Noch bevor ein Vortrag über Europa beginnt, sind die Feinde des Projektes gleich ausgemacht. Wer sich erdreistet, Fragen zu stellen über die unterschiedliche Produktivkraft der Länder, über die gravierenden Unterschiede hinsichtlich des jeweiligen Staats- und Demokratieverständnisses, über die Durchsetzungskraft ausgemachter Lobbys, über die Bürokratisierung profaner Geschäftsprozesse oder was auch immer: Kritische Fragen führen sehr schnell zu dem Stempel Europagegner oder gar Europahasser. Doch wer sich derart doktrinär verhält, hat anscheinend etwas zu verbergen.
Macron und die Privatisierungskampagne
Nehmen wir ein aktuelles Beispiel: Der französische Präsident Emmanuel Macron galt vielen bei seiner Wahl als ein Hoffnungsträger, auch für Europa. Doch noch während der Feiern zu seiner Amtseinführung wurde deutlich, wessen Hoffnungen er erfüllen sollte.
In einem Handstreich reduzierte er die Vermögenssteuer drastisch zum Preis der Reduktion der Staatseinnahmen von 80 Milliarden Euro und präsentierte gleichzeitig eine Agenda, die an Hartz IV erinnert. Es war tatsächlich eine Reformkonzeption, jedoch die Art von Konzeption, die Europa und den Gedanken einer europäischen Organisation in die Krise getrieben hat, in der sie sich befindet.
Macron hat, wie vor ihm die britische und vor allem die deutsche Regierung, die Privatisierungskampagne des Neoliberalismus übernommen und verkauft sie als einen Ausdruck der europäischen Wertegemeinschaft.
Die Krise Europas hat mehrere Ursachen. Sie entstand aus einer rein ökonomischen Betrachtung des Zusammenschlusses. Sie setzte sich fort in einer unverantwortlichen Kreditpolitik, um Märkte zu schaffen, sie intensivierte sich durch die neoliberalen Sanierungskonzepte der in Schuldknechtschaft geratenen Länder, sie perpetuierte sich durch die immer krasser werdende Schere zwischen Arm und Reich auch in den prosperierenden Mitgliedsländern und sie perfektionierte sich durch bürokratische Nebenkriegsschauplätze, die den Mittelstand schikanierten.
Und perfekt, nahezu eine runde Sache wurde das Ganze durch das durchaus von amerikanischen Interessen getriggerte Junktim [1] von NATO und EU, wie nicht besser als am Beispiel der Ukraine oder der Aufnahme des Kosovo illustriert werden kann.
Unmut gegen Europa
Der Unmut gegenüber dem, was allgemein und diffus als Europa bezeichnet wird, richtet sich nicht gegen den Gedanken der Völkerverständigung, gegen die Freizügigkeit, gegen den wirtschaftlichen und kulturellen Austausch und auch nicht gegen gemeinsame Pakete regionaler Förderung.
Der Unmut gegen Europa, der die unterschiedlichsten Formen hat, von Wahlergebnissen bis hin zum Brexit oder den Gelbwesten, der Unmut richtet sich vor allem gegen das Synonym von Wirtschaftsliberalismus und Europa.
Diejenigen, die in den letzten zwei Jahrzehnten bei der Gestaltung der europäischen Politik in der Verantwortung waren, müssen sich fragen lassen, was sie zur Protegierung des Gedankens einer wirklichen europäischen Vereinigung in einem emanzipativen Sinne beigetragen haben.
Oder, um es andersherum zu formulieren, sie müssen es sich gefallen lassen, ihre Mittäterschaft bei der Desavouierung [2] des europäischen Gedankens vorgehalten zu bekommen. Wenn Macron für viele als Hoffnungsträger galt, dann wissen wir heute, für welche.
Es wird Zeit, Ursache und Krise Europas in ihrer tatsächlichen Kausalität darzustellen und die richtigen politischen Schlüsse daraus zu schließen.
