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Yuriko Yushimata – Computerspiele

Die Welt ist in Gefahr! Das Pacman-Syndrom breitet sich rasend schnell aus. Ein Land nach dem anderen fällt ihm zum Opfer. Flummiviren beherrschen die Straßen. Das letzte Bollwerk ist das nationale Ping-Pong-Team!

Almut hatte, obwohl ihr Enkel zu Besuch war, den Kaffeekranz nicht abgesagt. Was sollte es, der Kleine spielte sowieso die ganze Zeit mit seinen Computerspielen.

Bella schüttelte gerade den Kopf. “Da muss man sich nicht wundern.”

Marlies stimmte ihr zu. “Sicher, die Kinder spielen die ganze Zeit diese Spiele, und dann gehen sie in die Schule und erschießen ihre Mitschüler. Dit kommt von dat, das hat schon mein Vater immer gesagt.”

“Aber die Eltern heute erlauben den Kindern ja alles”, ergänzte Margret, zuckte mit den Schultern und ließ sich noch ein Stück Torte geben. “Aber bitte die fettreduzierte.”

Missbilligend schauten Almuts Freundinnen auf die Tür zum Zimmer ihres Enkels, aus der die Geräusche eines Computerspiels zu hören waren.

Almut schenkte allen noch etwas entkoffeinierten Kaffee nach. Sie wackelte etwas unsicher lächelnd mit dem Kopf und blickte zur Tür des Zimmers ihres Enkels Lars. “Ach, das ist eigentlich gar kein richtiges Computerspiel, das Lars da spielt. Das ist schon so alt und ganz harmlos – Pacman. Das hat schon mein Sohn früher gespielt.”

Ihre Freundinnen sahen Almut nachsichtig an und gingen zu einem anderen Thema über.

Niemand bemerkte es, als sich die Tür zum Wohnzimmer öffnete. Plötzlich stand Lars im Raum, seine Bewegungen wirkten seltsam starr. Almut sah ihn an. “Na, was ist denn? Möchtest Du auch ein Stück Kuchen?”

Doch Lars blieb einfach starr stehen. Dann fing sein Körper an zu zucken und er krampfte sich zusammen. Plötzlich übergab er sich. Doch was dort aus seinem Mund kam, überstieg das Begriffsvermögen von Almut und ihren Freundinnen.

Lauter schwarze kleine Flummis mit kleinen spitzen Zähnen und Knopfaugen, die wie wild im Zimmer auf und ab sprangen.

Marlis war die erste, die sich fasste. Sie setzte an zu reden. “Was …”

Doch das hätte sie besser nicht getan, denn kaum hatte sie den Mund geöffnet, verschwanden schon mehrere Flummis in der Öffnung. Kurz darauf lag Marlis schreiend am Boden, weitere Flummis nutzten die Gelegenheit. Der Schreck ließ auch die anderen Kaffeegäste ihren Mund öffnen. Nach zehn Minuten war alles vorbei.

Die Flummis waren in den Leibern der Frauen verschwunden.

Nach kurzer Zeit standen die Frauen wieder auf. Doch dies waren nicht mehr die Frauen von vorhin. Mit starrem Blick, ohne zu reden, machten sie sich auf den Weg auf der Suche nach weiteren Menschen. Das Pacman-Syndrom, wie es in den Medien bald genannt wurde, breitete sich rasend schnell aus. Ein Land nach dem anderen fiel ihm zum Opfer.

Die Flummis konnten auch schwimmen.

Natsuki betrank sich. Es war zu spät. Sie hatte bereits vor zehn Jahren versucht, die Menschen zu warnen. Doch niemand hatte auf sie gehört. Nicht nur Kinder wurden durch Computerspiele verändert, auch die Viren lernten dazu.

Irgendwann hatte es soweit kommen müssen.

Die Viren hatten die Muster von Pacman übernommen. Und die Menschheit wurde im wahrsten Sinne des Wortes überrollt. Erst Deutschland, dann Europa, die USA und jetzt Japan.

Als die schwarzen Flummiviren die Straße herabströmten, ging sie ihnen entgegen.

Es war egal, alles egal.

Doch dann sah sie die Frauen. Ihr Trainingscenter war hier um die Ecke. Es war das nationale Ping-Pong-Team. Sie hatten sich als Barriere gegen die Flummiviren auf die Mitte der Straße gestellt.

Der Kampf war furios und doch umsonst. Eine Spielerin nach der anderen wurde überwältigt.

Dann war nichts mehr zwischen ihr und den grinsenden schwarzen Flummis.

Natsuki brach der Schweiß aus, endlich wachte sie auf.

“Scheiß Traum.”

Der Computerbildschirm flimmerte noch. Sie hatte bis spät in die Nacht Pacman gespielt, um sich abzulenken.

Natsuki holte sich ein Glas Wasser, schaltete den PC aus und legte sich wieder schlafen.
Sie lachte beim einschlafen.

Den kleinen schwarzen Flummi mit spitzen Zähnen, der schnell unter einem Schrank verschwand, übersah sie.


Foto: Rebecca Oliver (Unsplash.com).

Yuriko Yushimata wurde als Distanzsetzung zur Realität entworfen. Es handelt sich um eine fiktionale und bewusst entfremdete Autorinnenposition, die über die Realität schreibt. Die SoFies (Social Fiction) zeigen in der Zuspitzung zukünftiger fiktiver sozialer Welten die Fragwürdigkeiten der Religionen und Ersatzreligionen unserer Zeit. Teilweise sind die Texte aber auch einfach nur witzig. Sie befindet sich im Archiv der HerausgeberInnengemeinschaft Paula & Karla Irrliche (www.irrliche.org). Spiegelung und Verbreitung der Texte sind ausdrücklich gewünscht!

Von Yuriko Yushimata

Yuriko Yushimata wurde als Distanzsetzung zur Realität entworfen. Es handelt sich um eine fiktionale und bewusst entfremdete Autorinnenposition, die über die Realität schreibt. Die SoFies (Social Fiction) zeigen in der Zuspitzung zukünftiger fiktiver sozialer Welten die Fragwürdigkeiten der Religionen und Ersatzreligionen unserer Zeit. Teilweise sind die Texte aber auch einfach nur witzig. Sie befindet sich im Archiv der HerausgeberInnengemeinschaft Paula & Karla Irrliche (www.irrliche.org). Spiegelung und Verbreitung der Texte sind ausdrücklich gewünscht!

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