Die schwergewichtigen Analysten des politischen Geschehens geben ihre Erkenntnis preis, die schlechten Ergebnisse für die CSU und die SPD in Bayern hätten mit dem Gezänke der Großen Koalition in Berlin zu tun. Das ist etwas kurz gegriffen.
Sicher, das gemeine Wahlvolk, das es so eigentlich gar nicht gibt, mag keinen Zank, es ist für Ruhe und besonnenes Handeln. Aber wenn die Ruhe die des Friedhofs wäre, könnte mit dem gleichen Unmut reagiert werden und niemand würde sich wundern.
Was sagt das bayrische Wahlergebnis? Und allen Euphorikern aus dem alternativ-protestantisch-bunten Bürgertum sei ein wenig Realität empfohlen: Circa 60 Prozent der bayerischen Wähler haben Rechts gewählt. CSU, Freie Wähler und AfD kommen auf diese Marge. Und da es sich bei der CSU nicht um eine sozial-demokratisierte Partei wie die Bundes-CDU handelt, ist die Behauptung keine Provokation.
Neben diesem gewaltigen Block blitzen die Grünen als nunmehr zweitstärkste Partei auf, was dem Wunsch vieler Christdemokraten entsprechen dürfte, doch etwas mehr Liberalität zu bekommen wie zum Beispiel von der großen Mutterpartei im Bund. Und die SPD bleibt auf Talfahrt. Und zwar so dramatisch, dass sich viele Menschen, auch Nicht-Sozialdemokraten, betrübt der Lektüre historischer Werke zuwenden und im Stillen vergangene bessere Zeiten genießen.
Der wohl größte Schlag, den die Parteienlandschaft im Moment erlebt, ist nicht das Erstarken der AfD, sondern der dramatische Abstieg der Sozialdemokratie. Sie wird erlebt als eine in vielen Jahren unter Beteiligung an den Regierungsgeschäften mürbe gewordene Partei, in der sich viele Apparatschiks herumtreiben, die programmatisch nichts mehr zu bieten haben als abstrakte Formeln aus dem bürgerlich-libertäten Milieu.
Das alles zu erklären mit dem Absterben des Proletariats ist eine gezielte Verharmlosung. Noch arbeiten Millionen Menschen in diesem Land in der Wertschöpfung, und zwar zu Bedingungen, die schlechter sind als die in europäischen Nachbarländern.
Der Kollektivschlaf von Partei wie Gewerkschaften hat dazu geführt, dass die Klasse derer, die in diesem Land die Werte schafft, sich mittlerweile vorkommt wie ein Zaungast im technokratisch-bürokratischen Labor für Selbstfindungsprojekte oder als erklärte Dumpfbacken, die die infantilen Selbstüberhöhungen der Kreativwirtschaft lediglich bewundern sollen.
Anstatt den Parteinachwuchs aus den Zuchthäusern synthetischer Milieus zu rekrutieren, wären Menschen „aus dem richtigen Leben“ vielversprechender. Die werden nämlich schmerzlich von allen Seiten vermisst.
Der Ruck nach Rechts wurde also auch in Bayern manifest. Das wird so weitergehen. Und jeder ist schlecht beraten, nur auf das Geschimpfe derer zu hören, die nicht mehr gewählt werden.
Die Verhältnisse sind anscheinend nicht so gut, wie die Gescholtenen das glauben. Ein guter Rat wäre, sich damit einmal selbstkritisch auseinanderzusetzen. Andere zu beschimpfen lenkt zumeist von der eigenen Leistung ab und vergeudet nur Zeit.
Wie wäre es, sich nicht gleichzeitig allen, aber doch entscheidenden Themen zu widmen?
Zum Beispiel, dass die Gewerkschaften mit den Belegschaften wieder so etwas wie eine gesellschaftliche Einmischung üben. Und natürlich, dass sie für anständige Löhne kämpfen. Und wie wäre es, eine Position gegen den Krieg zu vertreten? In der Ukraine, in Syrien, im Jemen? Oder, statt sich verdeckt an Milliardenprojekten in der Türkei zu beteiligen, die gleichen Summen in die Infrastruktur des eigenen Landes zu investieren?
Ach, es gäbe so vieles und die Themen liegen auf der Straße. Und wer nicht hören will, so wissen wir alle, wer nicht hören will, muss fühlen.
Foto: Claudio Pecci (Unsplash.com).
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
3 Antworten auf „Wer nicht hören will …“
In ganz Europa ist festzustellen, dass die Bürger – als Bürgen – sich beim Miteinander keine Lösung mehr bei den „Linken“ erhoffen und so den Versuch wagen, diese Aufgabe den „Rechten“ zu übertragen. Wahrscheinlich ist es aber das „Geldsystem“, das im Grunde als Auslöser des allgemeinen Unbehagens zu gelten hat. Es hat sich überall durch das Geldsystem das Geld bei Wenigen angereichert und diese bestimmen somit alle wesentlichen Vorgänge im Umgang miteinander, bestes Beispiel ist dabei die Globalisierung. Da dieser Einfluss so wenig erkannt wird, ist es immer noch das Geld, dem sich alles unterordnen muss. Wenn das Vielen erst einmal klar geworden ist, könnte man zunächst einmal das Vollgeldsystem in Betracht ziehen und Geld nur wieder als Tauschmittel eingeordnet wird.
