Mit den nächtlichen Luftschlägen von USA, Frankreich und Großbritannien auf syrische Ziele, die vermeintlich mit der Produktion von Chemiewaffen in Zusammenhang gebracht werden können, hat sich die Anzahl der völkerrechtswidrig kriegerisch betätigenden NATO-Mitglieder auf die Zahl Vier erhöht.
Mit den USA, Frankreich und Großbritannien sind die Mächte beteiligt, die, wie im Falle Libyens, als die zentrale Achse des Regime-Change bezeichnet werden können. Mit der Türkei hat sich eine vierte Macht dazugesellt, die einen inneren Konflikt durch kriegerische Aktionen im Nachbarland lösen will. Die türkische Aggression gab als Grund die bloße Existenz der kurdischen Ethnie im Nachbarland an. Die anderen drei erzählten eine Geschichte, deren Faktizität nicht erwiesen ist. Reden wir nicht weiter von Werten. Reden wir von Macht und Raub.
Genau zu dem Zeitpunkt, als in Syrien die terroristischen Verbände sogenannter „Rebellen“ vertrieben und eliminiert wurden, genau zu dem Zeitpunkt, an dem eine Perspektive für einen inner-syrischen Frieden entstanden war, genau zu diesem Zeitpunkt greift die Regime-Change-Achse ein.
Damit ist wieder einmal klar, es geht weder um Giftgas noch um Frieden. Es geht darum, wenn man die syrische Regierung schon nicht stürzen kann, dann soll wenigstens ein fragiler Zustand beibehalten werden.
Wer diese sehr strategischen, auf geografische Vorteile bedachte und auf Ressourcen spekulierende Politik mit Werten der Aufklärung, aus denen demokratische Rechtsstaatlichkeit entwuchs, verkaufen will, der muss selber gewaltig den Überblick verloren haben oder mit einem völlig hirnlosen Publikum rechnen.
Was wir sehen, wieder einmal, ist die dreckige Seite des Imperialismus, der von alleine dafür sorgt, dass die wunderbare „Werte-Gemeinde“ des Westens global immer weiter diskreditiert wird. Diese Politik, die über die jeweils betroffenen Länder nichts anderes als Unsicherheit, Krieg und Untergang gebracht hat, als das Ehrenwerte des Westens zu charakterisieren, ist ein Zynismus, der nur Wesen entspringen kann, die ihrerseits selbst an nichts mehr glauben.
Sie verfügen über das Geheimnis, das Dostojewski [1] so wunderbar bei der Figur des Großinquisitors lüftete: Er selbst, der Großinquisitor, glaubt nicht an Gott! [2] Und so glauben diese ganzen Nachtschattengewächse wie Trump, May und Macron selbst nicht an den Schmalz, den sie verschmieren. Und so wie sie sind, sollten sie auch verhandelt werden.
Die NATO ist der erste Punkt, über dessen Existenz gesprochen werden muss. Sie hat sich in doch recht kurzer Zeit zu einem aggressiven Kriegsbündnis gemausert. Da sollte auch nicht mehr lange darum herumgeredet werden. Die Mitgliedschaft in einem solchen Bündnis schließt die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland kategorisch aus.
Die logische Konsequenz ist der sofortige Austritt. Die weitere Logik erfordert eigene, auf die Verteidigung beschränkte Aktivitäten bezüglich der eigenen Streitkräfte. Das wäre eine Mammutaufgabe, da das Surfen im Windschatten des US-Imperiums bequemer war und zu einer Operettenarmee geführt hat.
Es stellt sich die Frage, ob nur ein Mitglied der Großen Koalition auf die Idee gekommen ist, dass das, was sich da im Namen der NATO tut, und das, was die Regime-Change-Koalitionäre zum wiederholten Male verbrechen, in Einklang mit dem eigenen Auftrag steht. So wie es aussieht, besorgen die Vorgänge dort niemanden.
Das heißt, diese Regierung ist genauso obsolet wie die NATO. Das sehen auch andere Kräfte so. Es stellt sich die Frage, ob diese Regierung nicht nur sich, sondern auch gleich das demokratische System mit demontiert oder nicht.
