Was tun, wenn nichts mehr läuft? Wenn das Gefühl aufkommt, egal, was in Angriff genommen wird, es gelingt nicht mehr? Alle, die beteiligt sind, zeigen durchaus den Willen, sie sind kompetent und sie können auf zahlreiche Erfolge verweisen – und trotzdem ist es wie eine unerklärliche Krankheit.
Die beliebten Lösungen
Die Funktionen, die früher zum Erfolg verhalfen, versagen an kleinen Dingen. Das, was sie vordem als so robust erscheinen ließ, reicht jetzt aus, um an ihnen grundsätzlich zweifeln zu lassen. Solche Phasen existieren, egal in welchem Kontext, und es stellt sich die Frage, wie mit ihnen umzugehen ist.
Eine sehr beliebte Lösung ist das Abtrennen des Kopfes. Diejenigen, die die Organisation nach außen vertreten und die schließlich das Vertrauen genossen, sie erfolgreich führen zu können, sind für alle sichtbar und sie tragen auch die Verantwortung. Letztendlich ist es richtig, sie zur Verantwortung zu ziehen.
Die Gesetze der Globalisierung bestimmen, wo es lang geht. Die Politiker und Institutionen hecheln nur noch hinterher.Gerhard Kugler
Machen wir Politik doch selbst!
Oder, eine andere Variante, es werden diejenigen, die ansonsten durch ihre Leistung Erfolge versprachen, zu Versagern deklariert. Dann sind entweder ihre Ansprüche zu groß, ihre Leistungsbereitschaft zu niedrig, ihre Qualität zu schlecht oder ihre Haltung lässt zu wünschen übrig. Auch so etwas gibt es, aber auch so etwas ist selten der einzige isolierbare Grund.
Während bei der ersten Variante der Kopf abgeschlagen und bei der zweiten der Laden dicht gemacht und die Tätigkeit woandershin verlagert wird, existiert – selbstverständlich neben zahlreichen anderen – noch eine dritte Variante, die hier ihren Platz haben soll. Es ist die des Rates.
Der Rat als kollektiver Prozess
Rat in dem Sinne, dass alle Beteiligten, ob diejenigen, die das Ergebnis verantworten, diejenigen, die es durch ihre Leistung erzielen, diejenigen, die es beauftragen, diejenigen, die es empfangen und diejenigen, die den Prozess aus durchaus berührter Nähe beobachten zusammenkommen, um kollektiv alles unter die Lupe nehmen, was sie für wichtig halten.
Derartige Prozesse sind beschrieben. Zunächst wird danach gefragt, was den Versammelten in den Kopf kommt, wenn sie an die Organisation und den Prozess denken. Welche Probleme sie identifizieren, welche Lösungsansätze ihnen vorschweben, welche Aspekte ihnen noch in den Sinn kommen.
Danach werden die vielen Gedanken zusammen thematisch geordnet und die einzelnen Themen priorisiert. Aus den priorisierten Themen lassen sich Aktivitäten und Handlungen ableiten, die konkret formuliert werden: wer was mit wem bis wann machen soll. Die Liste der Aktivitäten und ihre Abarbeitung wird danach von denen, die anwesend sind, in vereinbarten zukünftigen Treffen auf ihren Fortschritt hin beobachtet und mit weiteren Schritten erneuert.
Neues Vertrauen
Die Konsequenzen, die aus einem derartigen Prozess der kollektiven Lösungsentwicklung entstehen können, sind vielfältig. Es kann sein, dass alle zu dem Schluss kommen, dass es besser ist, das Bestehende zu beenden.
Es kann sein, dass bestimmte Stellschrauben gefunden werden, um alles wieder besser zu machen. Es kann aber auch sein, dass Funktionen eliminiert, geschaffen und Funktionsträger entlassen und neue engagiert werden.
Das Entscheidende bei der ganzen Angelegenheit, die hier bewusst der Rat genannt wird, ist der kollektive Prozess, der neues Vertrauen schafft. Wer sich dem entzieht, ist Bestandteil des Problems.
