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Gesellschaft

Mensch oder Maschine

Ich brauche kein Allmachtswissen, verkörpert in einem Chip.

Die angepriesenen Vorteile und Fortschritte der neuen Technologien kennen wir zur Genüge. Die Visionen vom leichteren Leben, die Maschine, die für uns arbeitet, einkaufen geht, das „nicht mehr selber denken müssen“ und die Info, wo der nächste Bus gerade ist. Wir können uns weltweit vernetzen und gleichzeitig brauchen wir mit unseren sozialen Netzwerken nicht mal mehr vor die Tür zu gehen. Wollen wir das?

Für wen sind Cyborgtechnologien (die Verschmelzung von Mensch und Maschine) wirklich von Vorteil, wer hat die Kontrolle? Wollen wir eine totale Vernetzung mit Technologien, die uns das Denken und somit die Verantwortung über unser Handeln abnehmen?

Früher waren wir die kleinen Rädchen der Maschine, jetzt lösen wir uns auf in Informationen im Cyberspace. Google, Facebook, Amazon und Co. versuchen das gesamte Wissen um und aus uns heraus zu saugen. Das so angehäufte Wissen wird durch den Computer gejagt, mittels einer linearen schwarz/weiß Logik: dem sogenannten Algorithmus. Denn das Denken sollen uns jetzt ihre Algorithmen abnehmen, Programme die langweilig weiterlaufen in ihren Dauerschleifen und uns diktieren, was falsch und was richtig ist und was du morgen einkaufen solltest.

Sie verkaufen uns diese Algorithmen als ein Heilsversprechen, um uns vorzugaukeln, dass sie angeblich wissen, was wir denken, was wir fühlen und was wir wollen. In naher Zukunft soll dies massentauglich in den Menschen integriert werden. Als Implantat unter der Haut, als kleiner Computer, der alles für uns denkt. Der Mensch verschmilzt mehr und mehr mit der Maschine und wird zum Cyborg, dessen Denken und Handeln gesteuert und kontrolliert werden kann.

Ich stimme zu, dass Suchmaschinen wie Google sehr hilfreich in unseren alltäglichen Leben sein können. Doch steht hinter dem vermeintlich kostenlosen Medium der Wille, alle Faktoren unseres Lebens anhand von Daten zu kennen, zu sammeln und damit exakt lineare Abläufe herzustellen, die sich kontrollieren lassen. Diese Kontrolle filtert für uns, was als nächstes zu tun ist. Aber wollen wir etwas diktiert bekommen?

Laut Google und Co. brauchen wir bald keine Fragen mehr zu stellen, da die Technologie angeblich weiß, welche Lebensstile, welche Sinneserfahrungen und Befindlichkeiten wichtig in unserem Leben sind.

Nicht wir selbst sollen entscheiden, sondern eine Maschine, heute noch getarnt als soziales Netzwerk wie Facebook oder als Suchmaschine wie Google. Was alte wie neue kapitalistische Tech- oder Großkonzerne brauchen, ist, dass wir nicht denken, sondern konsumieren – in allen Arten, die wir uns vorstellen oder noch nicht vorstellen können. Sie fordern uns auf Spaß zu haben, einen Lebensstil zu entwickeln, uns gesund zu halten und zu funktionieren. All das soll nicht mehr in gemeinsamen Diskussionen mit Freund*innen erörtert werden, sondern von Apps unserer Smartphones, den Gesundheitsbändern und den zukünftigen implantierten Chips oder Cyborgs.

Welche Lebensweise wählen wir nun, die menschliche oder technologische? Ich denke, all diese technologischen Erleichterungen, denen wir uns unterwerfen sollen, funktionieren für Maschinen, aber nicht für unsere sozialen Beziehungen. Denn Körper und Geist funktionieren nicht nach linearen Gesetzmäßigkeiten. Ich bin kein Algorithmus. Wir brauchen uns nicht beherrschen zu lassen, weder von Menschen noch Maschinen.

Ich habe keinen Bock auf die einfachen Wahrheiten von Firmen wie Google und Co., denn nicht die vorgegebenen errechneten Algorithmen bestimmen uns und unser Leben miteinander. Wir gehören zu den Abweichungen und Überraschungen, denn nur diese werden unseren Horizont erweitern.

Ich brauche kein Allmachtswissen, verkörpert in einem Chip. Ich will Wege einschlagen, die ein gutes miteinander leben ermöglichen. Ich will keine Gleichschaltung von Menschen, denn jeder Mensch und jede Art sein Leben zu leben ist voller Überraschungen und einzigartig.

Wahrscheinlich kennen fast alle die Fluchtgedanken und Wut gegenüber offensichtlicher oder latenter Gewalt des Staates, der Schule, Institutionen und anderen fremdbestimmten Zwängen.