Quellen und Anmerkungen
[1] Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821-1881) war ein russischer Schriftsteller. Zu seinen bedeutendsten Werken zählen “Schuld und Sühne”, “Der Idiot”, “Die Dämonen” und “Die Brüder Karamasow”. ↩
[2] Der Großinquisitor ist das fünfte Kapitel des fünften Buches aus dem Roman “Die Brüder Karamasow” von Fjodor Dostojewski. Es wurde auch separat unter demselben Titel veröffentlicht. “Die Brüder Karamasow” war Dostojewskis letzter Roman. Er verfasst ihn zwischen 1878 und 1880. ↩
Foto: Rob Walsh (Unsplash.com).
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
3 Antworten auf „Die Regime-Change-Achse und der Großinquisitor“
Volle Zustimmung. Als Vorteil der jetzigen Lage sehe ich, dass die Wertelosigkeit der westlichen Spitzen immer noch deutlicher wird. Handlung und Geschwafel. Der Unterschied müsste auch dem wenig Informierten immer mehr auffallen.
G.K.
»Die Mitgliedschaft in einem solchen Bündnis schließt die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland kategorisch aus.«
Die BRD hat ein Grundgesetz. Wie wir aber seit Jahrzehnten beobachten können, orientieren sich die Regierungsleute nach dem, was auf einer ganz anderen Agenda (die über das Geld und deren Lenker geschrieben wird).
So lange das geschriebene Gesetzt nicht dagegen spricht, wird es eingehalten, wenn nicht, wenn kümmert´s …
Auch das Völkerrecht als höher stehender Bestandteil des GG wird ja nicht erst von der BRD seit Jugoslawien mit Füßen getreten …
Wer also soll denn die Handlung vollziehen: aus der Nato austreten ? Seit wann können Marionetten ihre Lenker beeinflussen ?
Das ganze funktioniert nur, wenn das Volk, was jetzt als maulende, besserwissende aber passive Zuschauer vor dem Bühnenspektakel sitzt, aber im Theater gefangen – wenn also das Volk selbst sein Bühnenstück schreibt.
Das entspräche übrigens GG Art. 146 !!!
Und, wer macht das? – Diejenigen, die dessen Umsetzung nachgehen, friedlich, legal, alle einladend zur Mitgestaltung, werden nicht nur von den öffentlichen Medien als »Spinner« denunziert, sondern von allen für verrückt erklärt, die Angst haben, in die Tat zu kommen …
Ein wissenschaftliches Gutachten des Bundestages hat nun bestätigt, der Luftangriff der USA, Frankreich und Großbritanniens war völkerrechtswidrig. [HINWEIS ADMIN: Maskierten Link entfernt. Verlinken Sie bitte immer zur Originalquelle, damit für jeden sofort ersichtlich ist, auf welche Seite der Link führt. Lesen Sie bitte die Netiquette für weitere Informationen.]
Wird das Konsequenzen haben ? Natürlich nicht, genauso wenig wie die Strafanzeige gegen Merkel und Maas wegen Volksverhetzung, weil dem Syrieneinsatz der Bundeswehr zugestimmt wurde. [HINWEIS ADMIN: Maskierten Link entfernt.]
Gegen Merkel liegen mehrere Anzeigen vor, die wohl alle im Sande verlaufen werden…
Wenn der Generalstaatsanwalt nicht ermittelt, dann passiert auch nichts, völlig egal ob ein Gesetzverstoß vorliegt.
Im Poscheskandal, hat das Bundesverkehrsministerium von Andreas Scheuer dem Präsidenten des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA), Ekhard Zinke, die Genehmigung zur Zeugenaussage in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Heilbronn verweigert.
[HINWEIS ADMIN: Maskierten Link entfernt.]
Noch deutlicher kann man Filz und Korruption nicht präsentieren.
Da kann man dem Autor nur noch zustimmen: „…diese Regierung ist genauso obsolet wie die NATO.
Es stellt sich die Frage, ob diese Regierung nicht nur sich, sondern auch gleich das demokratische System mit demontiert oder nicht.“
Die Antwort ist ziemlich einfach, dass System war noch nie demokratisch.