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Mensch & Natur

60 Prozent weniger Wildtiere: Raubbau beschleunigt das Artensterben

Living Planet Report 2018: Lebensräume schwinden, immer mehr Arten sterben aus.

Der menschliche Raubbau an der Natur belastet unseren Planeten stärker als je zuvor. Seit 1970 reduzierten sich die weltweiten Wirbeltier-Bestände durchschnittlich um 60 Prozent – in Österreich sogar um 70 Prozent.

Diesen alarmierenden Trend verdeutlicht der vom World Wide Fund For Nature (WWF) erstellte Living Planet Report, der unsere Erde alle zwei Jahre einem “Gesundheitscheck” unterzieht. [1, 2, 3]

Seit 40 Jahren gehen die Tierbestände weltweit kontinuierlich zurück, inzwischen um 60 Prozent gegenüber dem Beginn der Messungen im Jahr 1970. Demgegenüber steht der weiter ansteigende Ressourcenverbrauch der Menschheit.

Der Zusammenhang beider Entwicklungen ist offensichtlich: Die Menschheit nutzt seit 40 Jahren mehr natürliche Ressourcen als die Erde erneuern kann. Der Ökologische Fußabdruck der Menschheit wird permanent größer: 1,7 Erden bräuchte es momentan, um den Ressourcenverbrauch zu decken.

Die Hauptgründe für den Verlust von Biodiversität sind Übernutzung und Lebensraumverlust. Die Abholzung der Wälder, Überfischung und der Verlust natürlicher Lebensräume gehen auf Kosten der Natur, der Artenvielfalt und der Funktionsfähigkeit der Ökosysteme.

Darüber hinaus bedrohen invasive Arten, Umweltverschmutzung und zunehmend auch der Klimawandel die Biodiversität.

Aber nicht nur auf Wirbeltiere wirkt es sich aus, wie die Menschheit mit ihrer Lebensgrundlage umgeht: Die meisten Blütenpflanzen werden von Insekten und anderen Tieren bestäubt, über 75 Prozent der weltweit wichtigsten Nahrungspflanzen sind darauf angewiesen. Die Ernährungssicherheit ist somit stark von den Bestäubern abhängig.

Eine veränderte Landnutzung aufgrund intensiver Land- und Forstwirtschaft und der weitere Ausbau von Straßen, Siedlungen, et cetera ist einer der wesentlichen Gründe für das Verschwinden der Bestäuber oder anderer wichtiger Arten, insbesondere wenn natürliche Gebiete, die Nahrung und Brutplätze bieten, geschädigt werden oder verschwinden.

“Die größten Gefahren für unseren Planeten und uns selbst sind direkt mit dem menschlichen Raubbau an der Natur verbunden. Naturschutz ist kein Luxusthema, sondern sichert unsere Lebensgrundlagen. Die biologische Vielfalt ist unsere beste Versicherung gegen die negativen Einflüsse der Naturzerstörung, sei es als Puffer gegen die Folgen der Klimakrise oder als Grundlage für Gesundheit, Wohlstand, Ernährung und Sicherheit der Menschheit. Die Übernutzung der natürlichen Ressourcen führt zur Zerstörung und zum Verlust von Lebensräumen”, erklärt Artenschutz-Experte Georg Scattolin.

Gemeinsam mit dem WWF fordert er ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen im Stile des Pariser Klimavertrags:

“Das Artensterben ist nicht auf einzelne Brennpunkte beschränkt, sondern findet auf allen Erdteilen statt. Wir erleben einen beispiellosen Niedergang der Natur. Das Zeitfenster für Gegenmaßnahmen schließt sich bereits. Die Welt braucht einen globalen Naturschutzpakt, um die Trendwende zu schaffen.”

70 Prozent weniger Wildtiere in Österreich

Gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur (BOKU) hat der WWF erstmals auch eine eigene Analyse für Österreich erstellt, die konkrete politische Versäumnisse beim Erhalt der biologischen Vielfalt aufzeigt.