Das Bewusstsein über offensichtliche und unsichtbare Hierarchien kann ein Bruch für die diejenigen bedeuten, die für Autonomie und Selbstbestimmung kämpfen. Denn Hierarchie ist von Grund auf ein Affront gegen jegliche Individualität der Person und ihrer Eigenständigkeit. Man wird permanent herabgesetzt. Diejenigen, die die Machtposition inne haben, werden sie immer aufrecht erhalten wollen. Diejenigen, die darunter leiden oder in eine Ohnmacht getrieben werden, können nur bestrebt sein, sie zu zerstören.

Es ist jetzt Zeit zum Bruch mit dem Kapitalismus, dem herrschenden Fortschritt, mit Politik, dem Effizienzgedanken der Mächtigen und Tech-Konzernen wie Google und Co.!

Der Bruch ist die Folge eines langen Prozesses, der aus vielen kleinen Momenten besteht. Wir können selbst bestimmen, was wir wollen, was wir produzieren, was wir brauchen, was wir essen, was wir denken, wie und mit wem wir leben, wen wir lieben, wie und welche Technologie wir in unserem Freundeskreis füreinander benötigen.


Redaktioneller Hinweis: Der Beitrag “Mensch oder Maschine” erschien erstmals in SHITSTORM – Anarchistische Zeitung Berlin (Januar 2018 – #2), wurde von der Anarchistischen Bibliothek archiviert und von Neue Debatte übernommen, um eine kritische Diskussion über Energie- und Technikabhängigkeit zu ermöglichen. Einzelne Abschnitte wurden zur besseren Lesbarkeit im Netz hervorgehoben.


Foto: Vlad Kutepov (Unsplash.com)

Neue Debatte ist das Magazin für Menschen, Kultur und Gesellschaft. Es steht für 100% Journalismus und Wissenschaft von unten - unabhängig und nicht werbefinanziert. Journalisten, Blogger, Arbeiter, Akademiker, Soziologen, Handwerker, Philosophen, Micro-Blogger, Erwerbslose, Wortkünstler, Experten und kritische Menschen aus allen Milieus und Ländern skizzieren das Zeitgeschehen aus ihrem Blickwinkel: offen, ehrlich und ohne doppelten Boden. Unterstütze uns!

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2 Antworten auf „Mensch oder Maschine“

Ja, dem kann ich nur zustimmen!
Deshalb benutze ich KEIN Google, KEIN Facebook, KEIN Smartphone, KEIN Windows, KEIN Android und baue soziale Netzwerke vor Ort mit echten Menschen von Angesicht zu Angesicht auf (wie z.B. Solawi, oder auch Gesundheits-Solidargemeinschaften, regionale Internetplattform von den lokalen Mensch programmiert und bereitgestellt für die lokalen Menschen usw.)

Produkte – gleich welcher Art – werden immer nur hergestellt, wenn es Menschen gibt, die sie benutzen. Wollt ihr gewisse Produkte nicht haben, dann nutzt sie nicht. Umgekehrt: jedes Benutzen entspricht dem WILLEN dessen, der es benutzt: er will das genau so, auch wenn er sich verbal oder “vom Kopf” her “dagegen” äußert oder die “Schlimmen Sachen” davon bemängelt.

Das ist die gegenwärtige Dissoziation von Denken und Tun. Im Kopf alles “klar” – aber nicht handelbar …
Die Menschen sind zum großen Teil selbst schon reine Info-Terminals – ohne Gliedmaßen, ohne Handlungsorgane im Sinne der Kopfwünsche/-vorstellungen – das sollen bitteschön andere machen …

Und genau dafür gibt es dann die Technologie: andere machen – aber andere kontrollieren dann auch …

Ja, man kann und sollte die Nutzung von digitalen, sozialen Netzwerken minimieren/verweigern. Aber sobald man sich mit dem Internet verbindet, sind Google und Co immer als Schatten dabei. Selbst Neue Debatte, oder Solawi und Co sind “mit Google verbunden”, laden Scripte und generieren Statistiken. Auch die Buttons von Facebook, Twitter und Co sind eingebunden. Kommentare werden protokolliert. Das macht WP standardmässig automatisch.

Und nicht nur Onlineshops sammeln persönliche Daten schon beim ansurfen. In jedem Supermarkt mit Payback und anderen Rabattkarten werden “wir” gescannt. Oder RFID-Chips auf/in Artikeln/Produkten.
Die neue Autogeneration ist immer online mit serienmässiger SIM-Card und Google-Maps ausgestattet.
Und die Generation Smartphone ist schon so sehr angefixt/getrackt, dass sie es nicht mal mehr bemerken.

Man kann sich dem leider nicht mehr vollständig verweigern, in dem man das Internet (für sich) abschaltet.

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