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Meinung

Warum wir Donald Trump lieben

The business of America is business. Über die Psyche einer Nation.

Ja, wir lieben ihn.

Zumindest einige von uns lieben ihn – meine Heimat ist gespalten. An den beiden Küsten herrscht Weltuntergangsstimmung. Gerade empört man sich über Kinder in Käfigen, langfristig befürchtet man den Zerfall der Demokratie. Dazwischen, von Ohio bis Idaho, ist die Welt in Ordnung. Fast die Hälfte aller Amerikaner unterstützt Trump.

Die offensichtlichen Gründe für Trumps Wahlsieg sind längst erläutert: Verlust sicherer Arbeitsplätze, sinkender Lebensstandard, sinkende Lebenserwartung, Verzweiflung. Zudem Rassismus und religiöse Intoleranz. „Aber wieso“, fragen mich Deutsche, „Warum denn ausgerechnet Trump?“ Was verleitet Menschen, die gerade noch über die Runden kommen, einem Multimillionär ihr Vertrauen zu schenken? Wie können strenggläubige Christen einen Mann wählen, dessen Handeln sich so weit außerhalb der 10 Gebote abspielt?

Zum einen hat Trump beiden Gruppen genau das versprochen, was ihnen am Wichtigsten war: Jobs. Und zum anderen den Religiösen einen Richter am Obersten Gerichtshof, der gegen Abtreibung und Homoehe ist. Aber trotzdem – wie kann man die Auswüchse seiner Persönlichkeit übersehen?

Die Macht der Symbole

Werbefachleute wissen von der Macht der Symbole. Es wird nicht das Auto verkauft, sondern das Gefühl von Freiheit; nicht Margarine, sondern das Versprechen eines unbekümmerten Lebens. Und auch wenn wir uns alle dagegen immun glauben – Werbung wirkt. Auch in der Politik. In der amerikanischen Politik sind es oft Leitbilder und Metaphern, die Wähler bewegen.

Welche uramerikanischen Ideale verkörpert Trump, die seine Anhänger ansprechen? Trump gibt sich als „Vertreter des kleinen Mannes“. Er behauptet, er sei ein hypererfolgreicher Geschäftsmann. Er könne von Lobbyisten und Spenden nicht beeinflusst werden, weil er schon selbst genug Geld habe. Daher könne er sich für die Abgehängten einsetzen, die sonst keinen Fürsprecher haben.

Ein Durchschnittseuropäer würde sofort stutzig werden. Laut allen Berichten ist Trump ein skrupelloser Geschäftemacher, hat wiederholt Pleite gemacht und ist vor allem raffgierig. Und er lässt es raushängen; seine vergoldete Wohnung in den Trump Towers erinnert an die Behausung eines ukrainischen Oligarchen. Natürlich würde er sich von der Aussicht auf noch mehr Geld beeinflussen lassen.

Der Geschäftemacher als Held

Aber Amerikaner haben ein anderes Verhältnis zu Geschäft und Geld als Deutsche. Wir sind nicht das Volk der Dichter und Denker. Wie Präsident Coolidge beteuerte, „The business of America is business.“ Unsere Ikonen sind erfolgreiche Geschäftsleute. Andrew Carnegie, J. P. Morgan, John D. Rockefeller, Henry Ford, Bill Gates und Mark Zuckerberg sind nur einige der Sterne am funkelnden amerikanischen Firmament. Nicht alle haben feinfühlig und anständig gehandelt, aber Schwamm darüber, sie waren erfolgreich. Cleveres Handeln wird bewundert. In Deutschland nicht.

Vor ein paar Jahren verkündete der Amerikaner Eric Schmidt, ehemaliger CEO von Google, dass sein Unternehmen eine Struktur habe, mit der es in Europa kaum Steuern zahlen muss. In Deutschland löste diese Aussage einen Shitstorm aus, unter anderem im Bundesfinanzministerium. Der arme Herr Schmidt wusste nicht wie ihm geschah; in Amerika kann man mit so etwas prahlen.