“Die Wirbeltierbestände in Österreich sind in einem schlechten Zustand. Im untersuchten Zeitraum (1986 bis 2015) kam es zu einem Rückgang von im Schnitt 70 Prozent. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Living-Planet-Index (LPI) auf globaler Ebene bereits von 1970 bis 1986 eine weltweite Abnahme der Bestände um 30 Prozent anzeigt, erscheint die aktuelle Situation in einem noch dramatischeren Licht”, sagt Artenschutz-Experte Arno Aschauer.

Obwohl seit 1995 EU-Mitglied und mit entsprechenden Verpflichtungen behaftet, werden lediglich 18 Prozent der europarechtlich geschützten Arten und nur 44 Prozent der europarechtlich geschützten Lebensräume (gemäß FFH-Richtlinie) in einem österreichweit einheitlichen Monitoring untersucht – dementsprechend oft fehlen Schutzmaßnahmen.

“Es braucht ein völliges Umdenken. Bund und Länder müssen Österreichs internationale Verpflichtungen nicht nur einhalten und engagierter umsetzen, sondern sie sogar übertreffen. Ansonsten wird das laufende Artensterben nicht zu stoppen sein. Es ist schon fünf nach zwölf”, warnt Aschauer vor weiterem politischen Stillstand.

“Es braucht weit mehr Anstrengungen zum Erhalt unserer Artenvielfalt, sowohl im Bereich der Grundlagenforschung als auch bei der Umsetzung”, sagt Prof. Klaus Hackländer, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des WWF Österreich.

“Österreich braucht mehr denn je einen konkreten politischen Aktionsplan für mehr Arten- und Naturschutz. Es braucht mehr Rückzugsräume und Schutzgebiete, die ihren Namen auch verdienen. Umweltschädliche Subventionen müssen auf allen Ebenen gestoppt werden. Parallel dazu braucht es mehr Forschung und Monitoring, um negative Trends überhaupt erkennen zu können”, so Aschauer.

Die “One Planet” Perspektive des WWF

Ein gesunder Planet ist Voraussetzung für ein gesundes Leben. Ohne konsequenten Richtungswechsel nehmen die ökologischen Systeme weiteren Schaden. Dann muss die Menschheit mit ernsten ökonomischen und sozialen Konsequenzen rechnen.

Knappere natürliche Ressourcen führen zu Konflikten. Die gute Nachricht: Werden konsequente Maßnahmen ergriffen, ist eine Trendumkehr noch möglich! Doch ein Richtungswechsel gelingt nur, wenn Regierungen, Unternehmen, Forschung und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten.

Dazu sollen unter anderem bis 2020 von Bund und/oder Ländern nationale Aktionspläne (mit klaren Zuständigkeiten und Finanzierungen sowie messbaren, terminisierten und ergebnisorientierten Zielen) für die 20 wichtigsten Arten Österreichs erstellt und mit deren Umsetzung begonnen werden. Der Erhalt und die Wiederherstellung wertvoller Lebensräume in und außerhalb von Schutzgebieten müsste ebenso sichergestellt werden, wie die Einstellung biodiversitätsschädigender Subventionen durch die öffentliche Hand. Außerdem solle ein bundesweiter Forschungsschwerpunkt Biodiversität eingerichtet und ausreichend dotiert werden, so die Forderungen des WWF.

Kernstück der WWF-Studie, die einen Gradmesser für den ökologischen Zustand der Erde darstellt, ist der Living-Planet-Index, der die Populationsdaten von Wirbeltierarten ermittelt und die durchschnittlichen Bestandsveränderungen darstellt.

Der LPI basiert auf wissenschaftlichen Daten von mehr als 16.700 untersuchten Populationen von über 4.000 Wirbeltierarten weltweit.

Der LPI wurde 1998 erstmals erstellt. Er zeigt die Auswirkungen menschlichen Verhaltens auf die Tierwelt auf und trifft Aussagen über die Bestandsentwicklung tausender Säugetier-, Vogel-, Fisch- und Reptilien-und Amphibienarten.


