Der Ton wird schärfer. Der momentane NATO-Gipfel und sein Verlauf ist ein weiteres Indiz für den Polarisierungskurs der USA. Auf dem Spiel steht der bisherige Konsens über den Charakter des Bündnisses.
Obwohl die NATO bei ihrer Gründung als ein Verteidigungsbündnis definiert wurde, hatte sie auch immer einen aggressiven Charakter. Es ging um die Verteidigung der eigenen Wirtschaftsweise und den Versuch, den Einfluss der Sowjetunion mit dem Nato-Pendant, dem Warschauer Pakt, zu minimieren. Letzteres gelang mit der Implosion der UdSSR immer mehr und wurde letztendlich obsolet.
Dass die NATO bestehen blieb, ließ schon bald den Verdacht aufkommen, dass dieses Bündnis sehr viel zu tun hatte mit der US-amerikanischen Lesart der Welt und einer militärischen Unterstützung der imperialen Interessen der USA.
Die berühmten Falken am Potomac sind ihren geostrategischen Axiomen treu geblieben. Wer die Welt beherrschen will, der braucht Europa als Wirtschaftsraum und sein Hinterland als Ressourcenlieferant.
Daher klingt die Konsistenz, mit der nun der Vollstrecker des neuen Amerikas daher kommt, befremdlich. Logisch ist das alles schon. Die NATO soll sich nicht nur gegen Russland richten, sondern auch noch dafür sorgen, dass der Wirtschaftskurs so gefahren wird, dass die USA davon profitieren.
Die Attacken Trumps gegen Deutschland bringen es auf den Punkt: Deutschland ist zu einem Konkurrent auf dem Weltmarkt geworden, deshalb soll Deutschland mehr für Rüstung ausgeben. Und Deutschland soll sich aus den Zangen des Kreml befreien, in denen es sich vermeintlich befindet, weil es russisches Gas empfängt.
Dass die Alternative immense Flüssiggaslieferungen aus den USA wären, dokumentiert den Spuk. Es geht ums Geschäft, und das fern der alten Kaufmannsmaxime von Win-Win, sondern in einer neuen Variante von “pack dem Abhängigen ordentlich in die Tasche”. Die Zeiten gemeinsamen Interesses scheinen endgültig vorbei zu sein. Da ist es richtig unangenehm, auf den Schutz Dritter angewiesen zu sein.
Entfällt der militärische Schutz der USA, bleiben deutsche Streitkräfte zurück, die wohl nicht der Landesverteidigung im Ernstfall tauglich wären. Es ist etwas anderes, Streitkräfte gegen eine kriegserprobte Übermacht aufzustellen als in Mali eine Schule zu bewachen.
Das Drohpotenzial der USA wird aufgrund dessen wirken und die unlogische Entwicklung beschleunigen. Deutschlands Abhängigkeit von den USA wird wachsen und die militärische Konfrontation mit tatsächlich strategischen Bündnispartnern wird wahrscheinlicher.
Dass die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker in einem solchen Prozess ins Schlingern geraten, ist nicht verwunderlich. Die alten Gewissheiten gelten nicht mehr und die neuen sind so unglaublich, dass man sie nicht wahrhaben will. Trump als Kontrahent wirkt nur so sicher, weil er weiß, dass sein Stündchen bereits geschlagen hat.
Es ist nicht anzunehmen, dass die momentanen geopolitischen Schachzüge der USA dazu führen werden, die eigene Situation und Perspektive noch zu verbessern. Wer sich selbst von der Wertschöpfung weitgehend verabschiedet hat, bringt sie über Nacht nicht zum Laufen und wer sich strategisch überdehnt hat, ist gegen aufstrebende Mächte wie in diesem Falle China in der Defensive.
Die Entwicklungen in der NATO zeigen, worauf die USA in Zukunft vergrößerten Wert legen. Da ist Uncle Sam ein williges Polen näher als ein politisch korrektes Deutschland.
Will letzteres jedoch nicht in den Strudel militärischer Abenteuer hereingezogen werden, muss es sich schnellstens neue Bündnispartner suchen. Ein Sowohl als auch wird es nicht geben. Bekanntlich folgt dem in solchen Situationen eine Kugel im Bauch.
Foto: Kawamaru (Pixabay.com; Creative Commons CC0).
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
4 Antworten auf „NATO: Der Ton wird schärfer!“
Hat dies auf gestalt-mentor rebloggt.
dazu ist – mal wieder – Dirk Müller (Mr. Dax) zu empfehlen:
https://www.youtube.com/watch?v=oL1JXPPXmbk
Das mit der Abhängigkeit von Russland ist so eine Sache. Leider habe ich keine Informationen, wie viel Gas & andere Rohstoffe Deutschland in der Zeit des Kalten Krieges von Russland gekauft hat und wie sich die Zahlen danach entwickelt haben.
Ob wir damals wirklich besser dran gewesen wären als heute, WENN “der böse Russe” uns zu Mauerzeiten (sagen wir mal nach der Entspannungspolitik von Brandt) das Gas abgedreht hätte? Ich weiß nur, dass der Handel auch in dieser Zeit Ausmaße hatte.
UND: Die USA haben mit dem Stutz von Mossadek ihre Unschuld verloren, die sie sich mit der Befreiung im 2. Weltkrieg verdient haben.
Dirk Müller hat es in dem Video auf den Punkt gebracht.
Und nicht nur angesichts dessen, von einer Unschuld der USA zu sprechen,
zeigt wie sehr die Amerikanisierung/Gehirnwäsche in Deutschland und Europa schon gefruchtet hat.
Was glauben Sie wer Hitler finanzierte, schliesslich war Deutschland nach der Machtübernahme bankrott?
Der deutschen Bevölkerung wurde immer vorgehalten, sie hätten angeblich nichts gewusst von den Judenmorden. Und wie sah es mit dem Rest der Welt aus? Zumindest die glorreichen 4 haben von alledem gewusst und zwar lange vor 1945 und dennoch wurde lange Hitler hofiert.
Es ging den USA nie um Befreiung, sondern immer um Okkupation und Hegemonie, welches sie mit allen Mitteln durchzusetzen versuchen. Das zieht sich durch die ganze Geschichte der USA. Mehr als 200 Kriege und unzählige Geheimoperationen seit der Landübernahme durch Europäer und dem Genozid an den Ureinwohnern von Amerika. Alle Kriege seit 9/11 und den zunehmendem Terrorismus haben wir den USA zu verdanken!
Snowden, Manning, Assange u.v.m. sind der lebende Beweis, dass Demokratie und Bürgerrechte nur eine Farce sind.
Amerika ist ein psychotisches, Militärimperium und es wird höchste Zeit sich davon zu befreien. Die USA schützen niemanden, ausser sich selbst.
Volle Zustimmung zu Ihrem Artikel.
“Will letzteres jedoch nicht in den Strudel militärischer Abenteuer hereingezogen werden, muss es sich schnellstens neue Bündnispartner suchen.”
Absout, aber unter den bestehenden Umstaenden ist dies kaum moeglich – zuerst muessten die Deutschen Ihre Souveraenitaet akzeptieren, was leider nicht ins Programm der politisch Korrekten Ideologie passt.