Im Rahmen des Europäischen Humanistischen Forums in Madrid wird am 12. Mai im Centro Civico El Pozo um 12 Uhr der Dokumentarfilm “Grundeinkommen – Unser Recht auf das Leben” in spanischer Originalsprache gezeigt. Gabriela Amaya hat mit dem Regisseur und Autor Alvaro Orus über seine neue Produktion gesprochen, die das hochaktuelle Thema des Bedingungslosen Grundeinkommens beleuchtet.
Gabriela Amaya: Wie bist Du zum Thema Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) gekommen?
Alvaro Orus: Also, es war tatsächlich durch ein Interview mit Mayte Qintanilla, das ich für Pressenza geführt hatte, und die dann auch selber im Film erscheint, sowohl im Interview als auch als Fragen Stellende an andere Protagonisten. Das war zumindest der Moment, in dem ich aufhörte, mich von dem Thema zu distanzieren und in dem ich mich auch emotional darauf eingelassen habe. Es folgten dann weitere Artikel in unserer Agentur, in denen ich begann, das Thema zu vertiefen.
Warum einen Dokumentarfilm zu diesem Thema?
Weil ich es in unserer heutigen Zeit als absolut notwendig ansehe. Die Wirtschaft ist aufgrund von Technologie und Globalisierung grundlegenden Änderungen unterworfen und wir brauchen einen gigantischen Wertewandel, zumindest aber die Sicherung der grundlegendsten Bedürfnisse aller Menschen.
Du hältst es also für ein universelles Recht?
Wie es auch eine unserer Interviewpartnerinnen beschreibt, ist das BGE eine Bezifferung des Rechts, das im Artikel 25 der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen verankert ist. Darüber hinaus bin ich überzeugt davon, dass letztendlich jeder dieses Recht insgeheim anerkennt. Wenn wir dieses Recht nicht auf jede mögliche Art und Weise berücksichtigen und implementieren, dann wird das zu einer deprimierten und feindlichen Gesellschaft führen.
Welche Konsequenzen siehst Du für eine Maßnahme wie das BGE?
In den verschiedenen Interviews werden viele der Konsequenzen einer Einführung des BGE aufgezählt. Um nur einige davon zu nennen, würde das BGE einerseits Armut ein Ende bereiten, und somit auch wirtschaftlicher Gewalt und all ihren grausamen Auswirkungen, die eng damit verbunden ist. Andererseits würde es aber auch ein gewaltiges Potenzial freisetzen, an Kreativität, für bessere soziale Bedingungen und für Fortschritt in allen Bereichen, denn dieses Potenzial ist momentan in einem absurden wirtschaftlichen System gefangen.
Im Film werden viele Frauen interviewt …
Ich glaube, dass wir gerade – wie auch in vielen anderen Bereichen – eine Veränderung unserer Geschichte mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen erleben. Am Anfang, in den 80er Jahren, waren es hauptsächlich Männer, die es forderten. Das hat sich geändert und wir haben hauptsächlich mit Frauen gesprochen, die momentan dieses Thema in vielen verschiedenen Bereichen voranbringen. Mir scheint zudem, dass das BGE zum Beispiel ein konkreter und machbarer Weg für eine echte Emanzipation der Frauen ist.
Wir kennen Dich als Regisseur, der sich mit „intimeren“ Themen sehr gut auskennt, aber immer wieder wendest Du Dich auch sozialen Themen wie diesem zu. Wie bewegst du Dich zwischen diesen beiden Welten?
Ich denke mal, mit „intimen“ Themen meinst Du jene, die ich in meinen vorherigen Filmen behandelt habe, wie zum Beispiel Rache oder Trauer. Tatsächlich aber sehe ich diese Themen immer auch als etwas Soziales an, oder auch als etwas Kulturelles, wenn man so will. Also als Glaubenskonstrukte oder soziale Probleme, die individuell erlebt oder durchlitten werden. Es ist eine der Charakteristiken der Humanisten, dass sie notwendige Transformationen sowohl als sozial als auch eine persönliche Sache ansehen. Auch im Film über das BGE gehen wir psychologischen oder existenziellen Fragen nach …
Wie die Protagonisten im Film bist also auch Du zum Verfechter und Aktivist für das BGE geworden …
Oh ja, natürlich, warum sonst hätte ich so viel Energie reingesteckt, wenn nicht aus der Tatsache heraus, ein Konvertierter des BGE zu sein? Ich habe hier die Möglichkeit gesehen, etwas wirklich Effektives zu tun, auf reale Art und Weise einen Beitrag leisten zu können. Meiner Meinung nach wird das BGE kommen, so oder so, denn wir haben gar keine andere Wahl.