Quellen und Anmerkungen

[1] Link zum 148 Seiten umfassenden Living Planet Report 2018 (verfügbar in Englisch als PDF): https://www.wwf.at/de/view/files/download/showDownload/?tool=12&feld=download&sprach_connect=3304 (abgerufen: 30.10.2018).

[2] Link zur Zusammenfassung (Fact Sheet) des Living Planet Report 2018 (verfügbar in Deutsch als PDF): https://www.wwf.at/de/view/files/download/showDownload/?tool=12&feld=download&sprach_connect=3306 (abgerufen: 30.10.2018).

[3] Der World Wide Fund For Nature (bis 1986 lediglich World Wildlife Fund) ist eine Schweizer Stiftung, die 1961 gegründet wurde. Sie ist eine der größten internationalen Natur- und Umweltschutzorganisationen. Der Große Panda ist das Wappentier des WWF, der sich für den Erhalt der biologischen Vielfalt der Erde, die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen und die Eindämmung von Umweltverschmutzung und schädlichem Konsumverhalten einsetzt. Die Organisation unterhält Büros in über 80 Ländern und wird angeblich von mehr als fünf Millionen Menschen unterstützt. Seit der Gründung soll der WWF, der sich überwiegend durch Spenden finanziert, rund 11,5 Milliarden US-Dollar in über 13.000 Projekte investiert haben. Die Organisation geriet in der Vergangenheit unter anderem wegen ihrer Nähe zu Konzernen und angeblicher Intransparenz in die Kritik.


Foto: Geran de Klerk (Unsplash.com).

Fotograf, Journalist, Texter und Grafikdesigner

Robert Manoutschehri war Fotograf, Journalist, Texter und Grafikdesigner aus Österreich. Er engagierte sich ehrenamtlich für zahlreiche Bürgerinitiativen und NGO’s und berichtete regelmäßig über die Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent und die weltweiten Auswirkungen des Klimawandels. Er lebte in Wien.

Von Robert Manoutschehri

Robert Manoutschehri war Fotograf, Journalist, Texter und Grafikdesigner aus Österreich. Er engagierte sich ehrenamtlich für zahlreiche Bürgerinitiativen und NGO’s und berichtete regelmäßig über die Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent und die weltweiten Auswirkungen des Klimawandels. Er lebte in Wien.

Eine Antwort auf „60 Prozent weniger Wildtiere: Raubbau beschleunigt das Artensterben“

Der Autor schreibt selbst, spätestens seit den 1970er Jahren ist das Problem bekannt. Und was tun wir seit dem?

Regenwälder werden maschinell noch schneller abgeholzt als je zuvor.
Der weltweite Strassenbau verteilt sich wie ein Spinnennetz über den gesamten Globus.
Weltweit gibt es mittlerweile 50.000 Flughäfen.
Industriegebiete und Einkaufszentren rauben den Tieren nicht nur den Platz, sondern auch Ressourcen und vergiften die Umwelt durch die Herstellung der Produkte.
Städte expandieren weltweit, genauso wie der Autoverkehr.
Zunehmende, qualvolle Massentierhaltungen kontaminieren das Grundwasser mit Nitraten und fördern weltweit die Agrarmonokultur mit überdüngten und pestizidbelasteten Feldern.
Kreuzfahrtschiffe verschmutzen die Umwelt mehr als alle Autos weltweit.
Kriege töten nicht nur Menschen, sondern zerstören auch Land und Tier. Besonders langfristig Uranmunition.
Fast 500 Kernkraftwerke weltweit hinterlassen Brennstäbe und Atommüll, den wir weder recyceln noch lagern können.
Usw.,usf…

Also, wann und wo fangen wir an? Oder warten wir weitere 50 Jahre ab, um noch mal Bilanz zu ziehen und der Politik alles in die Schuhe zu schieben. Sehen wir endlich ein, wir selbst die Verbraucher sind auch die Verursacher!

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