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Hilfe! Wer rettet die Moral?

Die Liste der unmoralischen Vergehen ist lang: Steuerbetrug, Täuschung der Verbraucher, die Wohnwelt, Bonizahlungen, Sünden der Wirtschaft und der Bürger gegen die Natur. Grundwerte wie die Freiheit bleiben vom Moralverfall nicht verschont.

Bis zu seinem Lebensende suchte der Humanist und Dichterfürst Goethe den Geheimnissen der Welt auf die Spur zu kommen. Ihm blieb, wie er in seiner Fausttragödie selbst beschrieb, „die höchste Erkenntnis versagt, was die Welt im Innersten zusammenhält“. „Des Pudels Kern“ harrt wohl noch heute noch auf klare Erkenntnisse. [1]

Zu viele unmoralische Geschehnisse belasten den Alltag des Bürgers. Es vergeht kaum eine Woche, wo nicht über betrügerische Manipulationen in den Auto-, Bau- oder Lebensmittelbranchen berichtet wird. Mit Auslandskonten, Mutter-Tochter-Beziehungen der Konzerne werden Steuerpflichten umgangen. Investoren richten erneut ein Schneeballsystem ein und rauben Pensionären das Geld für ihre Altersabsicherung. Zuletzt verloren die Opfer der Investmentgruppe P&R 2,6 Mrd. Euro (BLZ vom 30.5.2018). Die BaFin, ein Organ der Regierung für die Bankenkontrolle, redet sich aus der Verantwortung heraus und meint, ihre Empfehlungen hätten keine „Bindungswirkung“. [2]

Die Medien kommentieren mit erhobenen Finger, alles bewege sich im legalen Rahmen. Das lässt Zweifel an der Qualität der Gesetzgebungsarbeit der Abgeordneten der regierenden Parteien aufkommen. Ihr Gewissen allein reicht wohl nicht für das Erkennen von Moralgrenzen aus. So sind die Nachrichten über die Arbeit der Lobby (BLZ vom 08.08. 2017 Staat im Dienste der Kartelle, 05.01.2018 in der Pharmabranche, 09.01.2018 in der Ärzteschaft, 1.6.2018 Lobbyist im Beamtenstatus nicht verwunderlich. Das Lesen der Veröffentlichungen des sozialen Netzwerkes Lobby-Control kommt einem Kriminalroman gleich.

Zur Tragik des Moralverfalls gehört auch das Verhalten der Justiz und mancher Richter. Zu häufig enden Gerichtsverhandlungen großer Namen und Fälle mit Vergleichen (Beispiel: Streit um Toll Collect. Die Regierung forderte 9,5 Mrd. Euro, das Konsortium wird 3,2 Mrd. zahlen). [3]

Moralnormen sind nicht als Gesetze kodifiziert und das machte es den Richtern nicht leicht. Eine andere Merkwürdigkeit: Das Wirtschaftsstrafgesetz zählt magere 23 Paragrafen. Das BGB, das die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Bürger regelt, kommt auf 2385 Paragrafen.

Die tägliche Unmoral ist eine der Ursachen für die Spaltung der Gesellschaft. Das aktuelle Programm der GroKo sieht keine substanzielle Veränderung vor. Weder die Aufhebung der Hartz-IV-Gesetze, noch die Herstellung des Prinzips „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“.

Die Liste der unmoralischen Vergehen ist lang. Sie betrifft nicht nur den Steuerbetrug, die Welt der Arbeit, die Täuschung der Verbraucher, die Wohnwelt, Bonizahlungen, sondern auch die Sünden der Wirtschaft und der Bürger gegen die Natur. Ein erschreckender Sonderfall ist der zunehmende Mißbrauch der Kinder. [4]

Was bieten die Medien oder die Politikwissenschaftler zur Änderung an?

Alles vollzieht sich im legalen Rahmen oder es entspricht dem Grundgesetz, wird dem Bürger berichtet. Es bleibt also alles wie es ist. Ernsthafte Alternativen, die die Moralnormen stärken, sind kaum zu erkennen oder es wird auf noch einzurichtende Kommissionen verwiesen. Ohnehin unterliegen die wichtigen Themen Befristungen, die vom Rhythmus der Bundeswahl bestimmt werden. Parteien denken zuerst an sich selbst, so auch zuerst an ihre Diäten.

Grundwerte wie die Freiheit bleiben vom Moralverfall nicht verschont. Großunternehmen nehmen sich die Freiheit, auch bei guten Bilanzen Arbeitnehmer zu entlassen. Leiharbeit als Massenerscheinung löste bei den Gewerkschaftsführern keine Grunderschütterung oder einen Generalstreik aus.

Mit dem Verfall der Moral droht dem Humanismus Gefahr. Der ambivalente Egoismus, der Gutes in sich tragen kann, aber zu oft Böses schafft, ist Triebfeder der unguten Entwicklung. Eine nachlaufende Bewertung, ob der Trend in Sachen Moral gestoppt wurde, kann der Bürger wirksam erst 2021 zur nächsten Bundestagswahl vornehmen.


Redaktioneller Hinweis: Der Beitrag von Günter Buhlke erschien erstmals bei unserem Kooperationspartner Pressenza.


Quellen und Anmerkungen

[1] Johann Wolfgang von Goethe (1749 -1832) war ein deutscher Dichter und Naturforscher. Er gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dichter. Sein Werk “Faust” errang den Ruf als die bedeutendste Schöpfung der deutschsprachigen Literatur. 

