Hat noch irgendjemand Lust, über das Thema Diesel zu diskutieren? Wahrscheinlich nicht. Die Verwerfungen über einen Verbrennungsmotor, der – aus welchen tiefenpsychologischen Gründen auch immer – vor allem von den Deutschen präferiert wird, sind erheblich.
Wer sich die Chronologie der Ereignisse noch einmal vergegenwärtigt, bekommt regelrechte Beklemmungen. Denn die Abfolge des Geschehenen offenbart eine Aneinanderreihung von Betrug und Manipulation. Auf vielen Seiten!
Und manchmal, so ganz nebenbei, kommt ein Gefühl auf, dass es diese Art der Aufarbeitung von Problemen ist, die immer wieder in Deutschland die Legitimation von Politik als solcher zur Disposition stellt. Das, was sich durch alles, jedes Ereignis und das Bekanntwerden jeder Faktenlage durchgängig vermissen lässt, ist nämlich eines: Konsequenz.
Es begann mit einem Reklamebetrug. Deutsche Dieselhersteller warben mit Schadstoffwerten, die nicht der Realität entsprachen – und zwar bewusst. In den USA hatte das weitreichende Folgen. Unabhängig von den dort möglichen Schadensersatzklagen, bot sich vor allem für die amerikanische Konkurrenz die Möglichkeit, die Dieselanteile auf dem Markt zurückzudrängen.
In Deutschland wurde zunächst der Tatbestand geleugnet, und dann, als es nicht mehr ging, als Faktum akzeptiert. Die Kardinalkritik am Dieselmotor wurde gleich mit übernommen, was zu einer tiefen Irritation im Lande führte.
Wieso waren Diesel, die vorher sogar steuerlich begünstigt waren, plötzlich für die schlechten Luftqualitätswerte in Ballungszentren allein verantwortlich? Das, was vorher den Benzinmotoren attestiert wurde, galt plötzlich für den Diesel und die ehemaligen Dreckschleudern wurden über Nacht ökologische Vorzeigeobjekte.
Es hätte für die Politik gereicht, wenn sie sich auf den Vorwurf der Messmanipulation beschränkt hätte. Was sich daraus an Schadensanspruch ergeben kann, ist durchaus beachtenswert. Dass die Bundesregierung aber die Argumentation der amerikanischen Behörden und der hinter ihnen stehenden dortigen Automobilindustrie übernahm, führte in die Sackgasse, die überall nur noch Überdruss erzeugt.
Fragen, die in diesem Zusammenhang zielführend hätten sein können, fanden keine Beachtung. Wichtig ist es, zu erfahren, wie hoch tatsächlich die urbanen Belastungen sind und wodurch sie verursacht werden. Vergleichsgruppen wurden nie zugelassen, wie zum Beispiel der globale Beitrag durch Schiffsdiesel [1], der immens ist und die Relationen gewaltig verschiebt.
Interessant ist auch die These des im Internet nun wie ein Papst gehandelten Lungenarztes, der die Belastungen durch Dieselfahrzeuge in den Städten als eine Petitesse bezeichnet. Und zumindest von offizieller Seite wird panisch die notwendige Entscheidung verschleppt, die sich gegen die Automobilkonzentration in Städten per se wenden muss.
Die gesamte Diskussion ist so verworren, dass das, was die Gesellschaft von Politik erwartet, nämlich Klarheit zu verschaffen und Entscheidungsoptionen zu eröffnen, nicht mehr sichtbar ist.
Es scheint nicht nur so zu sein, dass die Deutschen den Diesel lieben, es scheint auch so zu sein, dass sie über ihren geliebten Diesel so diskutieren, wie sie immer diskutieren: verworren, unlogisch und ohne strategische Perspektive.
Dass zudem quasi über Nacht noch die Preise für Dieselkraftstoffe denen des Normalbenzins angepasst wurden, führt nur noch zu individueller Unmutsbezeugung. In Frankreich brannte gleich die Hütte. Irgendwie kommt das Gefühl auf, dass der an eine psychische Deformation erinnernde Zustand des kollektiven Bewusstseins im Moment eine typisch deutsche Angelegenheit zu sein scheint. In England kursiert schon immer der Spruch „The huns like Diesel“. Mit Hunnen sind die Deutschen gemeint.
Hunnen? Hunnen führen jetzt zu Tausenden mit ihren Dieselautomobilen nach Berlin, parkten alle vor dem Reichstag, und setzten ihre Karossen kollektiv in Brand.
Quellen und Anmerkungen
[1] WELT: Das schmutzigste Gewerbe der Welt bleibt auf Kurs. Auf https://www.welt.de/dieweltbewegen/sonderveroeffentlichungen/article118988228/Das-schmutzigste-Gewerbe-der-Welt-bleibt-auf-Kurs.html (abgerufen am 20.11.2018). ↩
Foto: Pim Chu (Unsplash.com).
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
Eine Antwort auf „The Huns Like Diesel“
Nun wer glaubt, Diesel sind umweltschädlicher als Benziner, der glaubt auch, dass Umweltzonen saubere Atemluft in den Innenstädten verursachen.
Genauso wie (EU)staatlich verordnete Holzöfen, nicht nur saubere Luft liefern, sondern auch nachwachsende Rohstoffe erzeugen.
Oder der Irrsinn, dass Elektroautos umweltfreundlich sind. Brennstäbe von Kernkraftwerken recycelt werden können. Wind-und Solarenergie speicherbar wäre.
Usw., usf……
Ach ja, ist es nicht zuletzt der TÜV, der all das prüft und für staatlich unbedenklich erklärt?
Aber der profitable CO2-Handel wird bestimmt die Welt retten.