Das gleiche Problem könnten wir auch mit enem anderen Geldsystem haben.
Entscheidend scheint mir, dass die Punkte, die bei der Regelung und Kontrolle der Geldverteilung JETZT ausgelassen oder nicht beachtet werden, dass diese Punkte überhaupt beachtet werden und in die Regelungskreisläufe von Entscheidern, Entscheidungen und Abwägungen einbezogen werden MÜSSEN!
Nur ein Bsp: Es gilt bei Ausschreibungen (immer/häufig?) die Regel, dass der Billigste den Zuschlag erhält. Dass der dann sein Angebot runterrechnet, bis es (meistens bei den Arbeitsbedingungen oder in den Lohntüten) quitscht und dann alle Nachbesserungen wieder als Nachtrag doch wieder auf die Rechnung kommen, ist nur die eine Hälfte.
Dass der Preis nicht nur das einzigste Kriterium sein kann / darf wird regelmäßig unterschlagen. Es gibt viel mehr Kriterien für eine Entscheidung, WEIL: JEDER Euro, der an der einen Stelle eingespart wird, bedeutet, dass entweder Löhne runter gehen oder an der Materialqualität gespart wird. Letztlich ist es “linke Hosentasche … rechte Hosentasche”. Die Summe bleibt aber immer gleich!
Dieser Unterschied muss dann irgendwie ausgeglichen werden: Entweder über Sozialleistungen (iiihhhh Buh! … das geht ja gar nicht, dass der Sozailanteil im Landes- oder Bundeshaushalt immer so weit ansteigt! Wir müssen doch sparen!) ODER über Reparaturen, Nachbesserungen oder diverse Formen von Privatisierungen. Nachbesserungen oder Reparaturen will zwar auch keiner, aber so lang ist das Gedächtnis vieler Menschen nicht und bei Privatisierungen schützt das Vertrags- und Steuergeheimnis und und die verantwortlichen “Entscheider” in Politik und Wirtschaft sind im Fall, dass etwas Geruch entwickelt, dann schon wegbefördert, weggelobt, zu nächsten Firma oder Stellung weiter gezogen (Drehtür zwischen Politik und Wirtschaft) oder tot. Also kürzt man lieber Löhne oder (besser: und) Sozialleistungen.
Mit Vollgeld kann es diese Probleme auch geben.
Lediglich die Möglichkeit mit dem Geld zu spielen und auf alles zu Wetten, was nicht bei 3 auf dem Baum ist, ist reduziert, weil die Latte früher erreicht ist.
Die Liste der notwendigen Limitierungen ist aber nicht am Ende… Hochfrequenzhandel … Steuerlast, wo der Gewinn erwirtschaftet wird … Bindung der Steuerlast an die Staatsbürgerschaft … Kontrolle der Banken… Steuern für Konzerne
sind nur einige Punkte.
ich hatte ja gedacht, dass sich die SPD, so rein zu Spaß, das FDP-Projekt 18 von der anderen Seite – also von oben – einmal ansehen will. Aber die meinen es scheinbar wirklich erst. [In Bayern muss man sicherlich noch einige Prozente abziehen und so kommt es dann zu 18 minus X.] Aber, dass das lustige Projekt so gut zu laufen scheint, will in der Parteiführung noch scheinbar keiner so recht sehen. Und die Parteimitglieder lassen der Führung die lange Leine und tragen letzlich alles kommentarlos mit. Man ist scheinbar sehr bequem in der alten Tante und hofft, dass sich das schon einrenken wird, wenn man nur lange genug wartet. Bei Kohl hat man noch geschimpft, dass der alles aussitzen würde. Das kann eben nicht nur eine Person, sondern auch ein ganzer Apparat.
Wenn es nur um Kinder gehen würde, die im Sandkasten mit Plastikförmchen spielen würden, könnte man lächeln, lachen oder hämisch grinsen. Aber es wird mit:
– der Umwelt
– der Gesundheit
– der Weltpolitik
– mit unserer Gesellschaft und
– unseren materiellen und imateriellen Werten (der freien, westlichen, Demokratie *hust*, DEM guten Vorbild für alle anderen Gesellschafts- und Regierungsformen *hust* *räusper* *keuch*) gespielt und nicht mit roten, blauen, schwarzen, grünen und grauen Plastikförmchen.
Das ist bei der ganzen Geschicht das Schlimme. Es geht um persönliche Eitelkeiten von teilweise mehr als abgehalfterten “Persönlichkeiten” in Kommune, Land und Staat, Einnahmen von Parteikassen und Pöstchenschieberei, damit auch keiner der Beteiligten über Langeweile schimpfen muss. – Und das ein oder andere Interview im TV lockert den Tagesablauf ein wegig auf.
Oh Mann!