Als Mann ist dir das Weibliche gelungen: Du gebarst! Du brachtest die Seele zutage, ans Licht. Brachtest, was sich lange schon rührte, verborgen im Nichts.
Du warst aber nicht der Erzeuger. Hast nicht während der langen Zeit des Austragens der Schwangerschaft deinen Körper geteilt. Warst nur da für den finalen Moment der Geburt. Die Schwangerschaft selbst trug ich in mir, aber die Geburt wurde erst möglich durch dich. Für den Moment an dich übertragen, wachse ich nun wieder in meiner eigenen Obhut.

Durch dich Katalysator, des nicht nur Ausbrechens aus dem dunklen, semipermeablen, membranenen Gehäuse, dem Kokon, sondern auch des Verweichens des dünnen Rückengewandes, das sich der Beflügelung meiner Seele des sich in die Lüfte erhebenden Geistes nicht mehr erwehren kann und will, öffnet sich ein groteskes Bild. Nicht vor mir auf einem Bildschirm, sondern an mir. Ich blicke in dieses Bild, indem ich an mir hinabsehe. Sehe den Heiden sich auf meiner Brust aufbäumen vor seinem Götzen und bin fasziniert, was für ein Wesen sich in mir, für das Sammeln von ekstatischen Gefühlen, entwickelt hat:

Ein gefräßiges, vierblättriges, mit spitzen Reißzähnen klaffendes, ein schwarzes Loch umrahmendes Maul tut sich auf. Mitten auf meiner Brust. Der astrologische Schlund wird umspannt von Silberfäden, faulem Gestank und einem Sirren malmender Beißer nicht sichtbar weiter unten. Tentakel entspringen den Seiten; ergänzen dieses schreckliche Bild, was sich öffnet, um sich an dir, meinem Götzen, zu weiden. Nein, nicht an dir! Auch nicht an deinem Sein. Sondern an deinem Wirken: An dem, was du ausdünstest, an dem, was du der Welt schenkst, an dem, was du singst. An den Teilen deiner Seele, die naturbedingt in diese Welt fließen, in einem so unfassbaren Strom, der mich ersäuft. Dem ich schon nach sehne, wenn er seine sättigende Wut über mich ergossen, seine Wirkung auf mich verschwindend, weiter auf mich niedergeht.
Der schwarze Schlund, zur unendlichen Gier verdammt, ist voll. Kann nichts mehr nehmen. Was für eine Abstraktheit, was für ein paradoxes, von unsättlicher Gier des Guten Besessene. Du bist das Licht, was einbrach. Deine Stimme der Klang, der mich entzückt. Aber die Quelle dessen selbst bist du nicht. Du bist der Träger, der Bote, der Überbringer.
Fotos: Breno Machado, Louis Blythe und Samuel Scrimshaw (alle Unsplash.com).
Alex Ross emigrierte aus den schwäbisch-bayrischen Bergen in die Lüneburger Heide. Nach dem Abitur zog sie nach Hamburg, um ein Handwerk zu erlernen. Alex gibt sich als Autorin dem Schreiben hin und als Künstlerin der kreativen Malerei. Ihre Essays unterzieht sie dem Urteil der eifrigen Leserkultur. Sie schreibt über die kleinen Schönheiten und die großen Gemeinheiten des Alltags. Alex lebt im Norden Deutschlands.
Eine Antwort auf „Der innere Raum – Teil 4: “Liebe ohne Sex”“
Liebe freunde,
schon der titel zeigt das grosse missverstaendnis. Liebe ist immer ohne Sex. Dass wir Liebe mit korperlicher ermaechtigung einer anderen person in beziehung bringen, deutet auf eine begriffliche verwirrung hin, die aber eine gezielte wirkung entfalten soll. Liebe soll verschwinden.