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Krieg & Frieden

Friedensbewegte – Liebet eure Feinde nicht!

Wer Frieden will, der muss für ihn kämpfen. Ein „Liebet eure Feinde“ ist die innere Kapitulation vor Kriegstreibern, Waffenexporteuren und Menschenschlächtern. Eine Replik auf den Gastbeitrag “Nachdenkliches für Friedensfreunde”.

„Krieg ist zunächst eine innere Haltung, die es gilt zu überwinden“, schreibt Christian Gräber in seinem Beitrag „Nachdenkliches für Friedensfreunde“. Wer sind diese Freunde des Friedens, an die sich die Botschaft richtet?!

Die irakischen oder syrischen Zivilisten, denen aus machtpolitischen Gründen Bomben auf den Kopf geworfen werden? Oder sind es die Flüchtlingsmassen, die sich in den Kriegsflüchtlingslagern sammeln und dort auf bessere Zeiten hoffen müssen, weil ihnen nur das nackte Leben geblieben ist? Ist es der palästinensische Vater, der im Gazastreifen um seine Kinder zittert, wenn eine israelische Rakete einschlägt? Ja, sie alle haben wohl eine friedliche Haltung.

Es wäre toll, würden die Kommandanten von Kampfdrohnen, Kampfhubschraubern, Kampfpanzern und Kampfschiffen ihre innere Haltung ändern, bevor sie eine Bombe in eine Menschenmenge feuern. Und es wäre toll gewesen, hätten die Angehörigen der SS ihre innere Haltung geändert, bevor sie durch Europa zogen, um wehrlose Menschen in ihren Häusern und Kirchen zu verbrennen. Oder Guantanamo. Sollen doch dort alle ihre innere Haltung ändern, die Gefangenen genauso wie das Wachpersonal, und der Krieg des IS und der US-Feldzug gegen die arabischen Bevölkerungen könnte endlich aufhören zugunsten des Friedens.

Diese angebliche innere Haltung, die es zu überwinden gilt, ist ein ideologisches Possenspiel, dass die Menschen, und in diesem Fall die Friedensbewegung, zu entwaffnen sucht und ihr die letzten Reißzähne zieht. Das endet dann bei den Menschen- und Lichterketten, deren Teilnehmer ihre böse, aggressive Seite in sich abgelegt haben für den inneren Frieden, sich dabei sogar noch kühn vorkommen und tatsächlich meinen, sie würden für den Weltfrieden kämpfen.

Sie kämpfen nicht, sondern werden zu Wachs in den Händen ihrer Feinde. Denn der Grundfehler dieser gutmenschlichen bürgerlich-christlichen Haltung, der besteht darin, dass der einzelne Mensch verwechselt wird mit der Gesellschaft.

Gesellschaftlich finden knallharte Kämpfe zwischen Interessengruppen statt. Es gibt Klassen, Ausbeutung, auf Besitz basierende Herrschafts- und durch militärische Gewaltapparate gestützte Machtverhältnisse. Diese Klassengräben haben nichts mit dem Einzelmenschen zu tun.

Jeder Mensch gehört zu mindesten einer dieser Klassengruppierungen, die ihre eigenen Interessen durchsetzen und sich entsprechende Ideologien und die dazugehörige Moral zurechtlegen. Auf deren Grundlage sehen sie sich dann im Recht und können jede Schweinerei gegen die anderen Bevölkerungsgruppen begründen. Und wie die Geschichte zeigte, beruhigen sie damit erfolgreich ihr Gewissen, selbst bei millionenfacher Vergasung von Juden.

Die Einzelmenschen mit ihrer inneren Zerrissenheit spielen in den gesellschaftlichen Macht- und Klassenkämpfen keine Rolle. Soldaten, Polizisten, Politiker, Unternehmer, et cetera, agieren nicht als treu sorgende Familienväter, nette, hilfsbereite Nachbarn oder gläubige Christen, wenn sie im Ernstfall alte Frauen zusammenschlagen, überall und immer wieder in die Menge schießen, den Menschen den Arbeitsplatz nehmen, und so weiter.

Ab und zu springt mal einer mit Skrupeln und Zivilcourage ab. Aber alle anderen spielen ihre Rolle als Soldaten, Polizisten, et cetera weiter. Sie handeln nicht als Individuen, sondern als Teil eines Gewaltapparates, der letztlich außer Gefecht gesetzt werden muss, will man Frieden vor ihm haben.