Das Wichtigste ist aber, dass dieser Vorschlag die Menschen auf eine positive Art erreicht, so wie es schon in vielen Ländern geschieht, in denen es den Umfragen nach einen mehrheitlichen Konsens zum BGE gibt. Wenn die Menschen dem Ganzen positiv gegenüber eingestellt sind, müssen sich auch die Politiker irgendwann beugen. Die Macht liegt letztendlich bei den Menschen und ihren Überzeugungen.
Redaktioneller Hinweis: Das Interview mit Alvaro Orus erschien erstmals unter der Überschrift Interview mit Alvaro Orus, Regisseur des Dokumentarfilms über das Bedingungslose Grundeinkommen bei unserem Kooperationspartner Pressenza. Übersetzung aus dem Italienischen von Evelyn Rottengatter.
Weiterführende Informationen
Die Registrierung und Teilnahme am Europäischen Humanistischen Forum ist kostenlos. Freiwillige Spenden, die das Humanistische Forum erhält, werden zur Deckung der entstehenden Kosten verwendet.
Freitag bis Sonntag, 11. – 13. Mai 2018, Madrid
Humanistisches Forum 2018
Vorträge, Workshops, Diskussionen und Vernetzung mit Aktivisten und Vertretern sozialer Organisationen und Initiativen sowie Teilnehmern u.a. aus Argentinien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Spanien, Frankreich, Deutschland, Italien und dem Irak. Themenfelder u.a.:
Humanistische und gewaltfreie Erziehung
Unabhängiger Journalismus und sozialer Aktivismus
Für eine Welt ohne nukleare Waffen
Soziale Ökologie
Eine neue Wirtschaftsform für die Universelle Menschliche Nation
Kollektive Kunstwerke: Ich existiere, weil du existierst
Frauen für Gewaltfreiheit
Bilder als Instrument zur Veränderung
Gute Kenntnisse
Eröffnungsplenum
Freitag, 11. Mai von 17.00 – 20.30 Uhr
Auditorium der Fakultät der Bildungswissenschaften der UNED
Facultad de Educación – UNED
C/ Juan del Rosal, 14
28040 Madrid
Veranstaltungen und Workshops
Samstag und Sonntag, 12./13. Mai 2018
Centro Cultural El Pozo del Tio Raimundo
Eintritt frei / freiwillige Unterstützung möglich
Fotos: Pressenza und Europäisches Humanistisches Forum
Gabriel Amaya ist eine Redakteurin, Humanistin und Friedensaktivistin aus Spanien. Sie koordiniert in Madrid das Büro der internationalen Presseagentur Pressenza, engagiert sich für Frieden und Gewaltfreiheit und unterstützt mit ihren Erfahrungen als Rundfunk- und Printjournalistin verschiedene Kollektive und Plattformen.
6 Antworten auf „Alvaro Orus über “Grundeinkommen – Unser Recht auf das Leben”“
Generell unterstütze ich auch die Gedanken, die von den Forderungen für ein BGE ausgehen, denn ein Grundeinkommen existiert ja in Deutschland, nur daß es nicht bedingungslos ist. Es heißt Hartz IV – und als allererstes gehören dort die Bedingungen abgeschafft. Das wäre ein Kampf für alle Lohnabhängigen, auch für die, die zur Zeit oder dauernd ohne Lohnarbeit sind.
Ich lese nicht allzuviel Non-Mainstream Publikationen, aber bisher habe ich nur 2 oder 3 traurige Artikel gelesen, die das BGE pauschal als Mogelpackung beurteilen, weil es von Top-Milliardären und einigen deutschen Wirtschaftführern unterstützt wird. Oder es wurde dort einfach nur als rechts abgetan. Das kam mir wie ein Denkverbot vor.
Insofern ein ausdrückliches Dankeschön! an Neue Debatte, daß der Beitrag von Pressenza hier abgedruckt wurde, weil man hier wenigstens kommentieren kann.
