Warum auch? Warum sollte sich eine Institution wie der Internationale Währungsfonds (IWF) auch wandeln? Es ist doch immer alles richtig gewesen, oder? Die Begleitung vieler Länder bei strukturellen Krisen durch diese Institution erinnert zwar an die Endlösung verzweifelter Dealer, die von ihren Kunden nichts mehr erwarten und, in einem Anflug von falsch verstandener Menschlichkeit, entweder auf den goldenen Schuss oder den kalten Entzug setzen.
Das Muster ist immer das gleiche, und ob sich zwischen die periodisch missglückten Versuche einer Verbesserung nationaler Ökonomien mal eine Weltfinanzkrise schiebt, ist völlig unerheblich. Es ist eine Geschichte, die an die alten, korrupten Handelsorganisationen der großen Kolonialreiche erinnert. Bei der Ausplünderung der Welt fällt immer noch genug ab, um solche Monstren am Leben zu erhalten.
Erst vor zwei Wochen quälte eine massive Staatskrise Haiti, weil sich dort zum tausendsten Mal ein Szenario wiederholte, das aus den Beraterkatalogen des IWF kommt: Drastische Erhöhung der Preise von Grundnahrungsmitteln und Benzin. Natürlich ist beides staatlich subventioniert und entspricht damit nicht der Lehre vom freien Markt.
Und natürlich krepieren große Teile der Bevölkerung, wenn die Subventionen ausbleiben. Aber, so scheint man in Washington zu denken, was schert denn das Schicksal vom Mob in solchen Rattenstaaten, wenn es darum geht, klar und deutlich aufzuzeigen, was ein richtig gut funktionierender freier Markt ist? Und Haiti? Fuck the Backyard!
Staatskrisen gehören zu den Interventionspraktiken der Institution wie die Luft zum Atmen. Vom tatsächlich armen Hinterhof des Imperiums bis hin zu durchaus potenten Schwellenstaaten: Alle haben ihre Erfahrung mit dem IWF gemacht, Brasilien wie Indonesien, und überall, wenn man dem Rat folgte, wackelten die politischen Systeme beträchtlich. Und überall wurde der Kahlschlag sehr deutlich sichtbar: es ging nie um Hilfe, sondern um das Ausbeinen von Ländern nach Manier eines Hedgefonds.
Rufen Sie bitte einmal in Griechenland an und erkundigen Sie sich nach dem IWF, auch die schweren, zum Teil nicht mehr überbrückbaren Verwerfungen in Europa haben sehr viel mit dem ideologischen Gestelze und der kaltschnäuzigen Abwicklung durch den IWF zu tun.
Und als sei die Welt in bester Ordnung, ruft Frau Lagarde nun in Buenos Aires zu einem Referat mit der Expertise, das Wachstum der Weltwirtschaft sei in Gefahr, wenn das mit den protektionistischen Zöllen nicht aufhöre.
Dass es diese Zölle bereits vor Donald Trump gegeben hat, auch und vor allem seitens der EU, ist wahrscheinlich eine Spitzfindigkeit, die sich der Beschreibung der großen Welttendenzen entzieht. Aber dass die Welt vielleicht andere Probleme hat als die Gefährdung des Wachstums, macht deutlich, dass die Organisation zu jenen gehört, die grundsätzlich Prozesse von Internationalisierung diskreditieren.
Wenn nicht sogar der IWF die große internationale Organisation ist, die mit unbegrenztem Wachstum und Ressourcenverschleiß genau die Signale sendet, die das notwendige Umdenken angesichts von Massenverelendung und Naturzerstörung systematisch verhindert. Zusammengesetzt ist sie international, jedoch nach einem Proporz und einem Verfahren, die garantieren, dass nur Aficionados des Wirtschaftsliberalismus es bis zu den Karrierepforten dieser Organisation schaffen.
Das Recht, irgendwem irgendwelche Ratschläge zu geben, hat der IWF bereits historisch verwirkt. Das Beste wäre, diesen aufzulösen.
Solange jedoch niemand in den G7- oder G20-Staaten darüber nachdenkt, bleibt deutlich, dass auch dort die alten Weisheiten des Marktliberalismus noch hochgehalten werden. Warum sich ändern, wenn die Welt sich dreht?
Foto: James Jester (Pixabay.com, Creative Commons CC0).
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
Eine Antwort auf „IWF: Das Ausbeinen von Ländern nach Manier eines Hedgefonds“
Man sollte einmal das Buch “Weltmacht IWF” – Chronik eines Raubzuges –
von Ernst Wolff gelesen haben. Die Machenschaften dieser Organisation werden
leider von den Medien nicht erwähnt.