Der Kapitalismus, und da hilft nicht einmal mehr die wohlwollenste Betrachtung, zerstört die Welt. Er verdaut sie in seinem Magen-Darm-Trakt aus entarteter Profitgier und Wachstumswahn.
Die Übelkeit verursachenden Ausscheidungen bestehen aus sozialer Spaltung, Massenarbeitslosigkeit, explodierender Armut, Fremdenfeindlichkeit, Umweltzerstörung und dem Elend zahlloser Kriege, deren gegenwärtige Höhepunkte auf den Killing Fields im Nahen Osten zu finden sind. Jeder, egal in welchem Winkel der Welt, hat den Gestank der Verwesung bereits in der Nase.
Auf welche Seite der Barrikade gehört der aufgeklärte Mensch? Auf die Seite der Vernunft sollte man annehmen. Doch dem ist nicht so. Die Anpassung, die Verbeugung vor der Funktionalität in einer immer weniger funktionierenden Gesellschaft treibt große Teile der ökonomisch abgehängten Schichten in die Gleichgültigkeit.
Die Kleinbürger, die sich als Mittelstand verstehen und sich an der Bio-Fleischtheke der Discounter innerlich wegen ihrer Fortschrittlichkeit abfeiern, schmiegen sich durch Jubelgeschrei oder durch Tuschelei hinter vorgehaltener Hand an die Zerstörer der Erde an, statt ihnen in den Arm zu fallen.
Die Hand der Kriegstreiber zu beißen, sie auszugrenzen und ihnen die Rote Karte ins Gesicht zu halten, ist zugegeben schwerer, als Nein zu sagen. Nein! Nein! Nein! Der angepasste Charakter sagt … Nichts sagt er. Der Verantwortung ist spätestens Genüge getan mit der Versendung elektronischer Bittbriefe an seine Herren.
Jenen Funktionsträgern des Kapitalismus, die Heimatministerien eröffnen, ihre feuchten Tagträume von geschlossenen Grenzen in einer globalisierten Welt verbalisieren und schmutziges Kriegshandwerk als brauchbares Lösungsmittel für die Beilegung von Konflikten ansehen.
Lächelnd fast, den Tod für andere Menschen zu fordern, aber selbst zu feige, in die Schützengräben zu steigen, wohl dennoch innerlich fähig, in die Rolle des von Schuld befreiten Schlächters zu schlüpfen, der einen Knüppel in die Hand nimmt, um einem Kind in Afghanistan, einer Schwangeren im Jemen oder einem Greis in Syrien persönlich den Schädel einzuschlagen.
“Je primitiver das menschliche Wesen ist, desto mehr glaubt es an sich selbst”, soll Erich Maria Remarque geschrieben haben. Das Wort irrt nicht. Diese feine Riege ist der moralische Bodensatz einer sich in Auflösung befindlichen Gesellschaft, die keine Werte mehr kennt und jede Haltung aufgegeben hat, die nur im Ansatz mit Verantwortungsbewusstsein in Einklang zu bringen wäre.
Ein politischer Gegenpol ist in den Parlamenten nicht auszumachen. Seit dem Siegeszug der Unaussprechlichen, durch die die braune Ursuppe wieder offen aus der Terrine der Herrenmenschenideologie gelöffelt werden darf, ist jeder Sozialspalter, jeder Scharfmacher, jeder gekaufte Lobbyist, jeder Waffenhändler und jeder Kriegshetzer ein lupenreiner Demokrat.
Ihre Frontvermischung, heiliggesprochen in den Medienkritiken der Schönfedern des Feuilleton, findet regelmäßig in einer der vielen belanglosen Polit-Talks-Shows statt, wo Vertreter angeblich klar abgrenzbarer politischer Positionen ihre Standardsätze aufsagen, die sozial Schwächsten nach politischer Wetterlage ver- und standrechtlich aburteilen, um sich nach getaner Arbeit zum Erinnerungsfoto selbst mit den Feinden der freien Gesellschaft verschrauben zu lassen.
Man kennt sich eben, ist links wie rechts unter “Kollegen” und da fällt jede Art der Berührung leicht, selbst die der Unberührbaren. Das ist die echte Querfront; geschlossen in einer Sache: Hurra, wir haben den Souverän verarscht.
Die substanzielle Auseinandersetzung, die der Souverän bei sich selbst und im Kopf der anderen suchen kann, lautet: Erhalt oder Abschaffung des Kapitalismus und seiner Mordinstrumente. Diese Entscheidung steht an, obgleich die Antwort aus rein existenziellen Gründen feststehen sollte.