Wir Amerikaner haben auch eine andere Einstellung zu den Reichen. Wir gönnen ihnen ihren Reichtum, wir wollen selbst reich werden. Als ich, frisch aus Amerika, Deutsch gelernt habe, war mir das Wort ‚Sozialneid‘ nicht sofort verständlich. Dann hat mir ein Porschefahrer erzählt, dass er sein Auto zwei Straßen weiter in einer gemieteten Garage parkt. Er wohnte auf dem Land und meinte, seine Nachbarn würden es ihm übel nehmen, dass er sich den Wagen leisten konnte. Amerikanische Nachbarn reagieren anders, eher, „Wenn so ein Idiot sich einen Porsche zulegen kann, dann gibt’s auch Hoffnung für mich!“

Money Talks

In den USA bedeutet reich gleich erfolgreich. Von Anfang an war der Traum vom Reichtum das Leitprinzip Amerikas. Die Mayflower wurde von einer Gruppe privater englischer Risikokapitalgeber finanziert, die vom schnellen Geld geträumt hatten. Die Pilgerväter, die auf der Mayflower in die neue Welt gesegelt sind, waren Calvinisten.

Calvinismus ist der Gipfel einer theologischen Wandlung in der Einstellung zum Geld. Grob gesagt: Die katholische Theologie hat Pietät und Askese als Tugenden bezeichnet; ein frommer Mensch sollte sich von der Welt zurückziehen und beten. Geld scheffeln war verpönt, „denn eine Wurzel alles Bösen ist die Geldliebe.“ Luther hat das aktivere Leben gebilligt, „denn der Mensch ist zum Arbeiten geboren wie der Vogel zum Fliegen.“

Calvin, ein griesgrämiger Reformator, hat noch eins draufgesetzt: Der Mensch muss arbeiten, aber die meisten sind sowieso als Sünder verdammt. Es gibt aber einige Auserwählte, die erlöst werden. Gott gibt ihnen schon zu Lebzeiten ein Zeichen, und zwar, dass ihre Arbeit reichliche Gewinne bringt. Ergo: Reich sein heißt ein Ausgewählter Gottes zu sein.

In Europa konnte calvinistischer Extremismus nie wirklich gedeihen; Calvins Anhänger waren von moderateren Christen umgeben. Sie mussten sozusagen die Kirche im Dorf lassen. Nicht so in den USA. Die Pilger landeten dort, wo kaum noch jemand war – fast alle lokalen Indianer waren schon längst an Pocken gestorben. Es gab keine Einflüsse, die mäßigend oder abmildernd auf die Puritaner hätten einwirken können.

Wohlstandstheologie

Die Wohlstandstheologie der Pilger wurde von Generationen von (hauptsächlich protestantischen) Immigranten verinnerlicht, die in den kommenden Jahrhunderten die beschwerliche Überfahrt riskiert haben. Oft genug waren es arme Schlucker, die es dann in Amerika zu Wohlstand brachten. Wie verlockend war der Glaube, gerade deswegen gottgefällig zu sein!

Der amerikanische Traum wurde von Horatio Alger beschrieben, einem Pfarrer, der im 19. Jahrhundert zum Bestsellerautor wurde. Seine Romane hatten alle die gleiche Handlung: Ein armer und benachteiligter junger Mann hebt sich durch harte Arbeit über seine Verhältnisse hinaus, die sogenannte „vom Tellerwäscher zum Millionär“-Karriere. Zu gleicher Zeit hielt der Pfarrer Russell H. Conwell mehr als 6000-mal seine bekannte „Acres of Diamonds“-Predigt, in der er das Streben nach Reichtum rühmt: „Ich sage, dass du reich werden solltest, und es ist deine Pflicht, reich zu werden … Die Männer, die reich werden, mögen die ehrlichsten Männer sein, die du in der Gemeinschaft findest.“

Hundert Jahre später persiflierte Janis Joplin den calvinistischen Geist, der nach wie vor in Amerika herrschte:

Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz?
My friends all drive Porsches, I must make amends.
Worked hard all my lifetime, no help from my friends,
So Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz?

