Heute wird sehr oft und viel über Interkulturalität geredet und geschrieben. Das ist ein Resultat der immer größeren Mobilität auf der Welt und es ist das Ergebnis von zunehmenden Krisen, die auf ökologische Fehlentwicklungen oder schlicht auf Kriege zurückzuführen sind.
So setzen sich immer mehr Menschen in Bewegung und verlassen die geografischen Räume, in denen sie sozialisiert wurden und in denen sie die dortige Vorstellung vom Leben und seiner Ordnung vermittelt bekamen.
Angesichts der immer größer werdenden Zahlen von Migranten, wird in bestimmten Foren bereits von einer nomadisierten Welt gesprochen. Der Begriff der Interkulturalität setzt an bei den Unterschieden, die aufeinandertreffen, wenn Gruppen verschiedener Kulturkreise aufeinandertreffen. Dann geht es um Vermittlung und Kommunikation mit möglichst wenigen Irritationen.
Was eigenartigerweise wenig im Fokus der Untersuchungen steht, sind die Gemeinsamkeiten, die weltweit existieren. Ich selbst hatte das Privileg, im Verlauf meines Lebens in sehr unterschiedlich empfundenen Kulturkreisen zu leben und zu arbeiten. Bei allen Unterschieden, die tatsächlich existieren, war eines jedoch erstaunlich: Es herrschten gemeinsame Werte, die, quasi entkoppelt von Nation, Religion und Tradition, Gültigkeit hatten.
Um es einfach und so berauschend, wie es ist, auszudrücken, gab es sehr klare Vorstellungen davon, was gut und was schlecht, was richtig und was falsch ist.
Ich erinnere mich, als ich mich mit einer jungen muslimischen Mutter auf der fernen Insel Java über die Erziehung ihrer Kinder unterhielt und ich nicht das Gefühl los wurde, dass die Werte, die sie vermitteln wollte, exakt dem entsprachen, was sich meine Eltern bei mir vorgestellt hatten.
Die menschheitsgeschichtlichen Konstanten der Zivilisation, wie ich es einmal nennen möchte, das heißt die Werte, die sich im Zusammenleben der Menschen überall auf der Welt durchgesetzt haben, sind jedoch nicht die Werte, mit denen auf der Werbetrommel derer gerührt wird, die versuchen, damit für Konfrontation und Krieg zu mobilisieren.
Dieser Gedanke ist absurd und entlarvend zugleich. Wer für den Krieg plädiert, und davon haben wir zu viele Politiker, die in Verantwortung stehen, katapultiert sich aus dem Wertekanon der Weltzivilisation. Und, da ist die Konsequenz die Mutter aller Besserung, ihnen gebührt kein Gehör. Wichtig und richtig hingegen ist es, nach den gemeinsamen Werten mit denen zu suchen, die vermeintlich im anderen Lager stehen.
Bei der Betrachtung des Tagesgeschäfts fällt auf, dass immer dort, wo Menschen mit Macht ausgestattet sind, hierzulande das Wissen um und die Verpflichtung auf die globalen Werte verloren geht.
Das bezieht sich vor allem auf die westliche Hemisphäre, in der zunehmend zivilisatorische Barbaren nach der Macht greifen.
Wenn jedoch die im Amt, die vor den neuen Barbaren warnen, selbst das Gefühl dafür verlieren, was richtig und was falsch, was gut und was schlecht ist, dann ist die Zukunftsprognose nicht gut. Der Fall um den ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen war so einer. Da wurde jemand nach oben katapultiert, obwohl er hätte gerügt werden müssen. Da wurde die Entscheidung revidiert, nachdem die Akteure erstaunt festgestellt hatten, dass so etwas im Volk auf große Befremdung stieß.
Der Fall dokumentierte sehr deutlich, dass das Gefühl für die eigenen Werte bei denen, die ein Mandat haben, nicht mehr ausgeprägt ist. Von ihnen trennt mich mehr als von der Muslimin auf der Insel Java.
Foto: Ifan Bima (Unsplash.com).
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
2 Antworten auf „Weltzivilisation und Provinzbarbaren“
Ist es wirklich so sinnvoll, eine Vereinheitlichung anzustreben? Die so geforderte Globalisierung strebt das an. Wenn die Eigenheiten von Ländern erhalten bleiben,
so kann das nur für die Verschiedenheit im Denken von Vorteil sein. Bestes Beispiel ist die EU, nicht einmal hier kann meistens keine Übereinstimmung erreicht werden. Hier zeigt sich, dass sogar in Ländern mit einigermaßen gleichem Wohlstand von den Bürgern der Wunsch nach Vielfalt überwiegt. Auch werden Entscheidungen immer mehr verzögert, je größer die Anzahl der Teilnehmer wird.
Die EU eignet sich nicht als Beispiel. Die EU-Organe haben außer bei Zöllen und Wettbewerb keine Entscheidungsbefugnis. Mehr dazu auf wordpress.com – fibeamter.com