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Südamerika

Venezuela – Die Demokratie im Sturzflug

Die westlichen Industrieländer opponieren gegen alle Alternativen zur herrschenden Wirtschaftsordnung. Die Straße wird mobilisiert. Das Logistikzentrum der Aktionen liegt in den USA.

Ein Abgeordneter in Venezuela ernennt sich selbst zum Staatspräsidenten, ohne vom Volk gewählt zu sein, wie es die Verfassung vorsieht. Er wähnt sich von Gott berufen und das im Zeitalter der Wissenschaften. Ein Hasardeur oder Verwirrter. Vielleicht meint er, Donald Trump sei Gott.

Mit verdächtigen Geschwindigkeiten wird er von Machtpolitikern der USA und der EU als Präsident anerkannt. Ihr fragwürdiges Demokratieverständnis ist nicht zu übersehen.

Die konkrete Aktion wurde ausgelöst, weil Präsident Nicolás Maduro am 10.1.2019 entsprechend Artikel 231 der geltenden Verfassung Venezuelas erneut sein Amt für die Periode 2019 – 2025 angetreten hat. Seine Legitimation: Er wurde im Mai 2018 vom venezolanischen Volk mit 67,8 Prozent gewählt. Maduro stützt sich auf die Wirkung der Verfassung, die eine über 80-prozentige Zustimmung der Bevölkerung genießt.

Die Welt erlebt im Januar 2019 eine 5. Sonderaktion der Opposition, die Politik von Hugo Chávez und Maduro in Venezuela und des ALBA-Verbundes Lateinamerikas zu beenden. Die Straße wird mobilisiert. Das Logistikzentrum der Aktionen liegt in den USA.

Die westlichen Industrieländer glauben sich im Recht, eigene Werteordnungen für die Demokratie und für Verteilungsfragen anzuwenden. Sie opponieren gegen alle Alternativen zur Marktwirtschaftsordnung, wie es Chávez und Maduro für Venezuela anstreben.

Die westlichen Medien verschweigen die authentischen Ziele der venezolanischen Alternativen und die in den kurzen 20 Jahren bereits erreichten Ergebnisse.

Beispielsweise im Schul- und Gesundheitswesen, im Wohnungsbau, in der Beseitigung der extremen Armut, im Aufbau des genossenschaftlichen Sektors und im Abbau der Arbeitslosigkeit. Sie verbreiten Unwahrheiten und negieren die Ursachen der von der Opposition und dem Ausland geförderten Inflation und des eingetretenen Mangels.

Ein Dorn im Auge der in- und ausländischen Opposition ist die Einmischung des Staates in die Wirtschaft, vor allem aber die höhere Zuteilung der finanziellen Mittel für soziale Bereiche. Die Opposition engt seit Jahren den wirtschaftlichen Spielraum für die Fortschrittskräfte mit Boykotten und Verweigerung des Dialogs ein. Der Bevölkerung Venezuelas und weltweit, auch in Deutschland, werden von den Medien Nachrichten zu den Vorgängen des Landes angeboten, die zu hinterfragen sind.

“Die Haltung der USA ist aus dem Hegemoniestreben seiner Investoren aus den Kreisen des Finanzkapitals und deren Logik erklärbar.”
Psychologen und Kognitionsforscher der Leibniz-Sozietät [1] haben herausgearbeitet, dass der Informationsgehalt aus gesellschaftlichen Bereichen (Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Statistiken, Medien u.ä.) auf Interessen von Schichten oder Gruppen beruhen, im Gegensatz zu Informationen, die Naturgesetzen der Biologie, Chemie, Physik et cetera entstammen (siehe: 12. Leibniz Konferenz, „Kognitionstechnologien 2011, Prof. Dr. B. Krause und „Die große Verführung“ Robert Levine, Verlag Piper München Zürich). Manipulationsmöglichkeiten sind besonders bei gesellschaftlichen Informationen gegeben und sie werden für Interessen genutzt.

Die Politik der USA und der deutschen Regierung folgt der Truman-Doktrin von 1947 [2]. Sie zielt im Kern darauf ab, soziale, friedensorientierte und ökologische Alternativen aufzuhalten und zurückzudrängen (Contaiment-Politik). Die Doktrin wurde von den Präsidenten Ronald Reagan und George W. Bush Junior mit Aspekten der nationalen Sicherheit der USA erweitert und gegenwärtig gegen Venezuela (und gegen Kuba) praktiziert. Sie fand in früheren Jahren in Lateinamerika bereits traurige Anwendung in Guatemala, Nikaragua, Chile und vielen anderen Ländern.