Foto: Jonatan Pie (Unsplash.com)
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
3 Antworten auf „Alle Macht dem Rat!“
‘Klingt’ sehr idealistisch, und sehr theoretisch. Alles ausserhalb einer bestehenden Machtstruktur (speziell einer, die alle Karten haelt),
wird entweder abgestossen oder unwirksam gemacht. Meinungen gibt es so viele wie Menschen und selbst in kleinsten Gruppen entstehen laehmende Unterschiede – die wiederum nur durch Alpha-Tiere geloest werden. ‘Kollektive Prozesse’ funktionieren nur in kleinen, homogenen Gemeinshaften. Die Grundlagen fuer Konsensus wurden seit langem – bewusst – zerstoert.
HG
Die meisten der Systeme, deren wechselseitige Gefüge eine Zeitlang halbwegs gedeihlich ineinandergriffen – jedenfalls für die Gesellschaften des ´Westens -, sind inzwischen so hypertrophiert, dass wir allenthalben tagtäglich auf Irrwitz stoßen, der über die erstaunlichsten Denk-Gefangenschaften zu immer absurderen Regelungs-Dschungeln ausblüht…
– Prinzip: Je mehr externalisierbare Aufwandserhöhung, desto ´funktionaler´ für … ?!!
Unsere Gesellschaften reiten immer mehr ´tote Pferde´ und verschließen die Augen vor den Morbiditätsgefügen ihrer ´Rennbahn-Bauten´ und ´Rennveranstaltungen´…
Und wo sie unvermeidlich zuweilen blinzelnd gewahr werden, dass sie ihre Lebendigkeit, ihr Wohlergehen und ihre Integrität verspielen, wo sie offenbar weiterhin nach nichts mehr gieren, als alle ´Naslang´ noch bequemere Sättel jenseits aller Kostenwahrheit verfügbar gemacht zu bekommen (- Gegenleistung: das In-Gang-Halten der Laufräder einer sich vielfältig pervertierenden Erwerbsarbeitswelt alternativlos jenseits allen Wenns und Abers …), – wo immerin die ersten dessen augenblicksweise gewahr werden, ist noch immer für die meisten erst ahnungsweise und eher angstbesetzt klar, dass wir unsere Ordnungen g a n z a n d e r s denken und bauen sollten als bisher…, wenn wir uns Räume schaffen wollen für ein neu gedeihliches Miteinander in nah und fern …
Eine zwischen Konsumisten, Einkommens-Gedeckelten verschiedenster Art und System-Profiteuren zerfallende Menschheit ist doch nicht das, was so etwas wie ein menschlich-kulturelles Gestaltungs-Optimum darstellte … ! Oder das weit jenseits unserer Potentiale läge … !
Es wird Zeit zu sehen, dass uns d a g a n z a n d e r e s m ö g l i c h wäre, FÄNDEN SICH NUR ENDLICH M E D I E N , die tagtägliche Informationen und Erörterungen darüber, w i e A l t e r n a t i v e n mit Bodenhaftung denn k o n k r e t aussehen könnten ins Zentrum ihrer Nachrichten, Berichte, Reportagen und Kommentare stellten !!
Das Aufzeigen und die Analyse von Fehlentwicklungen ist wichtig.