[2] Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist eine rechtsfähige deutsche Bundesanstalt mit Sitz in Frankfurt am Main und Bonn. Sie untersteht der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen. Die BaFin beaufsichtigt und kontrolliert als Finanzmarktaufsichtsbehörde im Rahmen der Finanzaufsicht alle Bereiche des Finanzwesens in Deutschland. Mit der Schaffung des einheitlichen europäischen Bankenaufsichtsmechanismus im Rahmen der europäischen Bankenunion gab die BaFin die Aufsicht von „signifikanten“ Banken im November 2014 an die Europäische Zentralbank ab. Mehr Informationen auf Wikipedia.

[3] Der Tagesspiegel vom 16.05.2018: Streit mit Toll Collect um Mautausfälle beendet. Auf www.tagesspiegel.de/wirtschaft/lkw-maut-streit-mit-toll-collect-um-mautausfaelle-beendet/22574810.html [abgerufen am 08.06.2018]. 

[4] Wolfsburger Allgemeine vom 05.06.2018: Tausende Kinder sexuell missbraucht. Auf www.waz-online.de/Nachrichten/Panorama/Tausende-Kinder-sexuell-missbraucht [abgerufen am 08.06.2018].


Foto: NordWood Themes (Unsplash.com).

Volkswirtschaftler und Publizist bei Pressenza | Webseite

Günter Buhlke ist Jahrgang 1934 und Dipl. Volkswirtschaftler. Er studierte an der Humboldt Universität und der Hochschule für Ökonomie Berlin. In den 1960er und 70er-Jahren war Buhlke international als Handelsrat in Mexiko und Venezuela tätig und Koordinator für die Wirtschaftsbeziehungen der DDR zu Lateinamerika. Später Vorstand einer Wohnungsgenossenschaft, Referent im Haushaltsausschuss der Volkskammer und des Bundestages und von 1990 bis 1999 Leiter der Berliner Niederlassung des Schweizerischen Instituts für Betriebsökonomie. Günter Buhlke ist verheiratet, lebt in Berlin und engagiert sich ehrenamtlich.

Von Günter Buhlke

Günter Buhlke ist Jahrgang 1934 und Dipl. Volkswirtschaftler. Er studierte an der Humboldt Universität und der Hochschule für Ökonomie Berlin. In den 1960er und 70er-Jahren war Buhlke international als Handelsrat in Mexiko und Venezuela tätig und Koordinator für die Wirtschaftsbeziehungen der DDR zu Lateinamerika. Später Vorstand einer Wohnungsgenossenschaft, Referent im Haushaltsausschuss der Volkskammer und des Bundestages und von 1990 bis 1999 Leiter der Berliner Niederlassung des Schweizerischen Instituts für Betriebsökonomie. Günter Buhlke ist verheiratet, lebt in Berlin und engagiert sich ehrenamtlich.

4 Antworten auf „Hilfe! Wer rettet die Moral?“

Moralische Sätze wurden wohl mal aufgestellt, um die soziale Seite des Menschen zu stärken. Die Mächtigen fühlten sich nur teilweise daran gebunden. In einem System wie dem unseren herrscht nicht die soziale Seite des Menschen, sondern seine rücksichtslose. Dann gelten moralische Gesetze nur unten, nicht oben.
Religion oder etwas ähnliches hat keinen Einfluss mehr. Die Schönheit des “Wir” und die Freude am “Wir” muss man erfahren. Dann ist es mächtiger als Worte. Die Erfahrung des Wir entsteht durch nachhaltiges Sich-Reinversetzen in andere. Und das wieder durch Kooperation am gleichen Strang.
Worte sind da schon manchmal verdächtig. Die Spitze der Heuchelei ist die westliche Werte-Welt.

In einer Welt, in der Geistliche unsere Kinder körperlich vergewaltigen (was für ein Widerspruch!), wobei die Konsequenzen für die verantwortlichen Priester nur minimal sind und sich selbst die Kirchen eher dem schnöden Mammon verpflichtet fühlen, als ihrer Gemeinde, ist Moral doch eher ein Relikt aus vergangenen Tagen. Aber auch in der Vergangenheit des Menschen offenbarte sich nur eine scheinheilige Doppelmoral, denn früher war nicht alles besser, sondern nur anders.

Sicher, Moral und Ethik haben sich gewandelt, in sofern sollte man überdenken, ob man sie als dogmatisches Allgemeingut jedem überstülpen kann, denn jede Gesellschaft und Epoche definiert sie/sich immer wieder neu. Und innere Werte bedeuten für jeden Menschen etwas anderes und somit kann auch nur jeder für sich selbst herausfinden, inwieweit er ein „seelisch unbelastetes Dasein“ fristen kann, denn nur darum geht es letztendlich, um den „inneren Frieden“.

ob noch was zu retten ist? Wenn wir alle in den Rettungs-Modus verfallen, das heisst in Pan-ik, werden wir alle rück-sichts-loser. Rettung ist immer nur Schadens-Begrenzung. Die “Verkehrs-Opfer” opfern wir ja auch, wie die Bienen, Insekten und Lungen und alles, was sich unserem motorisierten sinnen-losen Bewegungsdrang entgegen stellt …

Moral und Ethik spielen bei fast allen Regenten eine untergeordnete Rolle, wenn einfach vom Sessel aus befohlen wird, fremde unbekannte Menschen zu töten. Wann lernen diese Unbarmherherzigen menschlich zu denken und wann lernen die Bürger, dass solche Personen nicht auf einen Regentenstuhl gehören.

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