So komplex sich das Machtgefüge global gestaltet, so deutlich werden nun die Schachzüge des amerikanischen Imperiums. Das, was erst als eine erratische Aktion erschien, die Annäherung an Nordkorea, ist wohl durchdacht und hat zum Ziel, die Ränder am erstarkten chinesischen Reich aus amerikanischer Sicht zu festigen und zu sichern.
Die Agenda der US-Administration
Japan ist als Säule im pazifischen Raum nur zu halten, wenn Südkorea als komplementäre Wirtschaftsmacht nicht verloren geht. Die Einigungsinitiative des Nordens hat Bewegung ins Spiel gebracht und die amerikanische Administration hat die Gelegenheit beim Schopf ergriffen, um nicht als Zuschauer einem möglichen Erosionsprozess zuzusehen.
In diesem Zusammenhang sind auch die Aktivitäten auf dem eigenen Kontinent zu sehen. Mit dem massiven Versuch, in Venezuela einen Regime Change vorzunehmen, wird deutlich, dass die USA ihren Einfluss in Süd- und Mittelamerika sichern und ausbauen wollen.
Die Äußerungen von US-Vizepräsident Michael Pence hinsichtlich Ecuador und Nicaragua, die auch auf Destabilisierung deuten, sprechen für sich und der Krisenrat angesichts der geplanten Intervention in Venezuela, an dem sich die amerikanisch orientierten Regierungen des Kontinents, inklusive des neuen Präsidenten Brasiliens, beteiligten, haben das Kräfteverhältnis aufgezeigt. Es wird deutlich, was auf der Agenda steht.
Kampfansage der Kubaner
Umso beeindruckender ist in diesem Kontext das kubanische Referendum für eine neue Verfassung. Letztere steht im Zeichen eines klaren Bekenntnisses zu den bestehenden sozialistischen Eigentumsverhältnissen bei einer gleichzeitigen Liberalisierung und Machtbegrenzung der kommunistischen Amtsträger. Das Statement bleibt, wird jedoch durch Reformen aktualisiert.
Dass an diesem Referendum 84 % der Wahlberechtigten teilnahmen und 87 % dafür stimmten, ist eine Kampfansage der Kubaner an die reanimierte Hinterhofideologie der USA. Das kubanische Signal wird neue Aggressionen hervorrufen und es ist abzuwarten, ob sich der Kontinent nicht doch noch anders bewegen wird, wie momentan spekuliert.
Und so ist es kein Zufall, sondern der Bestandteil eines klaren Plans, dass mit den Attacken auf Deutschland und seine Energiepolitik die längst betriebene Zäsur der EU als möglicher Vertragspartner Russlands nun mit einer anderen Verve betrieben wird.
The Grand Chessboard
Sowohl in Europa als auch in Asien wird daran gearbeitet, den Schutzwall gegen den eurasischen Block, das heißt Russland und China, zu sichern, und gleichzeitig wird versucht, auf dem amerikanischen Kontinent für Ruhe zu sorgen.
Das sind alte Szenarien, die der Sicherheitsberater Johnsons und Jimmy Carters, Zbigniew Brzezińskis, in seinem Werk The Grand Chessboard [1] bereits Ende der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts mit klaren Worten beschrieben hat. Es geht um Weltherrschaft, und daran hat sich seit dem Niedergang der Sowjetunion und dem Erstarken Chinas nichts geändert.
Dass in diesem Planspiel, das längst Realität geworden ist, auch die erneuten und vehementen Attacken gegen den Iran stehen, ist nur noch eine Fußnote. Der Plan steht und Donald Trump, dem so gerne als rabaukenhaften Baulöwen der Verstand abgesprochen wird, folgt dieser Spielanleitung wie keiner seiner Vorgänger. Das macht ihn zu einem ernst zu nehmenden, gefährlichen Strategen, der ohne Schnörkel diesen Zielen folgt.
Das Gute ist, dass dieser Plan auf dem Tisch liegt und zu erkennen ist, was als nächstes kommen wird. Schlecht ist, dass das viele noch nicht begriffen haben. Das zu ändern, ist die Aufgabe.
Quellen und Anmerkungen
[1] The Grand Chessboard – American Primacy and Its Geostrategic Imperatives (Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft, 1997) ist der Titel einer geopolitischen Monographie des Politikwissenschaftlers und Politikberaters Zbigniew Brzezińskis (1928-2017). Das Buch ist ein Versuch, eine Geostrategie mit Blick auf Eurasien zu entwerfen. Grundlage von The Grand Chessboard ist die Überlegung, dass nach dem Zerfall der Sowjetunion die Vereinigten Staaten als „erste, einzige wirkliche und letzte Weltmacht“ ihre Vorherrschaft auf dem „großen Schachbrett“ Eurasien kurz- und mittelfristig sichern müsse, um dadurch langfristig eine neue Weltordnung zu ermöglichen. Mit The Grand Chessboard verfasste Zbigniew Brzezińskis quasi eine Blaupause für die geopolitische Strategie der USA. Beobachter erkennen zum Beispiel in der Politik gegenüber der Ukraine oder in der Osterweiterung der NATO eine Bestätigung der Strategie. ↩
Foto: Walter Lee Olivares de la Cruz (Unsplash.com)
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
Eine Antwort auf „Der große Plan – The Grand Chessboard“
Die EU, wie wir sie kennen, wird zu einem bestimmten Termin verenden, einfach verschwinden. Die Bruchlinien sind bereits zu erkennen und Putin, Trump und May verhüllen ihr Desinteresse an ihrem Fortbestand kaum noch. Dies ist auch der Hintergrund hinter dem unsäglichen Brexit-Klamauk, den jetzt anscheinend keiner wollte, der aber trotzdem um jeden Preis durchgezogen werden muss. Einzeln sind die europäischen Staaten leichter an die Leine zu legen und bei Bedarf wieder einmal gegeneinander zu hetzen, nach nun bald 74 Jahren Frieden in Mitteleuropa…