Quellen und Anmerkungen
[1] Ein Junktim (auch Junktimklausel) nennt man in der Rechtswissenschaft die Bestimmung einer Rechtsnorm, dass eine im Rang unter ihr stehende Rechtsvorschrift eine bestimmte Regelung nur in Verbindung mit einer anderen Regelung treffen dürfe. Ein Beispiel ist die Junktimklausel in Artikel 14 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz, wonach eine Enteignung „nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen“ darf, „das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt“. ↩
[2] Desavouierung bedeutet laut Duden Blamage, Demütigung, Schande, Schmach oder Skandal. ↩
Foto: Allison Oliveira (Unsplash.com)
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
4 Antworten auf „Wer hat Europa auf dem Gewissen?“
Die Frage ist, ob diese EU nach dem Willen ihrer Initiatoren wirklich jemals mehr sein sollte, als ein wirtschaftliches und strategisches Stabilisierungs- und Kontrollsystem in den Nachkriegszeiten des Eisernen Vorhanges und des Ost-West-Konfliktes? Die vom WW2 zerstörten Länder und ihre Völker brauchten ein Friedens-, ein Hoffnungsprojekt das vor allem auch dabei half, daß die Deutschen wieder mit am Tisch sitzen und mitspielen durften. Die Zerschlagung des ehemaligen Jugoslawien und Libyens, die Rolle der EU beim US-Putsch in der Ukraine und die gegenwärtige Rolle als Juniorpartner der NATO im Baltikum lassen dieses (irrationale?) Hoffnungsprojekt in den Hintergrund treten und in allen Mitgliedsstaaten (auch mit US-Förderung und Hilfe) die Rechten Parteien wie Pilze aus dem Boden wachsen. Neoliberalismus ist einfach ein national und international sehr effektives und wirksames soziales Plünderungssystem wie es leider auch in Deutschland, z.B. im Verfall aller öffentlichen, staatlichen Strukturen erlebt werden kann.
Außerdem sind die Völker Südeuropas durch den gemeinsamen Euro schwer geschädigt und werden diese Schulden auch nie tilgen können. Sollen wir da auf einen Cash warten. Was für eine Schuld laden sich die Herrschenden auf ihr Gewissen, wenn sie überhaupt eins haben. Ganze Generationen sind so ins Unglück geführt, die dortige Jugend ist für ihr ganzes Leben geschädigt. Wer will das verantworten. Wir können nur hoffen, dass keiner zur Wahl geht.
Man braucht sich nur die Politnullen der EU anschauen. Trinker und im eigenen Land abgehalfterte Personen, die haben Europa auf dem Gewissen! Hinzu kommt noch deren unerträgliche Geldgier. Siehe Schulz als Steuergeld abzockender Millionär. Wer noch ein bißchen Resthirn hat, will für solche Nullen noch arbeiten!
Dieses Gebilde namens EU ist nicht zu Unseren Wohl von Sich selbst gekrönten Figuren ins Leben gerufen worden
sondern von einer Kleptomanischen Gruppe gieriger Gesellen die in den Konzernen und Banken sitzen! Denn Die haben sofort begriffen welche ungeahnten Möglichkeiten sich für Ihr Wohlergehen ergiebt. Damit diese Schweinerei nicht so Offensichtlich wird, haben Sie diesen Coup für die Völker Europas sehr geschickt Medial aufbereitet. Die
Menschen,sind sogar so geschickt verblendet worden, das Sie noch nicht einmal bemerkt haben, das man Ihnen bei der Einführung des Euros die hälfte Ihres Geldes gestohlen hat! Ja man hat das Ganze als den Großen Segen für Europa und Ihre Bewohner verkauft.
Wenn man sich diese Figuren in diesen “Europäischen Parlament” anschaut, so muß man zu den Schluss kommen,das es sich um einen Haufen ausrangierter Taugenichtse, Trinker und Finanzkriminellen handelt, Die für Alles da sind, nur nicht für Unseren Wohle!!