Die großen Metropolen dieser Welt sind gleichzeitig auch gigantische Integrationsmaschinen. Die weltweite Migration findet in Städten wie Los Angeles oder Jakarta eine neue Dimension. Menschen aus anderen Regionen des eigenen Landes oder der ganzen Welt finden immer wieder den Weg dorthin. Jährlich, zu Hunderttausenden.
Wer glaubt, das sei dort alles von einer Kommunalverwaltung geplant und es gebe dafür feste Strukturen, innerhalb derer sich das abspielt, mache sich den Spaß, dorthin zu fahren und es sich anzusehen. Jede Stadtverwaltung der Welt wäre mit solchen Zahlen überfordert.
Nach Jakarta kommen jährlich eine halbe Million Menschen, und das innerhalb ein und derselben Woche, nämlich nach dem Ramadan. Organisiert wird das alles von denjenigen, die schon da sind und die Neuen nach einem Besuch zuhause in der Provinz mitbringen. Diejenigen, die es in die Metropolen bereits getragen hat, sind in der Regel die Anlaufstationen für die, die noch kommen. Geregelt wird alles in einer Art informellem Sektor, in dem sehr viel Innovation städtischen Lebens und Wirtschaftens stattfindet. Es geht so weit, dass in China versucht wird, bewusst derartige informelle Sektoren zu schaffen, um Innovation zu generieren. Dass das scheitert, ist eher eine humorvolle Randnotiz.
Migration hat viele Ursachen. Die hier beschriebene, zumeist wirtschaftliche, ist eine Triebfeder der Menschheit. Die größte Massenmigration im 19. Jahrhundert war die in die USA, vor allem auch die über Deutschland. Die in diesem Zusammenhang größte – um mit den gegenwärtigen Termini zu sprechen – Schlepperorganisation war HAPAG LLOYD.
Die anderen Ursachen für Massenmigration sind Naturkatastrophen und Kriege. Letzteres war Initial für eine große Bewegung Richtung Zentraleuropa im Jahr 2015.
Ursache war der Krieg in Syrien, in dem es um den Sturz der Regierung ging, zumindest seitens einer Allianz, die nicht hinnehmen wollte, dass der Regierungschef es verboten hatte, eine Gaspipeline von Katar über sein Territorium bauen zu lassen.
Der Krieg vernichtete die Existenz unzähliger Menschen, die sich auf den Weg nach Europa und Deutschland machten. Deutschland, Mitglied der kriegsführenden Allianz, war von Anfang an auch Ursache dieser Migration. Indem dessen Regierung erzählte, man müsse die Ursachen der Massenmigration bekämpfen, rief sie zum eigenen Sturz auf. Nur hat das kaum jemand begriffen.
In diesem Kontext war die Öffnung der Grenze für eine der Fluchtwellen im Jahr 2015 nicht ausschließlich ein humanitärer Akt. Es war ein weiterer Baustein in dem Verwirrspiel um Wirkungszusammenhänge der Politik, in die man selbst verstrickt war.
Von der Dimension der damals stattgefundenen Immigration wären die Megastädte dieser Welt nicht beeindruckt. Dennoch hat sich eine Front gebildet, der es zunehmend gelingt, die bedrohlichen Aspekte eines unregulierten Finanzweltmarktes auf den Aspekt von Immigration zu reduzieren.
Die ersten, denen dieses gelang, waren die Vertreter der AfD. Aufgrund der spektakulären Wahlergebnisse hat sich die bayrische CSU dem gleichen Argumentationsmuster verschrieben, um bei den bevorstehenden Wahlen erfolgreich zu sein. Es bleibt zu bedenken, dass die existenzbedrohende Wirtschaftspolitik, die von vielen Menschen geführt wird, in starkem Maße auch von der CSU betrieben wird.
Es handelt sich bei der ganzen Migrationspolitik der CSU um ein ideologisches Manöver. Die Skrupellosigkeit, mit der sie dieses macht, weist sie als eine Gruppierung aus, die vom Gegner zum Feind mutiert ist.
Passend zum Beginn der Fußballweltmeisterschaft wurde nun ein Showdown inszeniert, der das Ende der gegenwärtigen Regierung sein kann. Was dann kommt, ist offen.
Foto: Papafox (Pixabay.com; Creative Commons CC0).
