Nun kreisen sie wieder. Die Irrvögel einer Gesellschaft, in der es keine kausalen Zusammenhänge und keine Logik mehr gibt. Alles ist möglich, wenn es nur aus dem inquisitorischen Arsenal der Political Correctness kommt.
Das fehlende Gesicht
Die Hirne liegen tot in der Vitrine. Und deshalb bewegt sich auch nichts mehr. Wer auch nur ansetzt, um nach Erklärungen für das, was vor sich geht, mit kritischem Werkzeug zu suchen, ist reif für den Aussatz. Eine Gesellschaft in diesem Zustand kann keine positive Zukunftsprognose mehr für sich reklamieren.
Nehmen wir den Rücktritt der letzten SPD-Vorsitzenden. Alles, was mit der Entwicklung dieser Partei zusammenhängt, ist eine exklusive Einladung zu einer ausgiebigen Analyse und einer komplexen Denkleistung.
Die Person, um die es geht, auf ein Opfer als Frau zu reduzieren, ist die schmählichste Art und Weise, sich aus der Kritik zu verabschieden.
In der Nachbarpartei, oder dem Derivat, je nach dem, aus welcher Perspektive man es sieht, wurde eine Frau von einer anderen totgemobbt, schon da bleibt das inquisitorische Denksystem der PC auf dem Gullydeckel liegen.
Missionarische Musterdemokraten
Richtig ist es, sich das anzuschauen, was vorliegt. Was passiert mit einer Partei, die das klassische Klientel aus den Augen verloren hat? Was ist mit dem, nämlich der Friedenspolitik, mit der sie sich in anderen Zeiten das Vertrauen auch anderer Schichten nach der Ursünde von 1914 zurückerobert hatte?
Eine Partei mit der Geschichte der SPD kann nicht mal so eben die Arbeiterklasse für tot erklären und sich gleichzeitig zum missionarischen Musterdemokraten aufschwingen, der angeblich auch militärisch das Gute in die Welt bringt, wenn es tatsächlich um Seltene Erden geht.
Schlimmer noch: Wer die Jagd auf die organisiert, die selbst aus der abhängigen Beschäftigung herausfallen und gleichzeitig, obwohl im Besitz der Regierungsgewalt, nicht denen den Garaus macht, die das Gemeinwesen durch Steuerflucht in ganz anderer Dimension schädigen, der schaut irgendwann in den Spiegel und findet kein Gesicht mehr.
Die unabdingbare Voraussetzung
Das ist es, was zählt. Die Revitalisierung politischen Denkens ist die Conditio sine qua non [1], wenn das politische Spiel weitergehen soll. Der Verzicht darauf kann zwischenzeitlich mal einen Erfolg bescheren, sofern Wahlen das Maß aller Dinge sind.
PC-Denkschemata und Symbolpolitik sind keine Referenzen bei denen, von denen täglich mehr erwartet wird, nämlich zählbare Ergebnisse. Es ist zu wünschen, dass Bilanz gezogen wird.
Da existieren Zahlen, die nicht zu leugnen sind. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten werden unter Tarif bezahlt, die Renten reichen nicht, nachdem die Kassen mehrfach geplündert wurden. Deutschland ist zu einem Billiglohnland geworden, die aggressive Politik der USA rund um die Erdkugel wird unterstützt, das Junktim von EU und NATO zugelassen, selbst ernannte Putschisten in anderen Ländern anerkannt und neue Diktatoren hofiert. Mehr? Fragt den roten Opa oder die rote Oma, was sie davon halten!
Herrschaft und Dystopie
Und komme niemand mit dem Slogan, wir lebten in der Moderne. Modern sein, das heißt nicht, Herrschaftsverhältnisse zu akzeptieren, die an die vorbürgerliche Zeit erinnern:
Superreiche und Bettelarme, Plünderung statt Saat, Feuer statt Brot.
Was sind das für Szenarien, in denen wir uns bewegen? Moderne? Das ist dystopische Science-Fiction, in der das menschliche Dasein zum Treppenwitz verkommen ist [2]. Macht es noch Sinn, an den Menschenverstand zu appellieren? Zweifel sind angebracht. Andererseits, die Hoffnung stirbt zuletzt …
Quellen und Anmerkungen
[1] Conditio sine qua non (Lateinisch für Bedingung, ohne die nicht) beschreibt eine unabdingbare Voraussetzung beziehungsweise eine notwendige Bedingung. ↩
[2] Dystopie oder auch Antiutopie, ist das Gegenbild zur positiven Utopie (auch Eutopie). In der Literaturwissenschaft wird unter Dystopie eine fiktionale, in der Zukunft spielende Erzählung mit negativem Ausgang verstanden. ↩
Foto: Ralph Darabos (Unsplash.com)
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
2 Antworten auf „Dystopie – Feuer statt Brot“
Betrachtet man heute die Parteien, so ist aber keine Partei dabei, die Ideen hat. Bei der EU-Wahl war es offensichtlich, dass auf allen Wahlplakaten nur Gesichter zu sehen war. Solche Parteien, bei denen nicht ein Vertreter aufsteht, abgesehen von Kevin Kühnert, und mit neuen Ideen aufwartet und mit Begeisterung für diese eintritt, gibt es wohl nicht mehr. Da wird lang und breit darüber gestritten, ob man hier ein paar Prozente hinzufügt und wo man diese wieder einspart, so ist kein Fortschritt zu erwarten. Es ist dringend geboten, die direkte Demokratie einzuführen.
Habe heute Morgen einen Leitspruch Gotthold Ephraim Lessings gehört. Wenn alle auf einen einschlagen, so soll Er bei mir Frieden finden. Da ging es um die Tolleranz unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften 18. JAHRHUNDERT wohlgemerkt!. Hier in diesem verkommenen Land gelten solche Ansichten einen Dreck. Jeder, Jede, die wie eine seltene Blume am Politikhimmel erscheint, wird kurzer Hand zurückgestutzt, ohne, daß es einen gewaltigen Aufschrei gäbe. Ja, es muß dringend ein ordentlicher Ruck durch Dütscheland gehen….. Nur schaue und höre ich mich unter den Normalos um, kommt mir das große Ko….
Es geht, entgegen Herrn Meersmann Meinung, hier noch sehr vielen viel zu gut und das auf Kosten anderer Länder/ Völker!