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Die Krise als Hochzeit für schlechtes Management

Wer mit Angst und Schrecken arbeitet, hat in Deutschland Chancen, sich als Krisenmanager zu etablieren.

Wie sollte eine Organisation geführt werden? Und wie wird sie geführt, wenn Ausrichtung und Umfeld sinnvoll abgestimmt sind?

Ziel, Zweck und Selbstverständnis

Die Akteure, die die Verantwortung haben, kennen die Strategie der Organisation. Das heißt, sie kennen die Ziele und den Zweck und das Selbstverständnis, sie sind in der Lage, beides nach innen wie nach außen so zu kommunizieren, dass der Prozess, in dem die Leistungen der Organisation entstehen, bekannt und akzeptiert ist.

Bei Schwierigkeiten wird auf das Dargelegte Bezug genommen und nach Lösungen gesucht. Das Ziel bleibt im Auge, der Zweck bleibt bestehen. Die Kommunikation über die Maßnahmen, die ergriffen werden, bezieht sich auf die strategische Ausrichtung wie auf das Selbstverständnis der Organisation.

Wenn Ziel, Zweck und Selbstverständnis miteinander korrespondieren, dann ist die Kommunikation nachvollziehbar und folgerichtig. Organisationen wie Akteure, die sich dieser Erkenntnis verpflichtet sehen, bleiben handlungsfähig, auch in schwierigen Zeiten.

Das Phänomen Schuld

Krisen sind der Prüfstein, an dem ersichtlich wird, inwieweit eine innere Konsistenz innerhalb einer Organisation herrscht. Da kommt es vor, dass die Verantwortlichen dort nach den Gründen zu suchen beginnen, wo sie keine Lösungen finden werden. Da tauchen plötzlich Sündenböcke auf, die weder mit Ziel, Ausrichtung und Rahmen etwas zu tun haben. Sündenböcke zu exekutieren verschafft in Krisen etwas Zeit, zur Lösung trägt es nichts bei.

Wie überhaupt das Phänomen Schuld in Deutschland sehr beliebt ist. Moralische Kategorien haben hier immer noch Hochkonjunktur, auch wenn Verstand und Logik gefragt wären.

Wer Schuld auf sich geladen hat, der kann malträtiert werden, an dem können die negativen Emotionen abgearbeitet werden. Aber, und das ist entscheidend, es handelt sich bei diesen – immer wieder und gerne – zelebrierten Exzessen um Schuldige, nicht um gewonnene, sondern um verlorene Zeit.

Eine andere, ebenso kurzsichtige wie armselige Krisenstrategie ist der allgemeine Hinweis darauf, dass alles noch viel schlimmer kommen könnte und es daher erforderlich ist, alle Kräfte zu mobilisieren, um das durchzusetzen, was die Verantwortlichen schon immer wollten. Zumeist ist das die Bankrotterklärung des verantwortlichen Managements, weil ihnen in der Krise nichts weiter einfällt als ein Wunschzettel, auf dem die Befreiung von allen ernsthaften Anforderungen an sie steht.

Krise, Management und Angst

Diese Kategorie von Krisenmanagern ist in der Regel sehr erfolgreich, da es neben der Exekution von Schuldigen noch etwas gibt, das in der Lage ist, große Kräfte zu mobilisieren: Die Angst.

Wer mit ihr operiert, hat nicht nur die Aufmerksamkeit, sondern bekommt auch vieles zugesprochen, was weder mit Ziel, Zweck und Selbstverständnis der Organisation zu tun hat. Das kann bis ins Absurde gehen.

Aber wer mit Angst und Schrecken arbeitet und sich somit im wahren Sinne des Wortes zum Agenten des Terrors macht, hat in Deutschland gute Chancen, sich als Manager mit einer guten Reputation zu etablieren. Und die Maßnahmen, die abgeleitet werden aus den Schreckensszenarien, bekommen dann noch das Testat der Systemrelevanz.

Hysterie und Skandalisierung

Da die absonderliche Art, Krisen zu lösen, sich auf zwei emotionale Knotenpunkte unseres Kulturkreises, Schuld und Angst, fokussiert, sind diejenigen, die auf Rationalität und Logik bauen, nicht im Fokus der Betrachtung. Hingegen genießen Hysterie und Skandalisierung einen großen Stellenwert.

In der Krise wird die Hysterie zum Urzustand und der Skandal zum Mittel, um die Hysterie am Leben zu erhalten. Daher sind Krisen hierzulande die Hochzeiten für schlechtes Management.


Foto: Lubo Minar (Unsplash.com)

Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

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