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
4 Antworten auf „Regierung: Aufruf zum eigenen Sturz“
Ich schätze die Beiträges des Autors, auch diesen. Die Schlussfolgerung mache ich aber nicht mit. Meinetwegen stürzt die Regierung wegen dieser Auseinandersetzung, aber Feinde brauche ich nicht. Die Politiker sind vielleicht nicht intelligent, aber sie sind oft raffiniert. Sie greifen Entwicklungen in der Bevölkerung auf. Und trotz der schönen Beispiele von kurzfristigen und langfristigen Migrationen im Artikel wird nicht beachtet, dass Widerstand gegen Entwurzelung auch Sinn machen kann. Entwurzelte verstehen oft nicht nur nicht die Sprache, sondern missverstehen auch das Nonverbale. Ihre Normen passen teilweise nicht in die des “Gastlandes”. Missverständnisse können auch brutal enden. Die Entwurzelten aus Syrien sind hilflos, versuchen wohl oft das Beste aus der neuen Lage zu machen. Überfremdung fürchtende Bevölkerungsteile hier haben in den letzten Jahrzehnten die oft grausamen Entwurzelungen des globalen Kapitalismus mitgemacht, können ihre Resignation endlich fassen, indem sie sich gegen die Fremden wenden.
Zur Fluchtursachen-Frage: Ein guter Effekt der Konfrontation ist, dass man potenziell mit den Bedingungen in bekriegten oder ausgebeuteten Ländern befasst oder befassen kann. Doch wenige stellen ihre imperiale Lebensweise und das System weltweiter Ausbeutung von Menschen und Natur in Frage. Die müssen sich vermehren. Das ist meine Hoffnung. Feinde sind die, die so eine Entwicklung verhindern wollen.
G.K.
1993 wurde der erste EU-Grenzzaun, über 8km lang, zwischen Spanien und Marokko errichtet. 2004 wurde Frontex geschaffen, 2005 weiter aufgerüstet und weitere Zäune errichtet.
2006 kamen die ersten Meldungen von ertrinkenden Flüchtlingen. 2008 Griechenland und Italien waren/sind total überfordert mit Flüchtlingslager und desolaten Zuständen…….
Seit mehr als 25 Jahren sind die Probleme und Risiken bekannt und dennoch wurde das „Feuer“ immer weiter geschürt durch Globalisierung, Kriege und illegalen Entmachtungen/Hinrichtungen unliebsamer Präsidenten.
Nicht nur durch unseren unermesslichen Konsumrausch haben wir mehr oder weniger stillschweigend zugesehen, wie ganze Länder und Menschen vernichtet wurden und jammern nun, dass unsere einst „(un)willigen Sklaven“ den gleichen Wohlstand einfordern.
Das Problem ist nur, es kann nicht mehr Luxus generiert werden, der Planet ist geplündert, also werden wir wohl teilen müssen mit unseren Nachbarn. Denn wir sind die Ursache für das Elend und nicht nur inkompetente, korrupte Parteien! Also fangen wir endlich damit an, die zerstörten Länder wieder aufzubauen und verweigern dem Staat unsere Kinder als Kanonenfutter zu missbrauchen.
Nur so kann man die Menschen dazu bewegen in ihre Heimat zurückzukehren. Schliessen wir endlich Frieden und bereichern uns nicht mehr an deren Ressourcen und Elend.
Friedrich Nietzsche, Philosoph (1844-1900):
“Ihr führt Krieg? Ihr fürchtet euch vor einem Nachbarn? So nehmt doch die Grenzsteine weg — so habt ihr keinen Nachbarn mehr. Aber ihr wollt den Krieg und deshalb erst setzet ihr die Grenzsteine.”
Solange es Regenten gibt, die von ihrem Sessel aus Kriege befehlen können und es Untertanen gibt, die gedankenlos Untertanen anderer Länder umbringen und solange nicht das Volk sich gegen solchen unseligen Vorgang sträubt, wird es diese Völkerwanderungen geben. Der menschliche Verstand ist mit Mängeln behaftet und wird wahrscheinlich auch damit untergehen.
Wenn ich resignative Tendenzen in mir spüre, sage ich mir: “Damit bestimmst du auch den weiteren Verlauf! Du bist doch nicht nur Opfer, sondern auch Täter! Mach das Deine!”
G.K.