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Zeitgeschehen

Ausgewertet! Das Imperium, seine Chargen und Julian Assange

Die westlichen Werte taugen nicht mehr als Argument. Das Imperium und seine Chargen haben aus dem ideellen Gut das Gelalle von Barbaren gemacht.

Julian Assange hat gegen US-amerikanische Gesetze verstoßen. Keine Frage. Er hat Material, das aus Gründen der definierten staatlichen Sicherheit als geheim eingestuft war, der Weltöffentlichkeit zugänglich gemacht. Warum?

Weil er glaubte, dass er die moralische Pflicht hatte, zu zeigen, was sich hinter einer in schöne Worte von Freiheit und Menschenrechten gekleideten Weltmacht verbirgt: Ein brutal vorgehendes, zynisches Imperium, das alles repräsentiert, nur schon lange nicht mehr die Werte, auf die es sich beruft.

Das Wertesystem und Julian Assange

Julian Assange hat, wie Edward Snowden und Chelsea Manning, die Torheit besessen, zu glauben, außerhalb der USA gäbe es noch Mächte, die es ernst meinten mit der Demokratie und die sich, wüssten sie erst einmal, was sich da so alles an der kalten und heißen Front des Imperiums abspielte, dagegen auflehnen und die Wahrheit mit allen Konsequenzen würdigen würden.

Das war naiv. Was die Helden der Leaks nicht beachteten, war das Faktum, dass besagte Mächte durchaus wussten und wissen, was so vor sich geht in den geheimen und entlegenen Folterkammern und beim Drohnenkrieg gegen Zivilisten; sie tun nur so, als täten sie es nicht.

Denn mit Moral muss man den Schachfiguren im imperialen Spiel gar nicht kommen, denn das interessiert sie nicht. Allenfalls bei taktischen Überlegungen spielt es eine Rolle.

So jubelten auch viele der Politikerinnen und Politiker, die jetzt schweigen, bei den ersten Veröffentlichungen des brisanten Materials, dass es noch Stimmen der Freiheit gäbe, die darauf verwiesen, wie stark das Wertesystem des Westens sei.

Manche verstiegen sich sogar so weit, dass sie mal Snowden, mal Assange für den Nobelpreis vorschlugen. Jetzt erwartet den einen davon Zuchthaus oder Tod und die Statements von damals erweisen sich als substanzlose Rhetorik.

Die Gleichschaltung nach 9/11

Immer wieder werden bei historischen Prozessen Untersuchungen darüber angestellt, bei welchem Ereignis Quantität in Qualität umschlug, wann etwas scheinbar plötzlich, so ganz anders wurde, als es vorher gewesen war.

In Bezug auf den Journalismus, bei dem wirtschaftliche Konzentration, Embedding und Gleichschaltung zunächst parallel verliefen, wird immer öfter der 11. September 2001 genannt.

Nach diesem Tag, und das lässt sich durch unzählige Dokumentationen belegen, war nichts mehr so, wie es einmal war.

Mit dem von den USA ausgerufenen weltweiten Kampf gegen den Terrorismus kam das Instrument des Regime Change aus dem Portfolio und mit ihm eine argumentative Taktik, die von den Satelliten der Superpower willfährig übernommen wurde. Denn Regime Change ging nur mit zweierlei Maß. Da konnte es nur die Guten und die Bösen geben. Und böse waren seltsamerweise immer nur die, die sich den Interessen des Imperiums nur ansatzweise in den Weg stellten.

Wer das einmal durchexerzieren will, stelle allein nur Saudi-Arabien und das ehemalige Libyen gegenüber. Da blieb das Monster alliiert, und das Land, in dem es den Bewohnerinnen und Bewohnern in der Region kollektiv am besten ging, wurde vom Imperium und seinen britischen und französischen Musteralliierten durch Bombenhagel ins Chaos gestürzt. Es entsprach, so ist bis heute nachzulesen, den Werten des Westens.

Die Deportation von Julian Assange

Letztere sind als Argument nichts mehr wert. Das Imperium und seine Knallchargen haben aus dem ideellen Gut einer emanzipatorischen Epoche das Gelalle von Barbaren gemacht. Es hat sich ausgewertet!

Die Argumentationsmöglichkeiten für die Begründung imperialistischer Politik gehen zur Neige. Nach der Ideologie folgt nur noch die nackte Gewalt. Der Zeitpunkt? Die von der britischen Regierung gebilligte Deportation Julian Assanges in die neue Dunkelkammer der Geschichte.


Foto: Newtown grafitti (Flickr.com; Lizenz: Attribution 4.0 International; CC BY 4.0)

Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

4 Antworten auf „Ausgewertet! Das Imperium, seine Chargen und Julian Assange“

Zitat:
„Julian Assange hat gegen US-amerikanische Gesetze verstoßen. Keine Frage.“

1.) Julian Assange ist kein Amerikaner und hat die Verbrechen der USA nicht auf amerikanischen Boden aufgedeckt.
2.) Wenn Staaten unter dem Deckmantel der Geheimhaltung schwerste Menschenrechtsverletzungen begehen und zudem den/die Informanten hängen dürfen und niemanden ausser ein paar „Aktivisten“ interessiert das, dann hat sich eigentlich nichts geändert in der Menschheitsgeschichte.

Politiker zum Priester:“ Halte du sie dumm, ich halte sie arm.“
Heute sind wir schon einen Schritt weiter, wir brauchen keine Priester mehr (dafür)…!

Sehr gut formuliert und genau den Punkt treffend – besonders das Beispiel Libyen, wo ich beruflich 2007 mal eine Woche sein durfte – es ist eine endlose Schande, was da gelaufen ist und läuft.
Nun mag die Welt immer schon so gewesen sein, aber es wird definitiv schlimmer und was man nicht vergessen darf: Der “freie” Westen verliert die Herzen der Menschen – und China steht schon bereit. Und in Europa die “starken Männer”. Keine so schönen Aussichten.

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