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Krieg & Frieden

Das fatale Duo

Mit dem Duo von der Leyen und Maas hat die Bundesregierung zwei Repräsentanten einer neuen imperialen Chuzpe auf die Weltöffentlichkeit losgelassen.

Geschichte ist die Dimension, in der das Kollektiv Menschheit über die eigene Existenz, ihre Entwicklung, die Grundmuster seiner Bewegung et cetera räsonieren kann. Geschichte wirkt einerseits über die mündliche Erzähltradition in der eigenen Familie und in der eigenen weiteren sozialen Umgebung, und sie wirkt andererseits über die Geschichtsschreibung, deren Nutzung jedoch bekannt und gekonnt sein muss.

Die Vernichtung der Friedensbewegung

Jeder hat die Erzählungen aus dem eigenen Haus, viele jedoch haben keinen Zugang zur Geschichtsschreibung. Bei der oralen Tradition reicht es zumeist bis zu den Großeltern, weiter geht es nicht. Zusammengefasst bedeutet dies, dass ein Großteil der Bevölkerung keine oder kaum noch eine Vorstellung hat entwickeln können über die unmittelbare Erfahrung des Krieges.

In der deutschen Parteienlandschaft war das Szenario eines Krieges für sehr lange Zeit eine Horrorvorstellung, die durch einen Konsens in der Friedenspolitik manifest wurde. Zwar gab es unterschiedliche Vorstellungen darüber, ob sich diese Friedenspolitik auf Diplomatie beschränken sollte oder, ob die kalkulierte Bedrohung als Mittel eingesetzt werden könne, aber der Tenor blieb.

Dieser Konsens ist nicht mehr vorhanden. Das Fatale an der Situation in der Bundesrepublik ist nicht nur die Auflösung dieses Konsenses, sondern auch die simultane Vernichtung der Friedensbewegung.

Mit der aktiven Rolle von Sozialdemokraten und Grünen bei den völkerrechtswidrigen Balkankriegen stürzte die hiesige Friedensbewegung in eine massive Krise, von der sie sich bis heute nicht mehr erholt hat.

“Die bevorstehenden Europawahlen werden dazu führen, dass diese Regierung wird zurücktreten müssen.”
Eskortiert von einer Politik des Wirtschaftsliberalismus, bei der die Kampfkraft der Gewerkschaften aufgeweicht wurde, entstand eine relative Schwäche bei beiden Instrumenten gegen Ausbeutung und Krieg. Gewerkschaften und Friedensbewegung lagen am Boden, die Verarmung des unteren Teils der Bevölkerung, eine Plünderung des Mittelstandes und Kriegsprosa wurden Mode.

Die jetzige, allerdings auch die letzte Große Koalition in dieser Konstellation hat in den letzten Monaten ihrer Amtszeit aus einer verhaltenen Änderung des Auftretens eine Offensive gemacht, die es in sich hat.

Mit dem Duo Ursula von der Leyen und Heiko Maas hat die Bundesregierung zwei Repräsentanten einer neuen imperialen Chuzpe [1] auf die Weltöffentlichkeit losgelassen. Während von der Leyen in diesen Tagen in der New York Times die Kausalität von NATO-Expansion nach Osten und die steigende Militarisierung der russischen Politik auf den Kopf stellte und sich als exquisite Spezialistin von Verschwörungstheorien empfahl, artikulierte Maas wie ein junger, ungeübter Papagei Tiraden gegen Personen in Venezuela und empfahl die Wahl eines selbst ernannten Präsidenten.

Ein Außenminister, der sich nicht als Figur im Spiel von Staaten, sondern von Personen sieht, bewegt sich im Bandenmilieu und nicht auf dem Parkett internationaler Diplomatie.

Das Duo als Interpretation deutscher Verantwortung

Wahrscheinlich ist das, was dieses Duo an Verhalten an den Tag legt, die Interpretation dessen, was seit Langem als die Wahrnehmung deutscher Verantwortung durch die Skripte wabert. Diese Fehlinterpretation korrespondiert mit einer gewaltigen Fehleinschätzung. Wer so redet, braucht auch die Arsenale, um die Tonne in Brand setzen zu können. Das ist mit der Bundeswehr jedoch nicht zu machen. Was dann noch bleibt, ist große Peinlichkeit, weil die Schreihälse zum Schluss, wenn es darauf ankommt, am Rockzipfel der Militärstrategen der USA hängen.

Die bevorstehenden Europawahlen werden dazu führen, dass diese Regierung wird zurücktreten müssen. Das scheinen alle begriffen zu haben, nur nicht die Beteiligten.


Quellen und Anmerkungen

[1] Chuzpe ist eine Mischung aus zielgerichteter, intelligenter Unverschämtheit, charmanter Penetranz und unwiderstehlicher Dreistigkeit.


Foto: Darius Bashar (Unsplash.com)

Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

2 Antworten auf „Das fatale Duo“

Ich habe noch den 2. Weltkrieg miterlebt. Wie kann es sein, dass solche Kriegstreiber wieder das Sagen haben. Leider ist auch nicht ein Vertreter der Mainstreampresse so weise, hier einmal solches Verhalten anzuprangern. Es ist die Macht des Kapitals, die hinter solchem Denken steht. Mit Kriegen ist das meiste Geld zu verdienen.

Die Friedensbewegung befand sich immer in einer Krise und nicht nur seit dem Balkankrieg von Rot/Grün.

Zwar gingen früher mehr Menschen auf die Strasse, auch bei den Ostermärschen, aber erreicht wurde dennoch nichts. Die Bundeswehr wurde nicht verhindert, ebenso wenig Waffenexporte, oder schmutzige Geschäfte der Geheimdienste. Im Gegenteil, die einstige Friedenspartei, die Grünen, versenkten ihre Grundsätze in der imperialistischen Kloake.

Von der Leyen und Maas sind nur die Wiedersichtbarwerdung des Faschismus, der nach 1945 kein Ende fand, weil die Entnazifizierungen und Stasiaufarbeitungen nie wirklich stattgefunden haben. Und das alles wurde von den Alliierten gedeckt und unterstützt, siehe Rattenlinie, Operation Overcast, Eichmann Schauprozess (Arendt), Kurt Georg Kiesinger, Honeckers Amnestie (Chile), Stasi im BND, Angela Merkel…

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