Die Vorgänge in Venezuela haben mehr als nur lokale Bedeutung. Die Handlungen der USA (z.B. Mobilisierung der abhängigen OAS-Staaten, der Lima-Gruppe, Militärmanöver, Boykotte) sowie Drohungen des Präsidenten Trump, auch militärische Optionen anzuwenden, bedrohen den Weltfrieden. Die US-Politik ignoriert die Verfassungsrechte Venezuelas auf Selbstbestimmung und den Wunsch, einen eigenen Entwicklungsweg zu gehen. Eine gleiche Position verfolgt die deutsche Regierung.

Die Haltung der USA ist aus dem Hegemoniestreben seiner Investoren aus den Kreisen des Finanzkapitals und deren Logik erklärbar. Eine Politik, die gegenwärtig konträr zur Gründungsphilosophie der USA steht.

Bei der Bildung ihres Staates gingen die Nordamerikaner eigene, selbstbestimmte Wege. Sie lehnten sich gegen ihr koloniales Mutterland England auf. Die Zahlung der gesetzlich festgelegten Steuern an das Londoner Königshaus verweigerten sie und gründeten schließlich nach militärischen Auseinandersetzungen einen eigenen Staat. Dabei errichteten sie, ähnlich wie Frankreich, entgegen der weltweit herrschenden monarchistischen Staatsform ihres Mutterlandes eine bürgerliche Republik. Die republikanische Staatsform erhielt eine bürgerliche Verfassung mit demokratischen Werten. Teile der Verfassung galten aber nicht für Frauen, für die indianischen Ureinwohner, für die Sklaven aus Afrika, die zu Tausenden in Nordamerika lebten.

Mit Beginn des 21. Jahrhunderts setzte auf dem amerikanischen und europäischen Kontinent eine national-egoistische Entwicklung nach rechts ein. Das wirft die Frage auf, ob die Werte der bürgerlichen Demokratie von den Herrschenden noch gewünscht sind.

Der Sicherheitsrat der UNO wird die Bedrohungslage beraten und wünschenswert wäre, wenn der Papst im Interesse des Friedens die Konfliktseiten zum Dialog veranlassen könnte.


Redaktioneller Hinweis: Der Beitrag von Günter Buhlke erschien erstmals bei unserem Kooperationspartner Pressenza. Einzelne Absätze wurden zur besseren Lesbarkeit im Netz hervorgehoben.


Quellen und Anmerkungen

[1] Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin ist eine Gelehrtengesellschaft von Naturwissenschaftlern, Mathematikern, Medizinern, Technik-, Geistes- und Sozialwissenschaftlern. Sie gehört zu den deutschen Akademien der Wissenschaften.

[2] Am 12. März 1947 gab der US-amerikanische Präsident Harry S. Truman vor dem US-Kongress eine Erklärung ab, die als Truman-Doktrin in die Geschichte einging. Die Truman-Doktrin markierte das Ende der amerikanischen Kriegskoalition mit der Sowjetunion und war bedeutete quasi den Beginn des Kalten Krieges. Mit der Truman-Doktrin beginnt auch das finanzielle Engagement der USA in der Containment-Politik (Eindämmungspolitik), verbunden mit dem Ziel, die Ausbreitung des Kommunismus und Stalinismus zu verhindern. Es sollte laut Doktrin zum außenpolitischen Grundsatz der USA werden, „freien Völkern beizustehen, die sich der angestrebten Unterwerfung durch bewaffnete Minderheiten oder durch äußeren Druck widersetzen“. Beispielsweise erklärte Truman, dass die Vereinigten Staaten bereit seien, dem Appell der griechischen Regierung um wirtschaftliche und militärische Unterstützung im Griechischen Bürgerkrieg nachzukommen. Die Türkei, die sich in einer ähnlichen Situation wie Griechenland befand, sollte amerikanische Hilfe erhalten.


Foto: Pressenza

Volkswirtschaftler und Publizist bei Pressenza | Webseite

Günter Buhlke ist Jahrgang 1934 und Dipl. Volkswirtschaftler. Er studierte an der Humboldt Universität und der Hochschule für Ökonomie Berlin. In den 1960er und 70er-Jahren war Buhlke international als Handelsrat in Mexiko und Venezuela tätig und Koordinator für die Wirtschaftsbeziehungen der DDR zu Lateinamerika. Später Vorstand einer Wohnungsgenossenschaft, Referent im Haushaltsausschuss der Volkskammer und des Bundestages und von 1990 bis 1999 Leiter der Berliner Niederlassung des Schweizerischen Instituts für Betriebsökonomie. Günter Buhlke ist verheiratet, lebt in Berlin und engagiert sich ehrenamtlich.

