mit Edward Snowden von acTVism Munich am 15. Januar 2017 in München.

Kalt. Kalt stehe ich vor den anprangernden Leinwänden der Geschichte und frage mich: Wie soll dieses Problem, was alle angeht, alle betrifft und nur alle lösen können, gelöst werden? Der einzig sinnige Weg ist die Hilfe zur Selbsthilfe. Denken zum Selbstdenken. Die Gedanken der Menschen zum Denken bewegen, dass das ALLE eine Chance zum Gebären bekommen kann.

Ich stehe vor diesem Problem wie vor einem riesigen Berg, der aus allem besteht, spitz zulaufend, flach matt und böse blickend seinen Schatten auf mich zu werfen scheint, obwohl keine Sonne da wäre, die allein die Macht hätte den Schatten zu erzeugen. Und ich frage mich: Wie?

Alleine schaff ich das nicht. Alleine kann ich es einfach nicht. Aber deswegen gar nicht erst anfangen? Nein. Umdrehen und ich sehe viele vor vielen Bergen stehen, gramgebeugt von den Schatten, die einen samtenen Bleimantel in Farbe und Dichte über ihre Schultern geformt haben und sich nicht trauen aufzublicken. Ich traue mich, das habe ich ihnen schon mal voraus, aber kleiner, sanfter oder glänzender wird der Berg dadurch auch nicht. Wie soll ich meinen Berg … ich blicke zurück zu den anderen Bergen … es ist derselbe! Wir stehen alle vor demselben Berg, nur durch optische Verschiebung, á la M. C. Escher, glauben wir, es sind Einzelne, die ihren ganz eigenen Schatten auf unser alleiniges Leben werfen und wir nichts mit den anderen gemein haben. Doch es ist der Selbe! Derselbe Berg, derselbe Schatten, dasselbe Problem.

Okay, jetzt traue ich mich nicht nur aufzublicken, ich traue mich auch, die Semantik hier zu sehen und zu benennen. Ich komme ins Grübeln: Davon wird der Berg aber auch noch nicht kleiner, sanfter oder glänzender. Alleine schaff ich das nicht. Aber wir zusammen … das würde gehen! Ich schaue erfreut, ja gespannt, von meinen Füßen auf und mit breitem Lachen wende ich mich zu den anderen um und … es gefriert der gräulichen Müdigkeit dieser Gesichter wegen. Es ist nicht der Schatten, der mir Sorgen macht. Es sind die Gesichter. Abgewendet und tot. Schaffe ich es, etwas Rotes einfließen zu lassen? Eine Ader zu legen? Zu jeder Brust? Ohne mich selbst …

„Hilfe zur Selbsthilfe ist das Selbstloseste, was ein Mensch vollbringen kann. Andere Seelen nicht von sich abhängig zu machen. Sie ihren eigenen Weg gehen zu lassen mit der Angst, nie wieder gebraucht zu werden. Sich dieser Angst bewusst zu werden. Sich diese Angst eingestehen und mit ihr der Seele beim Gehen auf deren Weg, weg von dir, zusehen zu können und das mit tränendem Lachen: Den Arm um die Angst schlingend dem Schmerz in sich lauschen und weinen. Den Kopf an die Schulter der Angst lehnend, dem Glück in sich nachspüren, dem anderen Menschen auf die eigenen Beine und das Laufen gelehrt zu haben, und lachen.“

-Alex Ross-


Informationen zum Videointerview: Edward Joseph Snowden (Jahrgang 1983) ist ein ehemaliger Mitarbeiter des US-Auslandsgeheimdienst CIA (Central Intelligence Agency) und Whistleblower. Er war außerdem für die National Security Agency (NSA; dt.: Nationale Sicherheitsbehörde) und den Nachrichtendienst Defense Intelligence Agency (DIA; dt.: Verteidigungsnachrichtendienst) der USA tätig.

Durch seine Arbeit bekam Snowden Kenntnis und Zugang zu Informationen, die als streng geheim eingestuft waren. Dazu gehörte das US-amerikanische Programme zur Überwachung der weltweiten Internetkommunikation und Tempora, das Überwachungsprogramm Großbritanniens.

Snowden übermittelte diese Informationen u.a. den Journalisten und Blogger Glenn Greenwald, der sie teilweise im Juni 2013 in der britischen Tageszeitung The Guardian veröffentlichte. Seine Quelle nannte Greenwald nicht. Snowden reiste nach Hongkong und gab sich als Whistleblower zu erkennen. Anschließend floh er nach Russland und erhielt dort Asyl.

Snowden’s Enthüllungen, die die sogenannte NSA-Affäre auslösten und Einblicke in die Überwachungs- und Spionagepraktiken von vor allem US-amerikanischen und britischen Geheimdiensten und deren weltweite Aktivitäten ermöglichten, wurden teilweise als Akt zivilen Ungehorsams bezeichnet.

Der Whistleblower Daniel “Dan” Ellsberg, der 1971 geheime Pentagon-Papiere an die Presse gab und so das Fehlverhalten mehrerer US-Regierungen während des Vietnamkriegs öffentlich machte, vertritt die Meinung, dass es in der Geschichte der USA kein wichtigeres Leak gegeben habe als die Veröffentlichung des NSA-Materials durch Snowden.

Snowden wurde von dem unabhängigen und gemeinnützigen Nachrichtenmagazin acTVism Munich e.V. am 15. Januar 2017 interviewt. Edward Snowden wurde nach München zugeschaltet. Wegen technischer Schwierigkeiten wurde das Interview, das in den Mainstreammedien keine Beachtung fand, ursprünglich in mehreren Teilen veröffentlicht und im September 2017 als vollständige Version nochmals von acTVism Munich bereitgestellt.


Foto: Rawpixel (Unsplash.com)

Autorin und Künstlerin bei Neue Debatte | Webseite

Alex Ross emi­g­rie­rte aus den schwäbisch-bayrischen Bergen in die Lüneburger Heide. Nach dem Abitur zog sie nach Hamburg, um ein Handwerk zu erlernen. Alex gibt sich als Autorin dem Schreiben hin und als Künstlerin der kreativen Malerei. Ihre Essays unterzieht sie dem Urteil der eifrigen Leserkultur. Sie schreibt über die kleinen Schönheiten und die großen Gemeinheiten des Alltags. Alex lebt im Norden Deutschlands.

Von Alex Ross

Alex Ross emi­g­rie­rte aus den schwäbisch-bayrischen Bergen in die Lüneburger Heide. Nach dem Abitur zog sie nach Hamburg, um ein Handwerk zu erlernen. Alex gibt sich als Autorin dem Schreiben hin und als Künstlerin der kreativen Malerei. Ihre Essays unterzieht sie dem Urteil der eifrigen Leserkultur. Sie schreibt über die kleinen Schönheiten und die großen Gemeinheiten des Alltags. Alex lebt im Norden Deutschlands.

Eine Antwort auf „Selbstlosigkeit“

Die von Snowden lässig hingeworfene Bemerkung, es sei besser das mitgebrachte Handy auszuschalten, da sich sonst die Anwesenheit bei dieser Veranstaltung nachweisen ließe, sagt eigentlich alles. Der eindringliche Text gab dann Anlass den Beitrag weiterzuverbreiten.

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