Mithilfe von Satellitenmessungen der Eisdicke wurde das Gletscher-Gesamtvolumen der Erde von österreichischen und Schweizer Forschern neu berechnet. Das Ergebnis: Es ist rund 18 Prozent weniger Eismasse vorhanden, als früherer Annahmen nahelegten. Vor allem die Eisvorräte der Hochgebirge Asiens wurden bislang überschätzt.
Eisvolumen überschätzt
Weltweit gibt es über 215.000 Gletscher (ohne Grönland und die Antarktis mit einzurechnen). Deren Gesamtvolumen beträgt demnach nur rund 158.000 Kubikkilometer. Die größten Gletschereismassen liegen in der kanadischen und russischen Arktis (rund 75.000 km3 und etwa die Hälfte des gesamten globalen Gletschervolumens) sowie an den Rändern Grönlands und Spitzbergens.
Neben Alaska weisen die Gebirge Hochasiens, darunter der Himalaja und das Tibetische Plateau, und die Gebirge Zentralasiens mit 7000 km3 die größten Eisvorräte außerhalb der Arktis auf. Hier wurde das Eisvolumen sogar um 27 Prozent überschätzt, wie das Team um Fabien Maussion von der Universität Innsbruck und Daniel Farinotti (ETH Zürich) in “Nature Geoscience“ [1] publizierte.
Der Klimawandel lässt die Gletscher weltweit schrumpfen. Das sind keine guten Nachrichten, denn nicht nur in den Trockengebieten der Anden oder Zentralasiens sind gletschergespeiste Flüsse die Grundlage für Landwirtschaft und die Süßwasserreserven von Hunderten Millionen Menschen. Die Forscher rechnen damit, dass die gletscherbedingten Abflussmengen in den Sommermonaten gegen Ende des Jahrhunderts um bis zu 24 Prozent geringer ausfallen werden als heute.
Um einschätzen zu können, wie sich Gletscher und die damit verbundenen Süßwasserreserven künftig entwickeln, aber auch, wie sich der Meeresspiegel verändern wird, sind solche Kenntnisse über das weltweit vorhandene Eisvolumen von besonderer Bedeutung. Aus ihren Berechnungen leiteten die Autoren ab, dass die Gletscher respektive ihr Schmelzwasser den weltweiten Meeresspiegel bis zu 30 Zentimeter ansteigen lassen könnte, wenn sie vollständig abschmelzen würden.
Schon jetzt tragen die alpinen Gletscher sehr stark zum Anstieg bei, weil sie wesentlich schneller auf den Klimawandel reagieren als die großen Eisschilde. Zwischen 1990 und 2010 stieg der Meeresspiegel aufgrund des Gletscher-Schmelzwassers um rund 1,5 Zentimeter.
Das ewige Eis schwindet rascher als vermutet
Eine unter Beteiligung des deutschen Alfred Wegener Instituts im Fachmagazin Nature Communicatons [2] publizierte globale Vergleichsstudie des internationalen Permafrost Netzwerkes GTN-P zeigte jüngst, dass zwischen 2007 und 2016 die Temperaturen in allen Gebieten mit Dauerfrostboden bis in über 10 Meter Tiefe um durchschnittlich 0,3 Grad Celsius gestiegen sind. Dies betrifft die Arktis ebenso wie die Antarktis und die Hochgebirge Europas und Zentralasiens.
Besonders hoch fiel die Erwärmung mit knapp 1 Grad Celsius allerdings in Sibirien aus, wo sich der auftauende Untergrund mancherorts bereits so absenkt, dass Einsturzgefahr für Gebäude und Straßen besteht.
Gletscherabbrüche und Eisschmelze
Die Temperatur der dauerhaft gefrorenen Böden in den Alpen, im Himalaja sowie in den Gebirgen der nordischen Länder stieg im Mittel um 0,19 Grad Celsius. All diese Permafrostböden enthalten jede Menge konservierter Pflanzen- und Tierreste, die beim Auftauen von Mikroorganismen zersetzt werden. Ein Prozess, bei dem so viel Kohlendioxid und Methan emittiert werden könnte, dass die globale Temperatur bis zum Jahr 2100 um weitere 0,13 bis 0,27 Grad Celsius ansteigen würde.
Ebenfalls anhand von neuen Satellitenmessungen zeigte sich, dass sich die Eisschmelze in Grönland angesichts wärmerer Luft- und Wassertemperaturen viel rascher vollzieht, als gedacht. Zwischen 2002 und 2016 verlor Grönland demnach jährlich rund 280 Milliarden Tonnen Eis, was einem Anstieg des Meeresspiegels von 0,76 Millimetern pro Jahr entspricht, wie ein Forscherteam um Michael Bevis von der Ohio State University im Fachmagazin PNAS [3] berichtet.
Es gehe jetzt nicht mehr nur um Gletscherabbrüche, sondern auch darum, dass immer mehr Festlandeis als Schmelzwassereintrag im Meer lande. Der IPCC schätzt, dass ein komplettes Abschmelzen des grönländischen Eisschildes zu einem weiteren Anstieg des Meeresspiegels von rund 7 Metern beitragen würde.
Schmelzende Antarktis
Auch die Antarktis verliert einer weiteren in PNAS veröffentlichten Studie [4] zufolge deutlich mehr Eis als bisher bekannt. Ein internationales Forscherteam um Eric Rignot von der University of California in Irvine berichtet, dass sich der jährliche Eisverlust seit den 1980er Jahren etwa versechsfacht hat.
Die Antarktis verliert rund 250 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr. Der Meeresspiegel stieg dadurch von 1979 bis 2017 um etwa 14 Millimeter an.
Ursache sind vor allem wärmere und salzreichere Meeresströmungen, welche die tief ins Wasser reichenden Gletscherzungen von unten anschmelzen würden. Und dies nicht nur in der Westantarktis, wo bereits die größten je beobachteten Gletscherabbrüche stattfanden, sondern jetzt auch im Osten des Kontinents. Ein Abschmelzen der gesamten antarktischen Eismasse würde den Meeresspiegel laut Intergovernmental Panel on Climate Change um rund 60 Meter heben.
Quellen und Anmerkungen
[1] Nature Geoscience: A consensus estimate for the ice thickness distribution of all glaciers on Earth. Auf https://www.nature.com/articles/s41561-019-0300-3 (abgerufen am 25.02.2019). ↩
[2] Nature Communicatons: Permafrost is warming at a global scale. Auf https://www.nature.com/articles/s41467-018-08240-4 (abgerufen am 25.02.2019). ↩
[3] PNAS: Accelerating changes in ice mass within Greenland, and the ice sheet’s sensitivity to atmospheric forcing. Auf https://www.pnas.org/content/116/6/1934 (abgerufen am 25.02.2019). ↩
[4] PNAS: Four decades of Antarctic Ice Sheet mass balance from 1979–2017. Auf https://www.pnas.org/content/116/4/1095 (abgerufen am 25.02.2019). ↩
Foto: Danielle Barnes (Unsplash.com)
Robert Manoutschehri war Fotograf, Journalist, Texter und Grafikdesigner aus Österreich. Er engagierte sich ehrenamtlich für zahlreiche Bürgerinitiativen und NGO’s und berichtete regelmäßig über die Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent und die weltweiten Auswirkungen des Klimawandels. Er lebte in Wien.
Eine Antwort auf „Klimawandel: Das ewige Eis schwindet“
Wie erklärt sich eigentlich der Temperaturanstieg auf den anderen Planeten unseres Sonnensystems?