Rechercheure der Wiener Gruppe42 berichteten 2018 über einen der einflussreichsten manipulativ agierenden Wikipedia-Autoren und nannten dabei erstmals seinen echten Namen, wogegen der Autor eine einstweilige Verfügung mit Strafandrohung von bis zu €250.000 erwirkte.
Das Landgericht Hamburg entschied nun in einem wegweisenden Urteil, dass die Namensnennung aufgrund des überwiegenden öffentlichen Interesses rechtmäßig war.
Beim fraglichen Wikipedia-Autor mit dem Decknamen »Feliks« handelt es sich um einen ehemaligen Funktionär des transatlantischen Flügels der deutschen Linkspartei sowie um ein Auslandsmitglied der israelischen Armee mit Spezialabzeichen der US-Armee und weiterer Streitkräfte.
Der Autor editierte und manipulierte insgesamt mehrere tausend Wikipedia-Artikel und denunzierte dabei dutzende Personen, darunter insbesondere Politiker, Publizisten und Forscher, die sich kritisch zu transatlantischen oder israelischen Positionen geäußert hatten.
Der selbstgewählte Deckname »Feliks« bezieht sich auf den Gründer und ersten Direktor des sowjetischen Geheimdienstes Tscheka/GPU, Feliks Dserschinski, unter dessen Leitung mehrere zehntausend politische Gegner exekutiert wurden.
Das Hamburger Urteil dürfte einen Präzedenzfall darstellen und erhebliche Signalwirkung haben. Derzeit laufen mehrere von Betroffenen angestrengte Strafverfahren gegen »Feliks« und weitere denunziativ oder manipulativ agierende Wikipedia-Autoren.
Aufgrund des Quasi-Monopols der Wikipedia im Bereich der Online-Lexika kommt dem Hamburger Wikipedia-Urteil eine eminente Bedeutung zu, die jene des ZDF-Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2014 noch übertreffen dürfte, zumal in Anbetracht der internationalen Relevanz der deutschsprachigen Wikipedia (ca. eine Milliarde Aufrufe durch 100 Millionen Geräte pro Monat).
Bereits im September 2018 konstatierte ein deutscher Jurist und Historiker sowie ehemaliger Geheimdienstpräsident in diesem Zusammenhang: »Durch nichts ist dem seriösen Wissen seit dem Ende des 20. Jahrhunderts so geschadet worden wie durch Wikipedia. (…) Unbedarfte Nutzer ahnen nicht, dass sie sich in einem schmalen Informationskanal befinden, der mit der mäandernden Welt des Wissens nichts mehr zu tun hat.«
Die Trägerstiftung Wikimedia sowie traditionelle Medien äußerten sich bisher nicht über die (geo-)politische Manipulation der Wikipedia und die damit zusammenhängenden Prozesse.
Siehe auch: Interviews zum Prozess (vor Urteilsverkündung), MGTV, 16. Februar 2019.
Redaktioneller Hinweis: Der Beitrag “Urteil im Wikipedia-Prozess” erschien erstmals auf Swiss Propaganda Research (swprs.org). Wir danken Swiss Propaganda Research für die Zustimmung der Übernahme des Beitrags auf Neue Debatte.
Symbolfoto: Marco Djallo (Unsplash.com)
Swiss Policy Research (SPR) ist ein Forschungs- und Informationsprojekt zu geopolitischer Propaganda in Medien. Als Reaktion auf das breite internationale Interesse an der Arbeit von SPR, wurde das Projekt, das ursprünglich unter dem Namen 'Swiss Propaganda Research' gestartet war, im Mai 2020 umbenannt in 'Swiss Policy Research'. Der Forschungsschwerpunkt liegt weiterhin auf geopolitischer Propaganda in Schweizer und internationalen Medien.