Von Günter Buhlke

Günter Buhlke ist Jahrgang 1934 und Dipl. Volkswirtschaftler. Er studierte an der Humboldt Universität und der Hochschule für Ökonomie Berlin. In den 1960er und 70er-Jahren war Buhlke international als Handelsrat in Mexiko und Venezuela tätig und Koordinator für die Wirtschaftsbeziehungen der DDR zu Lateinamerika. Später Vorstand einer Wohnungsgenossenschaft, Referent im Haushaltsausschuss der Volkskammer und des Bundestages und von 1990 bis 1999 Leiter der Berliner Niederlassung des Schweizerischen Instituts für Betriebsökonomie. Günter Buhlke ist verheiratet, lebt in Berlin und engagiert sich ehrenamtlich.

6 Antworten auf „Venezuela – Die Demokratie im Sturzflug“

Soweit mir bekannt ist, hatte Guaido die Parlamentswahlen gewonnen. Maduro hat das Parlamnet entmachtet. Sowie zur Präsidentenwahl keine Gegenkandidaten zugelassen. Ist das demokratisch??

Unterstellt, die in- und ausländischen Kritiker einer zunehmend autoritären Staatsorganisation in Venezuela hätten mit ihrer Fundamentalkritik an Maduro und seiner Partei tatsächlich recht…

Unterstellt, die Wahlen 2015 zum Parlament (mit dem Verlust der Mehrheit von Maduros Partei) und die Präsidentschaftswahlen vom Mai 2018, Sieger Maduro (Boykottaufrufe seitens der Opposition!) besäßen in gravierendem Umfang tatsächlich nicht die wünschenswerte demokratische Aussagekraft…

Unterstellt schließlich, die herbe wirtschaftliche Lage und Emtwicklung Venezuelas hätten nicht bereits einen Teil ihrer Wurzeln in den Jahren vor 1999 (!), vor der bolivarischen Revolution also, und einen anderen Teil ihrer Wurzeln in der wiederholten System-Change-Politik (Putsch 2002, opp. Parlaments-Putsch-Versuch heute, …) sowie einen dritten Teil ihrer Wurzeln in der sich verschärfenden wirtschaftlichen Strangulierungspolitik der USA insbesondere auch unter Trump…(!!!) …
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… : Wie die Venezuelaner/innen untereinander aushändeln, welche politischen Kräfte sich im Land durchsetzen können, ist und muss sein und bleiben in jedem Falle allein ihre Sache !!
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vgl:
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UN-Charta, Abs. 1, Artikel 2:
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“Die Organisation und ihre Mitglieder handeln im Verfolg der in Artikel 1 dargelegten Ziele nach folgenden Grundsätzen:
(1) Die Organisation beruht auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder.
(2) (…)
(3) Alle Mitglieder legen ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel so bei, daß der Weltfriede, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden.
(…)
(7) Ausdieser Charta kann eine Befugnis der Vereinten Nationen zum Eingreifen in Ange-legenheiten, die ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören, oder eine Verpflichtung der Mitglieder, solche Ange-legenheiten einer Regelung auf Grund dieser Charta zu unterwerfen, nicht abgeleitet werden; die Anwendung von Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII wird durch diesen Grundsatz nicht berührt.(=Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen)
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Was europäische Außenminister und das EU-Parlament sich in der auktuellen Parlaments-Putsch-Situation an politischem Einmischungsverhalten herausnehmen, steht ihnen laut UN-Charta ebenso wenig zu wie die wirtschaftlichen Druckmittel, denen sie sich ggf. an der Seite der USA Trumps anschließen…
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Dort in der UN-Charta war es um neue Formen internationalen Respekts gegangen. Sie allein sind tragfähige Friedensgrundlagen !
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Jede Form der Dominanz-Anmaßung ist ein verhängnisvoller Irrweg !!!