Es kann sein, dass er irgendwann am Verlieren ist und zusammenbricht, weil ihm die Soldaten, die Polizisten weg- oder überlaufen. Das passiert aber nicht, weil diese Leute ihre innere Haltung, ihre Aggressionsseite überwinden, sondern weil sie merken, dass sie auf der Verliererseite stehen und Angst vor den Folgen haben.

Es geht um die politische Macht. Sie kommt letztlich aus den Gewehrläufen, wie Mao Zedong sagte, und nicht durch die innere Wandlung aller Menschen vom Saulus zum Paulus.

Zu behaupten, wenn sich Menschen zum Widerstand erheben wie zum Beispiel in Rojava, wenn sie zurückschießen wie zum Beispiel in den mexikanischen Städten, wenn sich die Ausgebeuteten, Verdammten und Unterdrückten in der Geschichte immer wieder erhoben und zurückgekämpft haben, dass diese dann „bereits in diese innere Kriegshaltung gezogen“ worden seien und eigentlich keinen Schlag besser wären als ihre Peiniger, so eine Behauptung verdreht die realen Verhältnisse und wäscht en passant das Blut von den Händen der Menschenschlächter.

Man muss für den Frieden kämpfen, mit allen Mitteln, die jeweils angemessen und notwendig sind, zum Beispiel gegen die deutschen Rüstungskonzerne und ihre Waffenproduktion. Die Mittel kann man sich nicht immer aussuchen. Sie werden von den Friedensgegnern, dem Staat, den Propagandamedien, den Macht- und Schaltzentralen der herrschenden Ordnung mitbestimmt.

Angemessen und notwendig ist das, was den breiten Widerstand voranbringt, was konkrete Forderungen durchzusetzen hilft und den Menschen Mut zum Kämpfen macht.

Dieser Mut zum Widerstand, dieses Ankämpfen gegen üble Verhältnisse, dieses Durchsetzen von Forderungen, diese Zivilcourage wird als „innere Kriegshaltung“ beschimpft, aus der auch der überzeugteste Friedensaktivist heraustreten sollte.

Diese Forderung ist eine Untergrabung jeglicher Kampfmoral, das ist kirchlich-religiöse Entschärfung von Widerstand.

Ein „Liebet eure Feinde“ oder „Wenn dich einer auf die linke Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“ ist die innere Kapitulation vor Kriegstreibern, Waffenexporteuren, der Rüstungsindustrie und ihren willfährigen Politikern und Krieg schürenden Geheimdiensten. Deshalb: Liebet eure Feinde nicht!


Foto: Martin Kníže (Unsplash.com).

Historiker

Reinhard Paulsen studierte in den Jahren 1967-1974 Geschichte an der Universität in Kiel und schloss das Studium mit dem Grad eines Magister Artium ab. Danach verließ er das akademische Intellektuellenmilieu und absolvierte eine Schlosserlehre.

Reinhard Paulsen arbeitete als Betriebsschlosser in einer Aluminiumhütte und wechselte 1977 zu einem weltweit tätigen Konzern der Chemischen Industrie, in dem er 35 Jahre bis zu seinem Ruhestand 2012 angestellt war. Seine Arbeit umfasste Schlosser-, Techniker- und Ingenieursarbeit und Tätigkeiten in der Qualitätssicherung und im Reklamationswesen. In all diesen Jahren war Paulsen basisgewerkschaftlich engagiert: sei es als Vertrauensmann, als Betriebsrat oder in der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung, wobei er persönlich kritische Distanz zum Gewerkschaftsmanagement hielt.

2002 kehrte er nach 28 Jahren und parallel zu seiner beruflichen Tätigkeit an die Universität zurück. Er arbeitete ab 2006 an der Universität Hamburg (Fakultät für Geisteswissenschaften) an einem Promotionsprojekt zu hamburgischer und europäischer Schifffahrt im Mittelalter sowie deutscher Forschungsvergangenheit, das er 2014 mit dem Grad eines Dr. phil. in mittelalterlicher Geschichte abschloss. 2013 und 2014 nahm er Lehraufträge in mittelalterlicher Geschichte an der Universität Hamburg wahr.

Von Reinhard Paulsen

Reinhard Paulsen studierte in den Jahren 1967-1974 Geschichte an der Universität in Kiel und schloss das Studium mit dem Grad eines Magister Artium ab. Danach verließ er das akademische Intellektuellenmilieu und absolvierte eine Schlosserlehre.

