Die Ereignisse beschleunigen sich.
In Madrid liegt der Verkehr lahm, weil die Taxifahrer den innerstädtischen Verkehr mit ihren Fahrzeugen blockieren, um gegen neue, alternative Anbieter zu protestieren, die ihre Existenz bedrohen. In Paris demonstrierten so genannte Rote Schals, die gegen die Gewalt aufbegehren, die angeblich von den Gelbwesten ausgeht. In Caracas finden Massendemonstrationen statt, die einerseits die durch Wahlen ermittelte Regierung Maduro unterstützen und andererseits den selbst ernannten Präsidenten Guaido [1].
Paris hat auf eine Anfrage aus Deutschland, Städte für einen intensiven interkommunalen Austausch zu benennen, mit der verstörenden Haltung reagiert, man könne nur Städte nennen, deren Administration den amtierenden Präsidenten unterstützen, und nicht jene, die in Opposition zu ihm stünden.
Der deutsche Außenminister hat sich an die Spitze einer europäischen Initiative gestellt, die in Venezuela sofortige Neuwahlen fordert, ansonsten würde man den selbst ernannten Präsidenten anerkennen. Vielleicht, so könnte gefragt werden, wäre diese Haltung im europäischen Haus angebrachter. Man stelle sich das vor, Macron bekäme das Ultimatum aufgetischt, sofortige Neuwahlen durchzuführen, weil das Volk nicht mehr hinter ihm stünde. Stattdessen erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert auf einer Bundespressekonferenz, angesprochen auf das Schweigen der Kanzlerin hinsichtlich der brutalen Polizeieinsätze in Frankreich gegen die Bevölkerung, unter befreundeten Ländern mische man sich in so etwas nicht ein.
Spaltung der Bevölkerung
Einerseits ist ersichtlich, dass die durch die Digitalisierung erzeugten Umbrüche, wie das Beispiel Madrid zeigt, nicht vor den politischen Befindlichkeiten haltmachen. Andererseits wird deutlich, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dem Volk den Krieg erklärt hat und, mit einer Truppe wie den Roten Schals, mit allen Mitteln versucht, die Bevölkerung zu spalten. Und gespalten ist Venezuela bereits.
Dort steht einerseits eine Regierung, die auch nach internationalen Beobachterkriterien rechtmäßig gewählt wurde, die jedoch mehr der Korruption als der notwendigen Erneuerung zugeneigt zu sein scheint, einer neuen Kraft gegenüber, die nicht die Verhältnisse verbessern, sondern die Macht der USA in dieser Region sichern will.
Bekanntlich haben China wie Russland versucht, dem Land bei der Ölförderung technologisch unter die Arme zu greifen und erwarten dafür Zugeständnisse hinsichtlich militärischer Operationsbasen, was wiederum die USA gar nicht mögen, so direkt vor der Haustür. Letzteres halten sie allerdings im Falle Europas und Russlands für völlig normal.
Krieg als Form
Was jenseits der jeweiligen Interessen deutlich wird, ist, dass es anscheinend keinen Konsensus gibt, wie ein Rahmen auszusehen hat, in dem ein zivilisatorisch vertretbarer Umgang auch bei einer unterschiedlichen Interessenlage auszusehen hat.
Wir erleben den Showdown einer nahezu dreißigjährigen Periode des Wirtschaftsliberalismus, der neben einer handfesten und gravierenden Weltwirtschaftskrise bei gleichzeitiger Entwicklung technologisch revolutionierter Produktivkräfte die alten Machtkonstellationen aufgelöst hat und in der sich neue formen.
Der Umgangston dabei ist rustikal, und die Form, die in solchen Fällen gewählt wird, ist der Krieg.
Krieg beginnt mit Worten, er setzt sich fort über Sanktionen und den Handel, er wird weitergetrieben über Putschversuche und endet in heißen Bombardements oder – das wird ein Novum sein – über tödliche Schläge gegen die Stromversorgung. Letzteres muss nicht durch Bomben, sondern kann auch durch Softwarestrategien geschehen.
Bei genauer Betrachtung befinden wir uns mitten in diesem Krieg. Das Heikle wie das Vorteilhafte dabei ist, dass die Geschichten, die uns Sorgen machen, nicht weit weg sind, sondern sie befinden sich im alltäglichen Leben. In Frankreich, in Deutschland, in Polen, in Österreich oder in Ungarn.
Quellen und Anmerkungen
[1] Juan Guaidó, oppositioneller Parlamentspräsident, hatte sich am 23. Januar 2019 zum Interimspräsidenten des Landes erklärt. Mehrere Regierungen, darunter die der USA, erkannten ihn als legitimen Übergangspräsident an. Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) sicherte Guaidó die Unterstützung der Bundesregierung zu. (siehe: https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-01/venezuela-heiko-maas-unterstuetzung-juan-guaido-nicolas-maduro-proteste; abgerufen am 31.01.2019). Nicolas Maduro erfährt Unterstützung zum Beispiel seitens der Türkei, Russlands, des Iran und von Kuba. Venezuela ist das Land mit den größten Ölreserven der Welt. ↩
Foto: chuttersnap (Unsplash.com)
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
2 Antworten auf „Krieg beginnt mit Worten“
Das Alles ist begründet in dem heutigen Geldsystem, das alle Aktionen der Regierungen lahmlegt. Alle Regierungen können sich nur noch mit dem Klein-Klein befassen. Bei diesem Geldsystem reichert sich mit der Zeit immer mehr Geld bei wenigen Reichen an. Leider können wohl nur Kriege das Geld wieder bei Null beginnen lassen, wenn nicht nicht der Verstand und die Vernunft vieler ausreicht, dem unseligen System ein Ende zu setzen und durch ein sinnvolleres zu ersetzen. Müssen wir wirklich uns solch einem System so unterordnen.
Krieg beginnen wir überall dort, wo wir einander nicht mehr respektieren als nun einmal irrtumsanfällig und interessenverhaftet. Nur wechselseitiger Respekt hilft uns, unangemessenes zu unterlassen und Unangemessenes zu unterlaufen durch ignorierendes gedeihliches Handeln !
Lassen wir den Pranger und handeln unaufgeregt so entschieden und findig wie möglich selbst gemäß den Kriterien, die wir an andere anlegen… !!!
Wen nichts beschäftigt als der Show-Down so oder so Fehlentwicklungs-Verantwortlicher, der wird nur weiter an der Verschüttung gesunden Menschenverstades auf allen Seiten mitschaufeln !