Ich würde mich freuen, wenn Neue Debatte auf diese Art eine Diskussion eröffnet hat jenseits eines Rechts-Links Schemas und unabhängig von Äußerungen, die irgendwelche Millionäre getan haben. Das wäre wirklich eine Neue Debatte.
Nochmals die Frage: Braucht ein gut verdienender mit 4.000. 5.00 € netto noch ein Grundeinkomen? Wer soll dies finanzieren? . Wenn die Gegenfinanzierung über Verbrauchssteuern geschehen soll,ist dies kontraproduktiv. .
Wie viele Gutverdiener gibt es? Ist es die Mehrheit? Behält ein Gutverdiener auf Lebenszeit seinen Job? Es ist müßig in Kategorien von gut und schlecht zu denken. Wir sitzen alle im selben Boot, manchmal braucht es nur etwas Zeit, um es zu erkennen. Z. Beisp., wenn gut schlecht geworden ist, oder umgekehrt?!
Nee, 1.000 Euro braucht der 4.-5 Tausender nicht. Ein Säugling braucht auch keine 1.000 Euro.
Man muß sich in der Debatte auch immer mal wieder das obszöne Verhältnis großer Zahlen “zu Gemüte” führen:
Für einen einfachen Milliardär (=1.000.000.000) sind 1.000 Euro soviel wie 0,005 Cent für einen HartzIV Bezieher mit 500 Euro “Einkommen.” Keiner von Beiden würde eine solche Summe merken, von einer 0,005 Cent Münze bräuchte man ja auch 20 Stück, damit man auf einen einzigen Cent kommt.
Es gibt eben viele Details, die es zu diskutieren gilt. Zur Finanzierung wird immer wieder die Finanztransaktionssteuer angesprochen. Dazu habe ich noch keine detaillierten Berechnungen gesehen.
Aber mal angenommen, wir vergeben ab sofort an alle HartzIV bedingungslos die HartzIV Summe als BGE. Dann würde uns nur insofern mehr kosten, als die vielen Sanktionierten jetzt den “vollen” Betrag erhalten. Wieviel wäre das? Möchte ich auch mal erfahren. Aber einsparen würden wir fast 80.000 Beschäftigte beim Arbeitsamt. Gelder für Gerichte, Anwälte etc., die ständig die Klagen von Sanktionierten bearbeiten müssen. Da könnte ich mir schon einen schönen Tag von machen.
Die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens würde, wie @hj_allemann schreibt, massenhaft Leute in der Verwaltung und Bürokratie überflüssig machen. Das ist bestimmt nicht gewollt. Ein BGE wäre verknüpft mit der Frage nach dem Arbeitsbegriff. Was ist Arbeit?! Wenn der aber mit “Verwertungszwang” zwecks Broterwerb (Geld verdienen) verbunden ist und die Kapitalisten dabei noch hemmungslos die Arbeitskraft abschöpfen dürfen, würde ein BGE nur zeitweise helfen, bis sich die sozialen Gegensätze wieder bis kurz vor der Explosion aufstauen. Die Verteilung der Wertschöpfung wäre eine Idee. Die liegt in Deutschland bei 2,4 Billonen Euro. Wie ist die aktuelle Lage: Unten wird der Wohlstand radiert und oben abkassiert. Wenn ganz unten nichts mehr zu holen ist, geht es eine Stufe höher und der untere Mittelstand wird “ausgeraubt”. Ist der abgegrast, gehts den Besserverdienenden und Selbstständigen an den Kragen, den Jursiten, Ärzten, Apothekern. Das “Konzept” bedient immer die gleiche Herrscherclique (Reiche, Bonzen, politische Administration, Beamtenapparat). Gibt es Staaten, in denen das anders ist?! Wenn nicht, müssen diese Cliquen verschwinden, wenn sich etwas ändern soll, und deren Reichtum – der eh nicht ihnen gehört, weil von anderen erarbeitet – wird sozialisiert. Dann gibt es für jeden mehr als genug.
Unabhängig davon, wie das BGE finanziert wird, es ist dann das erste Mal, dass die Sklaverei komplett abgeschafft wäre. Es fällt schwer, sich diese Freiheit vorzustellen. Es fordert ein völliges Umdenken in Geld und Kapital, das wahrscheinlich nur unter Vollgeld möglich ist.