Reinhard Paulsen arbeitete als Betriebsschlosser in einer Aluminiumhütte und wechselte 1977 zu einem weltweit tätigen Konzern der Chemischen Industrie, in dem er 35 Jahre bis zu seinem Ruhestand 2012 angestellt war. Seine Arbeit umfasste Schlosser-, Techniker- und Ingenieursarbeit und Tätigkeiten in der Qualitätssicherung und im Reklamationswesen. In all diesen Jahren war Paulsen basisgewerkschaftlich engagiert: sei es als Vertrauensmann, als Betriebsrat oder in der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung, wobei er persönlich kritische Distanz zum Gewerkschaftsmanagement hielt.

2002 kehrte er nach 28 Jahren und parallel zu seiner beruflichen Tätigkeit an die Universität zurück. Er arbeitete ab 2006 an der Universität Hamburg (Fakultät für Geisteswissenschaften) an einem Promotionsprojekt zu hamburgischer und europäischer Schifffahrt im Mittelalter sowie deutscher Forschungsvergangenheit, das er 2014 mit dem Grad eines Dr. phil. in mittelalterlicher Geschichte abschloss. 2013 und 2014 nahm er Lehraufträge in mittelalterlicher Geschichte an der Universität Hamburg wahr.

9 Antworten auf „Friedensbewegte – Liebet eure Feinde nicht!“

alles schön und gut. Aber seine Feinde zu hassen und Sprüche zu kloppen bringt auch nichts. In beiden Fällen kommt es auf die Praxis an. Und damit meine ich nicht demonstrieren gehen.

Hallo, Herr Dr. Paulsen,

Ich denke, Sie habe da etwas missverstanden. »Liebet eure Feinde« bedeutet in meinen AUgen nicht, sich ihnen unterwürfig zu zeigen, sondern eben ihre Kompetenz in der Sache zu achten. Wer möchte sich schon mit Dilettanten abgeben? – Denn gerade der, wer etwas von einem Thema versteht, kann erst (schlagkräftige) Argumente hervorbringen für oder gegen eine bestimmte Sicht auf die »Dinge«. Die Rede ist hier von »Kompetenz«! – Die ärgsten Feinde sind doch allemal die, welche ein ähnliches, adäquates Fachwissen innehaben, wie einer selbst. Und dennoch zu einer differenten EInschätzung gelangen. Im Zuge des Slogans »Konkurrenz belebt das Geschäft« möchte ich Sie bitten, noch einmal über das biblische Wort »Liebe Deine Feinde!« zu reflektieren, Soweit meine Einschätzung als Sprach- und Religionswissenschaftler.(Nebenbei auch Philosoph)

Herzliche Grüße aus Berlin,

Dr. Christian Ferch

Ihr Artikel ist eine Bankrotterklärung an die gesamte Menschheit und in soweit kann ich Ihnen folgen. Kaum war der 2.WK vorbei schrie Adenauer schon wieder nach Militärisierung. Und heute stehen wieder deutsche Soldaten vor der russischen Grenze.

Aber Sie können das unendlich zurückverfolgen, es gab immer Kriege, solange es Menschen gibt. Es ist in uns Menschen drin, dieses Gewaltpotenzial. Und durch Gewalt wird es sich nur noch weiter potenzieren, aber es wird nie zu Frieden führen.
Und Ihr Artikel bestätigt genau dieses Phänomen, aber Sie haben ihn nicht zu einem logischen Ende gebracht. Vielleicht aus Angst?

Wenn wir Menschen nach all den Jahrtausenden Evolution, das Wichtigste immer noch nicht verinnerlicht haben, nämlich Gewaltfreiheit und bedingungslose Liebe, so ist unsere sprichwörtliche Menschlichkeit nicht mehr als eine verlogene Farce.

Gewalt kann nicht mit noch mehr Gewalt bekämpft werden, denn Gewalt ist ja bereits Kampf aus dem Gewalt entstanden ist. Mag sein, dass all die „gewaltfreien Friedenstauben“ nicht ausreichen werden, um die perfide, profitorientierte Kriegsmaschinerie weltweit zu stoppen, aber das zeigt dann auch, dass wir Menschen den Überlebenskampf verlieren werden.

Denn es sind nicht nur die immer fortwährenden Kriege, die kein Ende finden, sondern leider hat die Technologie unser “kümmerliches,moralisches Gewissen” überholt, oder anders ausgedrückt, wir haben zwar technologisch Fortschritte gemacht, aber unser Geist hinkt ganz weit hinterher.
Und das könnte ausreichen, dass wir uns nicht nur durch Hightechwaffen vernichten, sondern wir sind auch emsig dabei, diesen Planeten mit all seinen Ressourcen, Lebewesen und Biotopen auszuradieren.

Und so muss man sich ernsthaft die Frage stellen (die logische Konsequenz), hat eine Spezies, die sich selbst, andere und den Lebensraum zerstört, überhaupt noch eine Berechtigung auf ein Fortbestehen?

