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Die Krise

Das Wort Krise bezeichnet einen Wendepunkt. Nicht mehr und nicht weniger. Es kann eine Wende sein im Leben eines Einzelnen, einer Gruppe oder der ganzen Menschheit. Solange eine Krise nicht eingetreten ist oder noch andauert, können Strategien entwickelt und Maßnahmen eingeleitet werden, um die Entwicklung in eine positive Zukunft zu lenken. Wer in Passivität erstarrt, dem droht die Katastrophe.

Alle Welt spricht von der bevorstehenden Wirtschafts- oder Finanzkrise. Was muss man sich darunter vorstellen? Dass alles, was auf der Welt bis zu diesem Zeitpunkt funktioniert hat, plötzlich nicht mehr funktioniert? Das Geld nichts mehr wert ist und alle Räder stillstehen? Es gibt nichts mehr zu essen, es gibt nichts mehr zu arbeiten?

Könnte man sich in dem Augenblick umschauen, wo die Krise sichtbar wird, würde man feststellen, dass alle Gebäude, Straßen und die Warenhäuser noch existieren. Auch die Vögel zwitschern weiter. Sogar die zu leistenden Arbeiten bleiben erhalten. Ob sie dann aber ausgeführt werden, hängt von der Intelligenz der Gesellschaft ab.

Wodurch sollte überhaupt ein Durcheinander entstehen? Eigentlich bleibt auch in dem Augenblick alles so, wie es bisher war, nur das Geldsystem ist aus den Fugen geraten. Wenn diese Erkenntnis zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise in vielen Köpfen Eingang gefunden hat, könnte mit Zuversicht der Zukunft ins Auge geblickt werden.

Denn das Geld – in jeder vorliegenden Form – stellt im Grunde doch nur Zahlen in Büchern, auf Münzen und Papierschnipselchen dar.

Genau genommen sollten diese Zahlen lediglich Erinnerungen an menschliche Arbeit sein. Denn erst aus Arbeit entsteht Wert. Die Zahlen auf den Geldscheinen wären also gespeicherte tote Arbeit, weil diese schon geleistet wurde, und sie nicht zurückgeholt werden kann. Doch Geld vermehrt sich durch Zins und Zinseszins – und das auch noch immer schneller. So wird also nicht nur menschliche Arbeit abgebildet, die noch nicht geleistet wurde, sondern auch Arbeit, die niemals geleistet werden wird.

Wenn diese Zahlen, die mit der Realität nichts mehr zu tun haben, ganze Länder ins Unheil zwingen können, ist es ziemlich sicher, dass bei der Art und dem Umgang damit etwas nicht stimmt. Es wäre daher ein großes Manko für die Menschheit, wenn sie dies nicht erkennt und es nicht schafft, hier eine optimalere Lösung zu finden.

Sicher, es gibt eine Gruppe heutiger Geldbesitzer, die es sich angewöhnt haben, nur durch den Besitz der Zahlen ihr gutes Leben zu führen.

Glücklicherweise ist ihre Anzahl sehr klein, sodass die überwältigende Mehrheit der Menschen in der Lage sein sollte, das heutige Geldsystem zügig durch ein besseres zu ersetzen.

Es ist ohnehin zu hoffen, dass es durch Vernunft und Intelligenz schon vor der anstehenden Krise geschafft wird, einen verbesserten Umgang mit Geld herzustellen. Für die Zukunft wäre es wichtig, dass nie wieder mit Geld zusätzliches Geld erzeugt werden darf. Wann wird sich diese Einsicht wohl durchsetzen?


Fotos: Rawpixel (Unsplash.com) und Claus Meyer (Privat).

Claus Meyer (Jahrgang 1930) befasst sich vor allem mit den Themen Gemeinwohl, Geldsystem, bedingungsloses Grundeinkommen und direkte Demokratie. 2017 verfasste er das Buch "Mensch bleiben: Warum machen Menschen sich ihr Leben so schwer".

Von Claus Meyer

Claus Meyer (Jahrgang 1930) befasst sich vor allem mit den Themen Gemeinwohl, Geldsystem, bedingungsloses Grundeinkommen und direkte Demokratie. 2017 verfasste er das Buch "Mensch bleiben: Warum machen Menschen sich ihr Leben so schwer".

Eine Antwort auf „Die Krise“

Was ist Geld? Inzwischen habe ich auch das Buch gelesen, das in diesem Artikel besprochen wurde: https://neue-debatte.com/2018/04/27/geld-fluch-oder-segen-der-menschheit/
Naturlich soll Geld getane Arbeit darstellen. Doch das ist aus meiner Sicht nicht alles: Geld ist Versprechen. Das Versprechen, für die reingesteckte Arbeit wieder Gegenleistung zu bekommen. Im Zusammenleben der Menschen liegt es nahe, für geleistete Arbeit ein Versprechen zu bekommen, dass sie vergolten wird. Damit das nicht vergessen wird, wird ein “wert”-volles Symbol gegeben. Früher Gold, Münzen, später Papiergeld. Heute fast nur noch Zahlen auf Konten. Je weniger das Symbol noch eigenen Wert hat, also nur noch Symbol ist, desto wichtiger wird die (Staats-)Macht, die dahinter steht und für die Durchsetzung des Versprechens bürgt. Egal, wie das Versprechen weitergereicht wird.
Unnatürlich wird bei der Menge der Beteiligten, wie mit dem Versprechen “gehandelt” wird. Eigentlich verlieren Versprechen ihren Wert. Vor allem, wenn sie auch noch weitergereicht werden. Doch die Wirtschaft lebt heute im und vom Versprechen, dass Werte noch weiter gesteigert werden. Weniger mittels der Arbeit, sondern mittels – versprochener – Innovation. Dem muss man natürlich vertrauen können. Das sollen die Kurse vermitteln. Es wird völlig unüberschaubar, uneinschätzbar, wo die Substanz des Vertrauens bleibt.
Die USA scheinen zu versuchen, Vertrauen durch Vertrauen in ihre Militärmacht zu ersetzen. So wird am Ende aus einem prosozialen Verhalten (Versprechen) nur noch Einschüchterung (Aggression). Durch Überdimensionierung wird aus etwas Verbindenden etwas Brutales.
Verbessert mit Geld umzugehen müsste also heißen, es wieder in die Bekanntheit der einander Versprechenden zurückzubringen. Regionalgeld geht in diese Richtung. Aber auch in die Weite kann man tauschen, wenn man Güter übersichtlich tauscht. Also auch hier eher in Tauschringen als durch Währungen.
Das heutige System mag nicht zu so etwas zurückkommen. Doch der Vorteil einer neuen Übersichtlichkeit ist, dass man sie schon im Kleinen ausprobieren kann. Bis man sich ganz vom Antisozialen System entkoppelt.
G.K.

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