Das Lied wurde vor fast 50 Jahren aufgenommen und Janis Joplin ist längst an einer Überdosis gestorben. Seitdem hat sich aber nichts geändert. In unzähligen Kabelkanälen des amerikanischen Fernsehangebots kann man Pfarrer sehen, die Reichtum durch den Glauben an Jesus versprechen.

Zusammenfassung

Die Eigenschaften, die Trump hier in Europa als dubiosen Geschäftsmann und äußerst unchristlich erscheinen lassen, sind in den USA eher positiv belegt. Geschäftsmann zu sein ist per se ehrenhaft. Das sind die Leute, denen wir vertrauen. Wir glauben, dass sie die Welt verstehen und dass sie etwas bewegen können.

Wenn Trump Pleite gemacht hat und wie der Phönix aus der Asche auferstanden ist, Gott segne ihn, dann hat er aus seinen Fehlern gelernt und ist jetzt um so fähiger. Wenn er einige schräge Deals mit Geschäftspartnern gemacht hat, dann hat er gezeigt, dass er geschäftstüchtig ist. Und seine vergoldeten Badezimmerarmaturen zeigen uns, dass er ein Auserwählter ist. Er mag ab und zu daneben treten, aber er hat offensichtlich die Gnade von oben.

God bless Trump, God bless America.


Illustration: Crazygoat (Pixabay.com; Creative Commons CC0) und Emily Slate (privat).

Emily Slate ist interkulturelle Trainerin. Sie ist aufgewachsen in Boston und studierte Psychologie in den USA und Kanada. In dieser Zeit verbrachte sie ein Austauschjahr in München. Nach der Ausbildung kehrte sie nach Deutschland zurück. Nach einigen Jahren freiberuflicher Tätigkeit war sie 18 Jahre lang als interkulturelle Fachexpertin bei Siemens tätig. Sie arbeitet heute als freiberufliche Trainerin und Coach.

Von Emily Slate

Emily Slate ist interkulturelle Trainerin. Sie ist aufgewachsen in Boston und studierte Psychologie in den USA und Kanada. In dieser Zeit verbrachte sie ein Austauschjahr in München. Nach der Ausbildung kehrte sie nach Deutschland zurück. Nach einigen Jahren freiberuflicher Tätigkeit war sie 18 Jahre lang als interkulturelle Fachexpertin bei Siemens tätig. Sie arbeitet heute als freiberufliche Trainerin und Coach.

3 Antworten auf „Warum wir Donald Trump lieben“

Dass ein neues, gieriges Amerika wie Phönix aus der Asche auferstanden ist, oh Jesus, das haben sie den einfältigen Indianern zu verdanken, die nicht nur an Pocken gestorben sind.
Natürlich hat Amerika aus seinen Fehlern gelernt, aus Sklaven mutierte ein brainwashed President und die weltweit Millionen Kriegstoten haben schliesslich dazu beigetragen, dass Amerika sich zu einem gottesfürchterlichen Imperium entwickeln konnte.
Dass nicht jeder Amerikaner vergoldete Toiletten hat, don’t give a fuck, die sind halt nicht von Gott auserwählt. Das hat nichts mit Calvinismus zu tun, sondern mit dem egoistischen american way of live. Aber Politik und Religion gingen schon immer Hand in Hand um das Volk dumm zu halten und die eigenen Taschen vollzustopfen.

Der Artikel gibt eigentlich genau das Bild wieder, was viele nicht ausgewanderte Europäer von Amerika haben. Nur wenige Amerikaner sind privilegiert und die sind auch noch geistig arm. Und dem Rest kann man nur wünschen, sich vom heiligen Kriegsgott Mammon abzuwenden, ansonsten wird sich der Spruch eurer ermordeten „Urväter“ bewahrheiten, dass man Geld nicht essen kann.