Liebe/r Morgentau,
vielen Dank für den ernsthaften Kommentar.
Mir sind als erstes folgende Ausdrücke in ihrem Kommentar aufgefallen:
„in uns Menschen drin“ / „wir Menschen“ (2x) / „wir haben … gemacht“ /„unser Geist hinkt nach“ /„wir vernichten uns“/„wir zerstören die Erde“ /„wir sind eine Spezies, die …“ –
Warum schreiben sie immer wieder dieses „wir“? Sie und ich zerstörten nicht die Erde; ihr und mein Geist, behaupte ich mal, hinkt nicht nach; in ihnen und mir stecken doch nicht Krieg und Gewalt drin.
Wir haben nur nicht die Macht, die Dinge anders zu gestalten. Wenn wir die Macht hätten, würden wir etwas ganz anderes tun, würden die Welt ganz anders gestalten – oder wären auch welche von denen die für Profit und Macht Gewalt anwenden gegen friedliche Bevölkerungen und erst recht gegen die, die sich gegen uns wehren würden; – oder?
Es gibt diese „wir Menschen“ in der Geschichte nicht. Oder was haben sie mit Donald Trump, Vladimir Putin, Militärjunten, Diktatoren und Generälen überall auf der Welt oder den Vorstandsvorsitzenden von Goldman&Sachs oder der Deutschen Bank zu tun? Warum identifizieren sie sich über das „wir“ als Mensch mit diesen Menschen? Ich haben mit denen nichts gemein und ich sehe, dass es sich dabei um Mächtige und Verursacher des schlimmen Endes, auf die die Welt zutreibt, handelt, weshalb eine Widerstands- und Friedensbewegung gegen diese verantwortliche Eliteschicht von Herrschenden antreten muss. und zwar nicht gegen die Einzelmenschen Trump & Co. sondern gegen den mächtigen Präsidenten, der den Finger am atomaren Abdruckknopf hat. Da gibt es kein „wir Menschen“ sondern, wie immer in der Geschichte, harten Kampf zwischen oben und unten, herrschenden und beherrschten Klassen, Besitzeliten und ausgebeuteten Massen.
Bitte nicht überweglesen, sondern konkret widerlegen, wenn sie meine Meinung für falsch halten:
„Gesellschaftlich finden knallharte Kämpfe zwischen Interessengruppen statt. Es gibt Klassen, Ausbeutung, auf Besitz basierende Herrschafts- und durch militärische Gewaltapparate gestützte Machtverhältnisse. Diese Klassengräben haben nichts mit dem Einzelmenschen zu tun. … Die Einzelmenschen mit ihrer inneren Zerrissenheit spielen in den gesellschaftlichen Macht- und Klassenkämpfen keine Rolle. Soldaten, Polizisten, Politiker, Unternehmer, et cetera, agieren nicht als treu sorgende Familienväter, nette, hilfsbereite Nachbarn oder gläubige Christen, …“
Stimmt das oder stimmt das nicht?
Ich denke schon, dass ich die Dinge zu einem „logischen Ende“ gebracht habe. Und das logische Ende ist, dass bisher immer die „herrschende Ideologie die Ideologie der Herrschenden“ gewesen ist. Und die fürchten sich davor, dass die Bevölkerungen die Existenz von Klassenherrschaft, ihren Status als Ausgebeutete und, wie es in einem alten Arbeiterlied heißt, „Verdammte dieser Erde“ durchschauen und erkennen, dass offene staatliche und militärische Gewalt dazu da sind, das herrschende System zu schützen, während derweil der Planet ruiniert wird.
Es ist die rein ideologische Ablenkung von diesen Tatsachen, wenn von „der Gewalt, die in den Menschen schon seit Anbeginn drinsteckte“ geredet wird. Damit hätten dann die oberen, verantwortlichen, besitzenden Klassen erfolgreich von sich abgelenkt und alle Schuld länge bei dem schlechten, – die Kirche beschimpft ihn sogar noch als „erbschuldbeladenen“ – Menschen an sich – also auch bei ihnen und mir, und man kann sowieso nichts gegen die gewaltsame Zerstörung der Welt ausrichten, da das nun einmal in „uns allen“, dieser fürchterlichen Spezies, drinsteckt.
Liebe/r Morgentau, bitte überprüfen sie noch einmal für sich selbst, ob sie nicht auch dieser von den wahren Ursachen für die gefährliche Lage der Welt ablenkenden Ideologie von dem „wir Menschen“ aufgesessen sind.
Mit bestem Gruß
R. Paulsen

Hallo R. Paulsen!

