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Karl Marx. Lesen Sie das Original!

Die beste Referenz, die Karl Marx in diesen Tagen erwiesen werden kann, ist seine Schriften selbst zu lesen. Dann ist das Urteil authentisch.

Jetzt ist sie wieder unterwegs, die Meute der Rechercheure und Erklärer, die ihre Kalender so führen, dass sie schon Jahre vorher im Visier haben und wissen, wer wann geboren oder gestorben ist, wann ein großes Jubiläum fällig und wann zu einer runden Zahl eine Schlacht geschlagen wurde. Und so wundert es nicht, dass passgenau zum Ereignis die Kanäle prallvoll sind.

Aktuell trifft es den Journalisten, Politiker, Wissenschaftler, Philosophen und Satiriker Karl Marx. Er hinterließ der Welt ein gigantisches geschriebenes Werk, zwei seiner Schriften zählen zum Weltkulturerbe (Das Manifest der Kommunistischen Partei [1] und der 18. Brumaire des Louis Bonaparte [2]) und, das macht die Angelegenheit so prekär, viele Staaten beriefen sich direkt auf ihn. Dass es dort nicht so gut lief, kreiden ihm viele an, obwohl er wohl am meisten über die Vermessenheit einer solchen Legitimation gelacht hätte.

Nun, da der Kapitalismus, den Karl Marx sein Leben lang analysiert hat und dem er keine rosige Zukunft prognostizierte, da dieser Kapitalismus immer noch existiert, sind viele seiner Schriften sehr aktuell. Denn der Gehalt dieser Werke trifft in vielem immer noch das Wesen. Aber, heute und in den folgenden Zeiten werden viele Experten erscheinen und dem staunenden Publikum noch erklären, wie Karl Marx und seine Schriften zu sehen sind. Bei manchen von ihnen erstaunt wiederum, dass sie den Eindruck machen, als hätten sie selbst das nicht gelesen, worüber sie referieren.

Die beste Referenz, die Karl Marx in diesen Tagen erwiesen werden kann, ist seine Schriften selbst zu lesen. Dann ist das Urteil authentisch. Und hier einige Tipps: 

Wer den eloquenten Journalisten genießen will, der sich mit dem verzwickten Thema der Geschichte befasst, der lese das Manifest der Kommunistischen Partei und den 18. Brumaire des Louis Bonaparte. Vor allem letztere Schrift ist eine gute Messlatte für den politischen Journalismus unserer Tage.

Wer den Philosophen und Dialektiker etwas näher kennenlernen will, dem sei Die deutsche Ideologie [3] empfohlen und die winzige, aber kolossale Schrift Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung [4] ans Herz gelegt.

Wer den Ökonomen Marx in seinem größten, nicht vollendeten Versuchslabor begreifen will, der lese Das Kapital. [5] Zumindest den ersten Band. Da versteht man die Ware als zentrale Erscheinungsform des Kapitalismus ebenso wie die Tatsache, dass das Kapital nichts anderes als die Abstraktion menschlicher Arbeit darstellt. Und natürlich, wie ein Wert entsteht, wie zwischen Gebrauchs- und Tauschwert unterschieden wird und wie sich der der Ware Arbeitskraft bemisst und was ein Mehrwert ist.

Und wer dann noch gute Laune hat, der vergleiche diese Kategorien einmal mit dem sinnlosen Geschnipsel, mit dem heute die Phänomene der Weltökonomie erklärt werden.

Und wer dann immer noch nicht genug hat, und wer immer noch zweifelt, dass die Lektüre von Marx Schriften vieles grausam erhellt, der widme sich dem Konvolut, das unter dem Titel Das Maschinenfragment zu finden ist. Dort ist alles thematisiert, was im Zeitalter der Digitalisierung virulenter denn je ist: Die Entfremdung der Arbeit, die Degradierung der Anwender vom Subjekt zum Objekt und die Enteignung der Weltgemeinschaft durch das technologische Monopol. Da fallen einem Namen wie Zuckerberg ein, und nicht verstaubte Figuren aus den Annalen.

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Karl Marx wird 200! Lesen Sie das Original!


Quellen und Anmerkungen

[1] Das Manifest der Kommunistischen Partei; Karl Marx u. Friedrich Engels, Werke, Bd.4, S.459-493; Dietz Verlag Berlin, 1974. Auf: www.marxists.org/deutsch/archiv/marx-engels/1848/manifest/index.htm [abgerufen: 07.05.2018] 

[2] Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte; erstmals erschienen im Mai 1852 im ersten Heft der Zeitschrift “Die Revolution”. Karl Marx analysiert in der Schrift den Staatsstreich Louis Bonapartes am 2. Dezember 1851 in Frankreich, die konterrevolutionäre Haltung der Bourgeoisie, skizziert die Rolle des Klassenkampfes als Triebkraft der Geschichte und zeigt die Widersprüche und Grenzen der bürgerlichen Demokratie auf. Auf: www.marxists.org/deutsch/archiv/marx-engels/1852/brumaire/index.htm [abgerufen: 07.05.2018] 

[3] Die deutsche Ideologie (geschrieben 1845-1846). Karl Marx und Friedrich Engels – Werke, Band 3, S. 5-530. Dietz Verlag, Berlin/DDR 1969. Auf: www.mlwerke.de/me/me03/me03_009.htm [abgerufen: 07.05.2018]

[4] Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung (geschrieben 1843-1844). Karl Marx und Friedrich Engels – Werke, S. 378-391. Dietz Verlag, Berlin. Band 1. Berlin/DDR. 1976. Auf: www.mlwerke.de/me/me01/me01_378.htm [abgerufen: 07.05.2018]

[5] Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie (Erstausgabe 1867). Karl Marx und Friedrich Engels – Werke, Band 23, S. 11-802. Dietz Verlag, Berlin/DDR 1962. Auf: www.mlwerke.de/me/me23/me23_000.htm [abgerufen: 07.05.2018]


Foto: Thierry Ehrmann – www.flickr.com/photos/home_of_chaos/4016285125/ (CC BY 2.0).

Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Eine Antwort auf „Karl Marx. Lesen Sie das Original!“

Fraglos hat Karl Marx Maßstäbe gesetzt in der Analyse des Kapitalismus. Warum scheiterte die praktische Umsetzung?

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