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Mensch & Natur

Bis zum letzten Atemzug

Die Verschmutzung der Luft ist eine der Hauptursachen für Krankheiten und Todesfälle in der Welt.

Jeden Tag sind durchschnittlich mehr als 1000 vorzeitige Todesfälle vor allem durch Feinstaub, Stickstoffdioxid und bodennahes Ozon in den EU-Ländern zu beklagen, weil sich bisherige politische Maßnahmen zur Reduktion von Luftschadstoffen als unzureichend erweisen. Emissionssenkungen müssen dringend priorisiert werden.

Diese Warnung kommt von ungewohnter Seite, nämlich nicht von Klimaforschern, Umweltschutz-NGOs oder Medizinern, sondern vom Europäischen Rechnungshof (EuRH).

“Die Luftverschmutzung ist das größte umweltbedingte Gesundheitsrisiko in der Europäischen Union”, so Janusz Wojciechowski, einer der Autoren des EuRH-Sonderberichts Luftverschmutzung: Unsere Gesundheit ist nach wie vor nicht hinreichend geschützt.

Jährlich verursacht die Luftverschmutzung weit über 400.000 vorzeitige Todesfälle in der Europäische Union. Dabei gelten in der EU seit rund 30 Jahren Rechtsvorschriften zur Luftreinhaltung, in denen Grenzwerte für Luftschadstoffkonzentrationen festgelegt sind. Trotzdem ist die Luftqualität in den meisten EU-Mitgliedstaaten und in zahlreichen europäischen Städten schlecht. Weltweit sieht die Situation noch schlimmer aus.

Die Lancet Commission errechnete in einer Studie 9 Millionen vorzeitige Todesfälle durch Umweltverschmutzung allein im Jahr 2015.

“For decades, pollution and its harmful effects on people’s health, the environment, and the planet have been neglected both by governments and the international development community. Pollution is the largest environmental cause of disease and death in the world today, responsible for an estimated 9 million premature deaths in 2015. (…)”

“Seit Jahrzehnten werden Umweltverschmutzung und ihre schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen, die Umwelt und den Planeten sowohl von Regierungen als auch von der internationalen Entwicklungsgemeinschaft vernachlässigt. Die Umweltverschmutzung ist heute die größte Ursache für Krankheiten und Todesfälle in der Welt und verantwortlich für schätzungsweise 9 Millionen vorzeitige Todesfälle im Jahr 2015.”

Weiter heißt es:

“(…) 92% of all pollution-related mortality is seen in low-income and middle-income countries. A new Lancet Commission on pollution and health aims to confront and overturn this urgent predicament. The substantial health and economic costs of pollution globally can no longer be ignored.”

“92 % der gesamten umweltbedingten Mortalität entfallen auf Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Eine neue Lancet-Kommission für Umweltverschmutzung und Gesundheit will sich dieser dringenden Situation stellen und sie überwinden. Die erheblichen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Kosten der Umweltverschmutzung weltweit können nicht mehr ignoriert werden.”

Die mit Abstand gravierendsten gesundheitlichen Folgen hat die Verschmutzung der Luft. Auf sie gehen rund 6,5 der 9 Millionen Todesfälle zurück.

Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen sind die Haupttodesursache. Etwa 1,8 Millionen Menschen sterben durch die Aufnahme von verschmutztem Wasser, fast 1,3 Millionen durch Schadstoffe, die am Arbeitsplatz auftreten und Bleivergiftungen.

“Die EU-Politik hat in den letzten Jahrzehnten zwar dazu beigetragen, die Emissionen zu vermindern, die Luftqualität hat sich jedoch nicht in gleichem Maße verbessert, und die Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit sind nach wie vor erheblich”, kritisiert Wojciechowski die unzureichende Umweltpolitik. Die dadurch eingebüßten gesunden Lebensjahre jedes einzelnen Europäers sind dabei durchaus mit Zahlen aus Ländern vergleichbar, die man gemeinhin mit Luftverschmutzung und Smog in Verbindung bringt, wie etwa China oder Indien.

Hohe Kosten, kaum Erfolge

Wie aus dem neuen Wirtschaftlichkeitsprüfungsbericht hervorgeht, der den Zeitraum 2008 bis März 2018 untersuchte, haben die Maßnahmen der EU zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor Luftverschmutzung nicht die erwartete Wirkung gezeigt. Die gesundheitsbezogenen externen Kosten belaufen sich auf mehrere Hundert Milliarden Euro.

Diese erheblichen menschlichen und wirtschaftlichen Kosten hätten sich jedoch noch nicht in geeigneten Maßnahmen niedergeschlagen, was in erster Linie auf schwache Rechtsvorschriften und eine unzulängliche Umsetzung durch die Politik zurückzuführen sei, aber auch auf langwierige Durchsetzungsverfahren, heißt es im EuRH-Bericht.

Für die Einhaltung der Luftgüte-Grenzwerte der EU, die viel höher angesetzt sind als die Leitlinien der WHO empfehlen, wodurch “Gesundheitswarnungen” bei Höchstbelastungswerten viel zu spät erfolgen, sind zwar die EU-Mitgliedsstaaten selbst zuständig, doch in vielen Ländern werden diese Grenzwerte immer wieder deutlich überschritten, wofür vor allem bei den Stickoxiden hauptsächlich der Straßenverkehr (und die Energiegewinnung aus Kohle) verantwortlich ist. In 23 von 28 Mitgliedstaaten werden die Luftqualitätsnormen überschritten und in mehr als 130 Städten in ganz Europa.

Die EU-Kommission hatte daher bereits Deutschland, Frankreich, Ungarn, Italien, Rumänien und Großbritannien vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Dies führte in Deutschland unter anderem zu Diesel-Fahrverboten in mehreren Städten. “Vorwarnungen” der kommission ergingen auch an Österreich und mehr als ein Dutzend weiterer Länder.