Glauben Sie wirklich, dass Korruption, Machtkämpfe, Intrigen, Gewalt und Kriege nur in interessengesteuerten, elitären Kreisen zu finden ist? Das alles findet auf allen menschlichen Daseinsebenen statt. Und natürlich hat es was mit Einzelmenschen zu tun, denn jeder kann sich dafür, oder dagegen entscheiden. Viele Einzelmenschen ergeben eine Gruppe.
Im Kleinen wie im Grossen.
Geben Sie irgendeinem Einzelmenschen auf dieser Welt uneingeschränkte Macht und Sie können zusehen, wie schnell er sich verändert. Macht korrumpiert. Und je mehr Macht er hat, umso mehr Einzelmenschen, vielleicht noch gutmütig, sammelt er um sich herum. Das meine ich u.a. damit, wenn ich vom menschlichen Gewaltpotenzial spreche. Und da Sie Geschichte studiert haben, werden Sie bestimmt unzählige Beispiele finden.

Mag sein, dass Sie und ich nicht in der Lage sind Kriege zu führen, aber Sie sind immerhin bereit für den Frieden zu kämpfen. Wie weit darf ein Kampf gehen, um für die „gute Sache“ noch legitim zu sein? Und ist kämpfen für den Frieden nicht ein Paradoxon, genauso wie, Friedenstruppen/Soldaten/Rebellen?

Und wer sind die da oben, die Politiker, Generäle, Diktatoren? Mag sein, dass einige Menschen (u.a. Sie und ich) diese nicht gewählt haben, aber sie sind auch keine unerreichbaren Abstraktionen die aus dem Nichts aufgetaucht sind. Zumindest hat ein Teil der Bevölkerung
(viele Einzelmenschen) sie zugelassen und so lange sie an der Macht sind, werden sie geduldet.(Siehe Merkel – keiner hat sie gewählt… ;-) )

Ich spreche von wir (weiter unten mehr), weil wir uns in Wirklichkeit nicht allzu sehr von „DENEN“ unterscheiden und zwar u.a. deshalb, wenn wir versuchen sie mit Gewalt und Hass zu entfernen, also uns dergleichen Mittel bedienen. Sie schreiben, wir haben nicht die Macht, keine anderen Möglichkeiten als harte Kämpfe. Doch das ist nicht richtig. Wir haben die Macht, jeder einzelne von uns und alle zusammen sind wir „diese Menschheit“. (Im gewissen Sinne haben sich die DDR-Bürger gewaltfrei befreit, obwohl sie eigentlich nur korrupte Systeme getauscht haben. Aber sie hatten eine Wahl/Macht, innerhalb ihrer Konditionierung.… ;-) )

Bisher nutzen wir nur die konditionierte/eingeschränkte Macht, dem bisherigen Treiben weiterhin einfach nur zuzusehen und bis zur Verblödung zu konsumieren. Durch unseren Konsum bereichern wir die Konzerne, die wiederum Einfluss auf die Politik nehmen und alle zusammen leben WIR auf Kosten der so genannten „3. Welt“. Allein diese Bezeichnung zeigt unsere Arroganz und Ignoranz gegenüber Menschen, die eine andere Kultur leben.
Aber damit nicht genug, durch unsere Steuern finanzieren wir die Kriege, die unsere Regierungen (irgendeiner wird sie ja gewählt haben) führen, gegen die Armen dieser Welt und rechtfertigen es mit Terrorbekämpfung. Und sind deutsche Soldaten nicht auch wir, oder sind sie gezwungen worden? Übrigens, bis auf eine linke Partei (ist aber auch egal), haben alle für weitere Auslandeinsätze unserer Bundeswehrsoldaten gestimmt. Was haben Sie gewählt?

Dadurch, dass Sie sich abgrenzen, „von denen da oben“, verschlimmern Sie das Problem nur. Wenn nicht alle bereit sind die Verantwortung dafür zu übernehmen und nur sagen, die da, wird sich nichts ändern. Und was noch viel schlimmer ist, dann haben wir wirklich keine Macht mehr, weil wir sie abgegeben haben zusammen mit unserem Herz und Verstand.

Aber wir haben Macht! Und zwar in dem wir uns verweigern! Sie können dieses System nicht bekämpfen, das würde nicht nur weiteres Leid hervorbringen, sondern auch weiterhin Gegner generieren, die Sie wieder bekämpfen müssten. Wie lange wollen Sie noch kämpfen? Sie haben doch Geschichte studiert. Haben Kriege und Gewalt jemals Kriege verhindert? Warum haben wir dann immer noch keinen Frieden, dafür aber gewaltbereite Friedenstruppen? ;-) Und hat uns all das nicht dahin geführt wo wie heute stehen?