ANMERKUNG ADMIN: Bei der Abstimmung im Jahr 2015 lag die Wahlbeteiligung in Venezuela bei 80 Prozent. 2018 soll es eine Wahlbeteiligung von rund 46 % gewesen sein. Die Opposition, die zum Boykott der Abstimmung aufgerufen hatte, sprach von 30 % Wahlbeteiligung. Präsident Nicolás Maduro erhielt 67,8 % der Stimmen. Die Gegenkandidaten waren Henri Falcón (20.9 %) und Javier Bertucci (10.8 %). Falcón sagte, er würde die Wahl wegen Unregelmäßigkeiten nicht anerkennen. Dazu schrieb beispielsweise die junge welt (vom 10.01.2019): “(…) Es wurde auch viel darüber gesprochen, dass die Wahlen internationalen Standards nicht entsprochen hätten. Doch Venezuela verfügt über ein weltweit einzigartiges System von Garantien des automatisierten Wahlprozesses. Vor, während und nach den Wahlen werden die Software der Wahlmaschinen und anderer Infrastruktur, die Wählerverzeichnisse und der Wege zur Übermittlung der Ergebnisse überprüft. An jeder Kontrolle sind Techniker des Nationalen Wahlrats und von jeder Partei sowie externe Prüfer beteiligt. Zusätzlich nehmen nationale Beobachter und internationale Begleiter teil. Am Ende müssen sie ein entsprechendes Protokoll unterschreiben, das sofort auf der Webseite des Nationalen Wahlrats veröffentlicht wird. Für die Wahlen vom 20. Mai 2018 wurden 16 solche Überprüfungen durchgeführt.” Link zum Beitrag: https://www.jungewelt.de/artikel/346859.wahlen-in-venezuela-unhaltbare-vorwürfe.html

SKANDAL: EU-Parlament folgt Trumps Venezuela-Politik !

… in mehreren Presseveröffentlichungen heißt es gleichlautend: “Als Grund für die klare Positionierung wurden in der verabschiedeten Erklärung die jüngsten Äußerungen des amtierenden Präsidenten Nicolás Maduro genannt. Dieser hatte die EU-Forderung nach einer umgehenden fairen Neuwahl des Präsidenten in dem Land öffentlich abgelehnt.Die Anerkennung Guaidós solle laut Parlamentsbeschluss nun so lange gelten, bis neue „freie, transparente und glaubwürdige Präsidentschaftswahlen“ abgehalten werden.”
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Das soll ´Friedenspolitik´ sein? Weltweite ´Verantwortung´ der EU ???
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Kann man sich mit absurderer Anmaßung einmischen als u.a. D-Außenminister Maas mit einem 8-tägigen Ultimatum an Maduro, unmittelbare neue Wahlen abzuhalten ? !!!!!
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Welcher Staat dieser Welt könnte je auf dergleichen Forderungen von außen eingehen ??

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>>> unterzeichnet bitte diesen Aufruf: http://multipolare-welt-gegen-krieg.org/
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Aufruf zur internationalen Solidarität!

Schluss mit der Umsturzpolitik gegen Venezuela!

weitere Info-Links hier: https://diskursblickwechsel.wordpress.com/2019/01/31/skandal-eu-parlament-folgt-trumps-venezuela-politik/

der sturzflug der “demokratie” (die ich manchmal nur ansatzweise erkennen konnte – aber niemals ehrliches bestreben der arbeit an ihrer weiteren entwicklung und vervollkommnung) ist von ihren ersten flugversuchen immer wieder in abstürzen gelandet – ihre antiken ideengeber wurden verraten – die religionen haben sie für eigene interessen zerstört

kapitalismus und demokratie sind wie feuer und wasser = unverträglich miteinander … dies wird immer klarer – jedoch wird “demokratie” wie ein alibi-feigenblatt rumgewedelt und kaum noch praktiziert … und JEDER weiß das “wahlen” nicht das mittel sind , sie zu garantieren … sonst wäre die unendlich große zahl der nichtwähler gar nicht vorhanden, sondern eine art “demokratischer stolz” für diese errungenschaft endloser generationen

wir kennen den befund schon lange – das ausmaß übersteigt jedoch jede vorstellung und erwartung … eigentlich zeigt dies unsere gutgläubigkeit und naivität … wenn wir eine gesunde und sinnvoll funktionierende demokratie wollen, dürfen wir nicht weiter das kapitalistische gift einnehmen … wir machen uns lächerlich … wir wollen uns waschen und nicht naß werden … wir sollten über unsere WIRKLICHEN WÜNSCHE NACHDENKEN und prioritäten setzen = UNSERE PRIORITÄTEN … denn wer von uns ist ist schon wirklich “KAPITALIST” und hat an ausbeutung anderer interesse?

>>> dann sollten sich die auch ausbeuter nennen und nicht demokraten

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