Luftverschmutzung Mitursache für Zivilisationserkrankungen

Über den Grenzwerten liegende, hohe Schadstoffkonzentrationen sind zwar die deutlichste Ausprägung der Luftverschmutzung, die langfristige Exposition gegenüber niedrigeren Dosen stellt jedoch eine noch größere Gefahr für die menschliche Gesundheit dar. Laut Angaben der WHO (Weltgesundheitsorganisation) werden 80 Prozent der vorzeitigen Todesfälle aufgrund von Luftverschmutzung durch Herzerkrankungen und Schlaganfälle verursacht, gefolgt von Lungenerkrankungen, einschließlich Krebs und einer Reihe weiterer Erkrankungen.

Selbst Intelligenz und Denkleistung können durch Umweltgifte gemindert werden, wie weitere Studien, etwa von der UNICEF implizieren. Die durchschnittliche Lebenserwartung würde schon alleine aufgrund der Feinstaub-Belastungen aus menschlichen Quellen um etwa 8,6 Monate niedriger sein als sonst. Besonders gefährdet sind dabei alle in Ballungsräumen lebende Menschen. Bis zu 96 Prozent der in städtischen Gebieten lebenden Bürger sind Luftschadstoffkonzentrationen ausgesetzt, die von der WHO als gesundheitsschädlich betrachtet werden.

Um sich ein für jedermann vorstellbares Bild von der Belastung zu vermitteln, wurde in einer Studie der European Federation for Transport and Environment (T&E) zum Vergleich errechnet, dass ein Jahr in Wien, Amsterdam, Rom oder Paris zu leben, ungefähr dem Konsum von 183 Zigaretten gleichkommt.

Energiewende, Grenzwerte senken, Bildung stärken

Der Rechnungshof empfiehlt der Kommission, dringend wirksamere Maßnahmen zu ergreifen, um die Luftqualitätsrichtlinie zu aktualisieren (sprich: die Grenzwerte auf die WHO-Empfehlungen zu senken), die Luftqualitätspolitik zu priorisieren sowie das öffentliche Bewusstsein zu stärken und sowohl die Umwelt-Bildung als auch die Möglichkeiten für öffentliche Beteiligung zu verbessern.

Die Ziele des EU-Rahmens für die Klima – und Energiepolitik bis 2030, die darin bestehen, die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent zu senken, den Anteil erneuerbarer Energiequellen auf mindestens 27 Prozent zu erhöhen und die Energieeffizienz um mindestens 27 Prozent zu steigern, könnten darüberhinaus alle zu Emissionsminderungen beitragen. Die Energiewende , bzw. der Übergang zu CO2-armen Energieträgern wäre der Luftqualität und unserer Gesundheit also sehr von Nutzen.

Weiterführende Informationen

EuRH Sonderbericht: Luftverschmutzung: Unsere Gesundheit ist nach wie vor nicht hinreichend geschützt. Bericht verfügbar als PDF auf https://www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/SR18_23/SR_AIR_QUALITY_DE.pdf (abgerufen am 16.09.2018).

The Lancet Commission: Pollution, health, and the planet: time for decisive action (19. Oktober 2017; Pamela Das und Richard Horton). Zusammenfassung verfügbar auf https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(17)32588-6/abstract (abgerufen am 16.09.2018).

World Health Organization (Fact sheets): Ambient (outdoor) air quality and health. Auf http://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/ambient-(outdoor)-air-quality-and-health (abgerufen am 16.09.2018).


Foto: Danielle Tunstall (Pixabay.com, Creative Commons CC0).


Fotograf, Journalist, Texter und Grafikdesigner

Robert Manoutschehri war Fotograf, Journalist, Texter und Grafikdesigner aus Österreich. Er engagierte sich ehrenamtlich für zahlreiche Bürgerinitiativen und NGO’s und berichtete regelmäßig über die Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent und die weltweiten Auswirkungen des Klimawandels. Er lebte in Wien.

Von Robert Manoutschehri

Robert Manoutschehri war Fotograf, Journalist, Texter und Grafikdesigner aus Österreich. Er engagierte sich ehrenamtlich für zahlreiche Bürgerinitiativen und NGO’s und berichtete regelmäßig über die Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent und die weltweiten Auswirkungen des Klimawandels. Er lebte in Wien.

3 Antworten auf „Bis zum letzten Atemzug“

Och Robert, nicht schon wieder Umwelt, das kann man auch anders vermitteln. Der Dieter ist da viel optimistischer, der sagt nämlich, im Radio und im Fernsehen immerzu, dass die Welt heute viel sicherer, besser und sauberer ist als früher.
Und Asthmatiker sind sowieso selber schuld. Auch die Medien übertreiben masslos und ausserdem liegt das Übel der Welt an dem Zuviel an Informationen. Wir haben nicht mehr die genügende Distanz zum Elend der Welt.

– Dieter? –
Dieter Nuhr, Angelas Hofnarr, der vor ausverkauften Häusern frenetischen Applaus bekommt.

Also, dann kann das doch alles gar nicht so schlimm sein, wenn die Leute auch noch lachen. Oder?

Glaubste nich, dann kieck mal hier:
[HINWEIS ADMIN: Video nicht abrufbar. Videolink gelöscht.] oder hier:

Gutes Video, lustig und Nuhr leicht neben der Spur. Die Kinder klettern nicht auf Bäume, weil es im Slum keine gibt, auf einem Schild steht “Klettern Verboten”, in einer Verordnung steht “Klettern Verboten”, ein Beamter meint “Klettern Verboten” oder ein anderen Depp, dass jedes Kind ein Handy braucht mit Kletter-App.

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