Wollen Sie, ich, wir alle wirklich etwas verändern? Dann sollten wir endlich damit anfangen die Gewalt und den Hass aus unseren Herzen zu verbannen. Nutzen wir endlich sinnvoll unsere uneingeschränkte Macht, indem wir die Politiker, Konzerne, Priester, Institutionen einfach nicht mehr unterstützen und boykottieren! Geht nicht mehr wählen, konsumiert nicht jeden Dreck, ernährt euch gesund, braucht man wirklich einen 2. und 3. Wagen? Lehrt Philosophie schon in der Grundschule, gebt eure Kinder nicht ab dem 1. Lebensjahr in der Kita ab, lehrt eure Kinder Systemunabhängigkeit. Arbeitet nur soviel, wie zum Leben benötigt wird und entzieht der Staatsmacht so die Steuern. Arbeit macht nicht frei und ist auch nicht sozial. Vernichtet eure Fernseher und Smartphones, meidet Plastik. Kauft kein gequältes, vergiftetes Massentierfleisch, am besten gar kein Fleisch. Lasst euch nicht den Mund verbieten durch Zensur oder fadenscheinigem Copyright. Zeigt Polizisten und Behörden, dass sie zuerst (Einzel-)Menschen sind und nicht der Feind Schickt eure Kinder nicht zum Militär! Unterbindet Klassenunterschiede und soziale Ausgrenzung und und und…. Es gibt so vieles was man „passiv tun“ kann, ohne Gewalt. Jeder kann das tun und weitersagen. Wir sind das Volk, nur wir haben die Macht! Wie kann es sein, dass 99% der Menschen sich unterwerfen und erniedrigen? Weil sie nicht zusammenhalten. Spalte und herrsche. Rechts, links, reich, arm, Klassenunterschiede gibt es nur deshalb, ansonsten ist es eine Illusion. Und das lässt sich nicht durch Gewalt lösen, sondern nur durch Zusammenhalt.

Das System kann nur von innen heraus (wir sind die Stütze des Systems) ausgehöhlt, lahmgelegt werden, indem wir einfach nicht mehr mitmachen und nicht mehr unsere Energie verschwenden. Und dabei habe ich noch nicht einmal von wir alle gesprochen, sondern nur vom „Wohlstands –Deutschland“.
Doch wir sind schon mehr als 7 Milliarden Menschen auf diesem Planeten, von denen fast 6 Milliarden nicht annähernd den Komfort geniessen, von dem ich oben gesprochen habe.

(Ich habe es nicht überweglesen ;-) )
Sie mögen darin verschiedene Interessengruppen und Klassenkämpfe entdecken, das ist bestimmt richtig, aber wenn mehr als 2/3 der Weltbevölkerung nicht genug zu essen, sauberes Wasser, geschweige denn ein Dach über dem Kopf hat, dann ist wohl das vordergründigste Interesse dieser Menschen das Überleben, besonders, wenn wir gegen diese Regionen Kriege führen, damit wir uns auch morgen noch das neueste Handy, oder einen vollelektronischen SUV leisten können.

Verstehen Sie was ich meine? Sie sagen zwar, dass Sie nichts mit den Kriegen von denen und mit denen da oben zu tun haben, aber Sie finanzieren und stützen sie auf irgendeine Art und Weise mit. Sie leben in diesem System, wie kann es sein, dass Sie nichts damit zu tun haben? Und das meine ich u.a., wenn ich von WIR spreche.

Und wenn ich das alles nicht mehr sehe, dann stimme ich Ihnen bis zu einem gewissen Grad zu, wenn Sie behaupten:“ Damit hätten dann die oberen, verantwortlichen, besitzenden Klassen erfolgreich von sich abgelenkt.“

„Das logische Ende ist, dass bisher immer die „herrschende Ideologie die Ideologie der Herrschenden“ gewesen ist.“ Das ist richtig und warum ist das nach Jahrtausenden immer noch so? Sie als Historiker sollten es wissen. Aber das ist nicht das logische Ende, von dem ich im ersten Posting gesprochen habe.
Das logische Ende wäre, – wenn wir nicht in der Lage sind, uns zu einer gewalt- und herrschaftsfreien Gesellschaft, die weder von Profit, Ehrgeiz und Macht getrieben wird, entwickeln, – dann sollten wir uns ernsthaft fragen, was für einen Sinn es hat, so weiterzumachen, wie all die Jahrtausende zuvor? Obwohl das gar nicht mehr möglich ist, denn wir haben den ökologischen Bogen schon weit überspannt und dann sind politische Konflikte eh nicht mehr relevant.