Wo wir es j e d o c h beim ´Finger in ungezählten, täglich neu zu berichtenden Wunden´ belassen, d a b e l a s t e n uns solche Selbstbeschränkungen vermutlich zunehmend…
S t a t t d e s s e n gälte es, TAG FÜR TAG die Menschen tendentiell flächendeckend n a c h n e u V o r s t e l l b a r e m zu b e f r a g e n und wieder und wieder zu v e r ö f f e n t l i c h e n , w a s s i e ganz unmittelbar (und nicht nur intellektuelle Kritiker (!), diese selbstredend auch) nicht nur kopfschütteln lässt, sondern w a s ihnen d u r c h K o p f und H e r z geht angesichts des Aufwands-Irrsins, in den verstrickt wir mittlerweile leben und wirtschaften…
Es gälte, gesprächs-weise in kleinsten bis größten Kreisen, blog-weise & via Debatten-Plattformen wie demonstrations-weise leise, laut, anregend und leidenschaftlich Alternativen zu erdenken und das dabei erspürte Tragfähige über sämtliche uns verfügbaren Kanäle gemeinsam herauszuschälen – etwa, um nur einige zentrale zu nennen:
… um w e l c h e G e m e i n w e s e n s z i e l e j e n s e i t s wohlfeil verlogener Lippenbekenntnisse es uns denn zu unserem wie dem Wohl anderer gehen sollte …
… w i e ein G e l d s y s t e m aussehen könnte, das keine Entgleisungen zeitigt wie unser bisheriges, weil esnicht auf dem Schuld-Prinzip aufgebaut wäre …
… w i e alltäglich gesellschaftliche bis ´hinauf´ zu inner- wie zwischenstaatlichen U m g a n g s w e i s e n ohne ständige wechselseitige Abwertung und Erzwingungs-Ansinnen auskommen könnten und sich darüber endlich als tatsächlich friedenstauglich erwiesen – – – und vieles mehr …
´ R a t h a l t e n ´ überall da, wo Unbehagen als subkutanes Lebensgefühl spürbar ist – real in jeder Begegnung, via Mail bzw. Internet-Plattform, wo dergleichen auch ein Stück weit ohne Mobilitätsaufwand geschehen könnte … !
… zu neuer Verbindlichkeit in unseren Kommunikatonsweisen finden, gleich wie direkt oder medial vermittelt wir da kommunizieren … !
… einfach einen immer breiteren Austausch-Prozess mitbefeuern, über den wir herauskritallisieren können, was uns, was anderen, was dem ganzen Planeten neu entspräche … – solche Schritte sollten wir endlich tun, nicht zuletzt ein Alternativ-Medium wie die ´Neue Debatte´… !
Verstünden sich die ´Neue Debatte´ und all die anderen als so etwas wie die SALONS des SPÄT-ABSOLUTISMUS, hätten wir endlich ein vermutlich wesentliches Stück des erforderlichen Nährbodens für neue Gedeihlichkeiten …. !
Eine virtuelle ´Salon´-Idee, wie sie mir als zunächst erstmal einzelner anstoßbar erscheint, finden Interessierte hie:
https://debattenraumd.home.blog/2019/02/24/willkommen/
@ G.Weis,
vielen Dank für den Verweis auf den blog. Ich denke, daß das Zufallsprinzip bei der Auswahl der Bürger schon sehr gewagt ist. Die Arbeit würden bei 1000 Bürgern, ja doch nur wieder die wenigen machen, die etwas bewegen bzw. bezwecken wollen. Die überwiegende Mehrheit ist doch eher passiv und bequem. Es ist aber trotzdem eine Idee, die gerne diskutiert werden darf. Da ist der ebenso sportliche Gedanke an Räte zumindest für mich eher nachzuvollziehen. Manchmal kocht jedoch in mir der furchtbare Gedanke, daß es erst wieder den Westeuropäern passieren muß, daß eine Zerstörung sie in die Ohnmacht zurückbomben muß, um das Neu Anfangen zu begreifen. Es geht doch immer noch sehr vielen einfach viel zu gut, um gegen das herrschende System AUFZUSTEHEN. Vielleicht hat Morgenstern recht, wenn sie schreibt, daß die Zeit noch lange nicht reif ist. Aber trotz allem bewegt sich etwas und das gibt wenigstens etwas Hoffnung. Was, wenn das Internet über Nacht, für solche Typen wie wir, blockiert wird? Für diesen Fall spart Ken FM schon mal auf unabhängige Server. Dort sehe ich, bei zunehmender Opposition den Hauptangriff des Systems. Legt euch schon mal Brieftauben zu…….