Es gilt für den Souverän, den Weg zur Macht zu finden, um den Wahnsinn zu beenden, bevor dieser alles beendet. Dies kann nur eine Massenbewegung bewerkstelligen, die sich emanzipiert von Parteien, Verbänden, Organisationen und Ideologien – und die vor allem dem Gestank der Verwesung entschlossen und konsequent mit einem neuen sozialen, humanitären und friedlichen Gesellschaftsmodell begegnet.
Foto: Annie Spratt (Unsplash.com).
Gunther Sosna studierte Psychologie, Soziologie und Sportwissenschaften in Kiel und Hamburg. Er war als Handballtrainer tätig, arbeitete dann als Journalist für Tageszeitungen und Magazine und später im Bereich Kommunikation und Werbung. Er lebte hauptsächlich im europäischen Ausland und war international in der Pressearbeit und im Marketing tätig. Sosna ist Initiator von Neue Debatte und weiterer Projekte aus den Bereichen Medien, Bildung, Diplomatie und Zukunftsfragen. Regelmäßig schreibt er über soziologische Themen, Militarisierung und gesellschaftlichen Wandel. Außerdem führt er Interviews mit Aktivisten, Politikern, Querdenkern und kreativen Köpfen aus allen Milieus und sozialen Schichten zu aktuellen Fragestellungen. Gunther Sosna ist Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens und tritt für die freie Potenzialentfaltung ein, die die Talente, Fähigkeiten und die Persönlichkeit des Menschen in den Mittelpunkt stellt, ohne sie den Zwängen der Verwertungsgesellschaft unterzuordnen. Im Umbau der Unternehmen zu gemeinnützigen und ausschließlich dem Gemeinwohl verpflichteten sowie genossenschaftlich und basisdemokratisch organisierten Betrieben sieht er einen Ausweg aus dem gesellschaftlichen Niedergang, der vorangetrieben wird durch eine auf privaten Profit ausgerichtete Wirtschaft, Überproduktion, Kapitalanhäufung und Bullshit Jobs, die keinerlei Sinn mehr haben.
3 Antworten auf „Im Westen nichts Neues: Der Gestank der Verwesung“
Hat dies auf form7 rebloggt und kommentierte:
Das Ende der Courteoisie!
Der Artikel bringt es auf den Punkt, aber welche Massenbewegung soll den Wahnsinn stoppen? Die elitären Herrscher werden sich nicht durch Demos vertreiben lassen. 60 Jahre Friedensbewegung haben Kriege nicht verhindern können, im Gegenteil, sie sind schlimmer als zuvor und man spricht sogar von einem 3.WK. (Obwohl der eigentlich seit Jahren zugange ist, nur nicht im eigenen Land.)
Gewalt, scheint die einzige Sprache zu sein, worauf Politiker und Militärs reagieren, aber würde das wirklich etwas ändern? Wer bereit ist Gewalt einzusetzen wird keine friedliche Welt hervorbringen. Das hat die Menschheitsgeschichte bis auf den heutigen Tag eindrucksvoll bewiesen.
Was bleibt ist der Boykott. Verweigern wir uns friedlich, bringen wir die kleinen Zahnräder zum Stillstand. Kaufen wir keine Autos mehr, zahlen wir unsere Sozialabgaben direkt an die Bedürftigen, fliegen wir nicht mehr in den Urlaub, kaufen keine Smartphones mehr, essen kein Fleisch, konsumieren wir keine Produkte aus der „3. Welt“, schicken wir unsere Kinder nicht mehr zum Militär….
Uhps, dafür wird man wohl auch keine Massen mobilisieren können.
„Es gilt für den Souverän, den Weg zur Macht zu finden, um den Wahnsinn zu beenden, bevor dieser alles beendet.“
Vielleicht ist das Grundübel ja dieser so genannte träge Souverän, wie sonst war es möglich über Jahrtausende hinweg immer wieder eine unmenschliche Herrschaftsform gegen eine andere auszutauschen? Vielleicht gibt es diesen Souverän gar nicht?
Ja Morgentau
Den Souverän gibt es.Nur hat Der den Kopf immer unten beim fressen, wenn die Stelle
leer gefressen ist, zieht Er weiter zum nächsten Herrschaftsbereich und frisst weiter!
Solange Jede Herrschaftsform, egal welche, immer für genug Futter sorgt, ist es den
“Souverän” scheissegal, was die “Herrschaften so treiben. Den Eindruck hat man,
wenn man diese Heutige Welt beobachtet!