WIR ALLE SIND verantwortlich für diese Welt in der WIR leben! Und nicht aus einem Schuldbewusstsein heraus, sondern aus Verantwortung für die Umwelt und die noch kommenden Generationen!

In diesem Sinne würde ich mir wünschen, wenn Sie dieses Posting nicht nur als ideologische Ablenkung betrachten, sondern eventuell für sich mal verifizieren, inwieweit Sie in dieser Welt mit all ihren Geschehnissen involviert sind und ob es vielleicht andere Möglichkeiten gibt, als Gewalt mit Gewalt und Hass zu bekämpfen.

Es mag eine Weltanschauung von vielen sein, aber es ist mit Sicherheit keine Ablenkung.

Entspanntes Wochenende…

Liebe/r Morgentau,
Leider muss ich sie so anreden, da ich nichts von ihnen weiß. Da haben sie mir etwas voraus, denn mein Autorenprofil ist ja der Neuen Debatte zu entnehmen.
Andererseits, ohne ihnen zu nahe treten zu wollen, kann ich ihrer Argumentation schon entnehmen, dass sie kein gewöhnlicher Arbeiter oder Angestellter aus der Produktion z.B. eines Großbetriebes oder ein Handwerker aus einem Klein- oder Mittelbetrieb sind. „Braucht man wirklich einen 2. Und 3. Wagen?“ „Gebt eure Kinder nicht in der Kita ab“, „arbeitet nur so viel, wie zum Leben benötigt wird“, „entzieht der Staatsmacht dadurch Steuern“. … Ein normaler Arbeitnehmer bei mir in Hamburg ist von seinem Lohn/Gehalt nicht in der Lage, den Lebensunterhalt für eine Familie mit Kindern allein beizubringen (wenn er denn Arbeit hat). Die Frauen müssen auch arbeiten, die Familie braucht eine Kita, nicht weil die Familie „auf Kosten der so genannten „3. Welt „bis zur Verblödung konsumieren“ und Steuern zahlen will, damit „unserer Soldaten“ in Mali aufräumen. Ich empfinde solche Argumente gegenüber der Mehrheit der Familien in diesem Land als zynisch.

Aber lassen wir das, das war nicht das Thema.
Unsere, im Übrigen klärende Diskussion fängt an, den Rahmen von Kommentaren in der Neuen Debatte zu sprengen. Ich denke, wir haben zumindest unsere Standpunkte ausgetauscht, wobei wir in vielen Punkten ganz unterschiedliche Gewichtungen haben und ziemlich aneinander vorbeireden.
Sie versuchen mir klarzumachen, dass ich auch in diesem System lebe und deshalb mich schuldig mache, dass ich, wenn ich Hitler gewesen wäre, wahrscheinlich auch Juden vergast hätte, und dass, wer in bestimmten Teilen dieser Welt bereits um das nackte Überleben kämpft, wenn er sich gegen Rauschgiftmafias und religiöse-fanatischer IS-Banden bewaffnet zur Wehr setzen muss, „endlich damit anfangen sollte, die Gewalt und den Hass aus unseren Herzen zu verbannen“. Wieder so ein Zynismus z. B. gegen die Kurden in Rojava, die von allen Seiten angegriffen werden.
Ja, es ist bitter, dass die Welt so ist, wie sie ist. Und nun? Nun bieten sie als Ausweg aus dem krisenhaften Zusammenbruch des Planeten einen astreinen alternativen Lebensstil an, der ja überhaupt nicht verkehrt ist und ich selbst von meinen Kindern da einiges zu lernen habe.
Aber in meinen Augen wird das zu einem bürgerlich-gutsituierten Strohhalm hochstilisiert. Man sich klammert an ihn als Ersatz für politischen, und, wenn die Dinge – wie schon so oft in der Geschichte ¬– sich zuspitzen auch gewaltsamen und kriegerischen Widerstand (Vietnam, Volksbefreiungskriege, die Résistance gegen die Besetzung Frankreichs, die Attentäter gegen Hitler, die Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg, die mittelalterlichen Bauernrepubliken an der Küste gegen Kreuzzüge der Kirche zu ihrer Unterwerfung, die Sklavenaufstände im Altertum (Spartakus), etc. etc.).
Wenn mir jemand schreibt: „unterbindet die Klassenunterschiede und soziale Ausgrenzung“, dann sollte er ein wenig auf Ökonomie, Soziologie und Geschichte zurückgreifen, um zu verstehen, dass man Klassen nicht „unterbinden“ kann. Sie haben dreimal ein wenig suggestiv betont, ich sei doch Historiker und müsse eigentlich begreifen, was sie mir sagen wollen.
Ich habe in der Neuen Debatte schon mehrfach ausführlich den Gang der Geschichte, der Klassengesellschaft, der Klassenkämpfe und der Ausbeutung von Millionen von Einzelmenschen durch kleine besitzende Elitegruppen von Einzelmenschen dargelegt und erklärt, mit welchen Mitteln es einer herrschenden Klasse, bestehend lauter besitzenden Einzelmenschen immer gelungen ist, die unteren Massen von Einzelmenschen, die alle nichts besaßen, massiv auszubeuten. Wenn sie Lust und Interesse haben, lade ich sie ein, da mal hineinzuschauen:

> NEUE DEBATTE – Magazin, Nr. 1 zum Downloaden:
https://neue-debatte.com/magazin/

> „Modern Times: Vom ersten Feuer bis zum hochgetunten Homunculus“
https://neue-debatte.com/2017/06/16/modern-times-vom-ersten-feuer-bis-zum-hochgetunten-homunculus/

> „Das christliche Abendland – Nicht verteidigungswert!“
https://neue-debatte.com/2017/02/23/das-christliche-abendland-nicht-verteidigungswert/

> Der Vierteiler „Realität und Perspektive“
https://neue-debatte.com/category/kompass/

Liebe/r Morgentau, vielleicht begegnen wir uns ja einmal auf einer Diskussionsveranstaltung, die wir auch wieder für 2018 planen und die wir selbstverständlich dann in der Neuen Debatte ankündigen werden.

Mit freundlichem Gruß
R. Paulsen

Unsere Art und Weise des Vorgehens ist unsere stärkste “Waffe”. Wenn sich unsere Art nicht von der der Gegner unterscheidet, gehören wir im Grunde zur selben Art. Wie sollen wir einander “lieben” und gleichzeitig die Gegner abgründig hassen?
Ich mache außerdem einen Unterschied, wie ich mich gegen den anonymen Feind wehre, und wie ich eine einzelne Person, die mein Gegner ist, behandle. Dem anonymen Feind kann ich kein Verständnis entgegenbringen, dem einzelnen Gegenüber vielleicht schon.
Und noch grundsätzlicher: Es gibt doch nicht nur Gut und Schlecht, Gute und Schlechte. Auf die extrem menschenverachtenden Gegner brauche ich nicht eingehen. Aber es gibt viele “Gegner” dazwischen. Etwa solche, die als Mitläufer meistens mir entgegenstehen, die ich aber nicht allesamt in die “Hölle” verweisen muss.
Und noch eine letzte Differenzierung: Manchmal geht es um Sekunden. Da muss ich mich einfach effektiv zur Wehr setzen, fast egal, mit welchen Mitteln. Aber wenn ich Zeit habe, kann ich abstufen, kann ich die Zeit nutzen, etwa zu überzeugen.

Lieber Gerhard Kugler,
Bitte lesen sie meine Stellungnahme zum Kommentar von Morgentau. Eigentlich ist das auch ein Stück weit an sie gerichtet. Vielen Dank
R. Paulsen

Vielleicht reden bzw. schreiben wir aneinander vorbei. Ich stoße mich halt an Begriffen, Sie sich vielleicht auch. Aber ich versuche es nochmal:
Sie schreiben: “Es geht um die politische Macht. Sie kommt letztlich aus den Gewehrläufen, …” und dann “Man muss für den Frieden kämpfen, mit allen Mitteln, die jeweils angemessen und notwendig sind…”
Was steckt denn hinter diesen zentralen Begriffen? Was ist denn “Kämpfen”? Ich sehe in der Geschichte immer wieder Fordern, Fordern, Fordern oder dann halt tätlich werden. Meines Erachtens führt das zu nichts Ersehntem.
Ich bin auch gegen die Innenwendung, den inneren Frieden, der dort bleibt. Er ist Rückzug und Produkt der Vereinzelung unseres derzeitigen Systems.
Ich habe meine Vorstellungen in meinem Artikel “Aus psychologischer Perspektive: Gegen die Ratlosigkeit in der Demokratie” (20.11.17 hier auf dieser Seite) dargelegt. Meine Art des Kämpfens ist in erster Linie der Aufbau alternativer Strukturen. Und die bauen auf Zusammenwirken, jedenfalls nicht auf Gewalt.

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