Der American Dream ist ausgedreamt – weltweit. Es geht abwärts, in den USA (noch) steiler als in Europa. Zeltstädte an den Rändern der Metropolen, Slums in den Städten, auf den Straßen sind Obdachlosigkeit und Armut sichtbar. Sie frisst sich durch die untere Mittelschicht und explodiert im Inneren der Gesellschaft. Da ist nicht mehr viel Traumhaftes, es wird noch ein Albtraum, wenn nicht gegengehalten wird. Deshalb: Guter Artikel, der die Wurzeln des Übels etwas freilegt. Mehr davon.

Für Europäer und vermutlich auch für Millarden andere Weltbürger, ist es unverständlich, wie sich Trump und seine konservativen Wähler für den Leitsatz “America first” begeistern können. Was wäre, wenn hunderte von Nationen die gleiche Einstellung hätten? Diese nationalegoistische Einstellung ist nicht haltbar. Sie wird Amerika wirtschaftlich und sozial auf die Dauer schwer schädigen. So sagen es alle Experten voraus.

Ich verstehe nicht, wie in einer derat prüden Nation, Trumps sexuelle Ausschweifungen ohne weiteres verziehen werden. Das war bei Clinton ganz anders. Er wurde regelrecht zerschmettert! Er hat Jobs geschaffen ok. Aber auf Kosten von einer Schädigung der Umwelt, deren Langzeiteffekte noch immer unterschätzt werden. Wer , wie vermutlich alle Republikaner nur den TV-Sender FOX sehen, werden ihren “Helden” immer wieder bestätigt sehen.

Die USA sind ein streng gläubiges Volk. Schön, dass die Verfassung absolut allen Glaubensgemeinschften gegenüber Tolleranz zeigen. Aber nicht gegenüber Muslimen, denen nun die Einreise verweigert wird. Und was ist mit Agnostikern und Atteisten? Ein Schwarzer hat acht Jahre lang als Präsident das Land regiert. Eine Frau wäre fast Präsidentin geworden. Undenkbar, dass ein “Ungläubiger” die Spur einer Chance hätte, auch nur in die Vorwahl zu kommen!

Millonen Amerikaner orientieren eihren Glauben an Calvins Interpretation des Christentums. Hat Calvin, der Miessepeter und Diktator in Genf überhaupt die Bibel gelesen? Wo hat er Hinweise gefunden, dass Gott die Privilegierten und Reichen bevorzugt und ihnen das Paradies öffnet? Ich bin als überzeugter Atteist wesentlich biebelfester, so scheint mir. Es gibt die Geschichter vom reichen Jüngling der sich den Jüngern Jesus anschliessen wollte. Jesus verlangte von ihm, dass er seinen Reichtum aufgeben sollte. Das machte sich der Jüngling von dannen. Von Jesus satmmt auch der Satz: “Es ist leichter, dass ein Kamel durch eien Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in den Himmel kommt” (Mit dem Nadelöhr war eine Pforte in der Stadtmauer von Jerusalem gemeint. Ohne die “Last eines Begüterten” könnte das Kamel durch die Pforte laufen. Warum orientieren sich die bigotten Amerikaner, nur an den Weisheiten der Calvinisten und ihrer Nachfoger, die offensichtlich auch Trump beinflusst haben?

Wir Europäer werden Trump und seine Anhänger niemals verstehen können. Nur eine Minderheit schwärmt noch von dem “american way of live” z. B der deutsche Präsident Steinmeyer..

Die aussenpolitischen und internationalen Entscheidungen von Trump werde ich bei dieser Gelegenheit garnicht erst kommentieren. Amerika droht durch Trump ein schweres Debackel.

ES LEBE AMERICAN FIRST!!!

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