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Meinung

Bolsonaro, das Weltgeschehen und Medien, stumm wie ein Fisch

Der Generalstreik gegen die Politik von Bolsonaro in Brasilien und der Protest der Gelbwesten in Frankreich wird in den Medien nicht ausreichend thematisiert. Warum? Es könnte die Menschen in Deutschland auf eine Idee bringen.

Zunächst erschien der neuerlich gewählte brasilianische Präsident Bolsonaro [1] wie eine Zumutung. Die hiesigen Medien berichteten über den Mann natürlich als einem üblen Rechtspopulisten.

Rechtspopulismus als Chiffre

Dass er eine Agenda verfolgt, die alles andere als sympathisch ist, versteht sich von selbst. Was mit dem Begriff des Rechtspopulismus so alles erklärt wird, versteht indessen keiner mehr.

Der Begriff hat sich zu einer Chiffre gemausert, die für die kollektive Degenerierung der privatwirtschaftlichen wie der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung geworden ist. Aber selbst dieses diffuse Stigma ist, zumindest was Bolsonaro betrifft, plötzlich verschwunden. Denn es hat sich etwas getan.

Seitdem die Bundesregierung sich dazu entschieden hat, in Venezuela, wie von den USA empfohlen, auf einen Putschisten zu setzen und besagter Bolsonaro sich in der Allianz gegen die legitime Regierung Venezuelas wiederfand, ist aus dem Rechtspopulisten anscheinend ein seriöser Politiker geworden.

Und – es wundert nicht mehr –, Bundesaußenminister Heiko Maas hat ihm auch schon einen Besuch abgestattet. Was da genau besprochen wurde, wurde nicht berichtet. Dass das Vorgehen gegen Venezuela auf der Agenda stand, ist zu vermuten. Und dass es um Wirtschaftsbeziehungen ging, ist ebenfalls wahrscheinlich.

Was nach der Berichterstattung über den mit extremistischen Parolen geführten Wahlkampf logisch gewesen wäre, ist nun jedoch ausgeblieben. Denn Brasilien befindet sich mittlerweile in einem Generalstreik. Da geht es um viel, nämlich ums Ganze.

Generalstreik gegen Bolsonaro

Die Gewerkschaften und alle an den Lebensbedingungen der großen Masse der Brasilianerinnen und Brasilianer interessierten Parteien haben den Streik organisiert, um Bolsonaro zu zeigen, wie groß seine Spielräume sein werden.

Das ist ein gutes Zeichen für alle, die den nur noch mit Gewalt zuschlagenden Wirtschaftsliberalismus zugunsten demokratischer Lösungsansätze ablehnen. Doch da schweigt des Sängers Höflichkeit und die erwähnten Medien sind stumm wie ein Fisch.

Zeitgleich ist alles, was in Hongkong passiert von größtem Interesse, geht es doch darum, die ideologische Front gegen China zu stärken. Trotz aller Bekundungen scheint sich die gesamte Nomenklatura der BRD in die Phalanx eingereiht zu haben, die die USA formierten, um den neuen Konkurrenten in Sachen Weltherrschaft zu schädigen.

Die Positionierung ist eindeutig und das mediale Geklapper enthüllend. Wer da noch an das glaubt, was als Motiv deklariert wird, hat sein Leben nicht mehr unter Kontrolle.

Bolsonaro, Ölfrachter und Gelbwesten

Fehlt nur noch, und es ist eine Frage der Zeit, wann die hiesigen Stimmen der viel gerühmten vierten Gewalt in den momentan noch kleinen Chor aus den USA und Großbritannien einfallen, dass der Iran einen Anschlag auf einen Ölfrachter verübt hat.

Beweise existieren freilich nicht, und noch wird hierzulande von Besonnenheit gefaselt, aber es wird so kommen, dass man sich der Anklage anschließen wird. Damit wird weiter das Feuer für einen neuen, exorbitant grausamen Krieg gelegt.

Der Generalstreik in Brasilien und der mittlerweile seit 31 Wochen anhaltende Protest der französischen Gelbwesten ist nicht von öffentlichem Interesse. Warum? Er könnte hierzulande die Menschen auf die Idee bringen, dass es an der Zeit ist, das Heft des Handelns selber in die Hand zu nehmen. Stattdessen wird die Empörung gegen diejenigen geschürt, die ins Feindbild bei der Aufteilung der Welt passen.

Eine Frage der Zeit

Nahezu amüsant ist es, dass im Regierungslager darüber gerätselt wird, warum der Zuspruch für die eigene Politik ausbleibt. Erkannt, das ist die Botschaft, haben die Malaise bereits viele.

Es geht nur noch um die Frage – die nicht zu unterschätzen ist –, wie gegen diese Politik am wirkungsvollsten vorgegangen werden kann. Es ist eine Frage der Zeit.


Quellen und Anmerkungen

[1] Jair Messias Bolsonaro (Jahrgang 1955), ein ehemaliger Fallschirmjäger-Hauptmann und Politiker, gewann im Oktober 2018 in der Stichwahl die Präsidentschaftswahl in Brasilien. 55,1 % der Stimmen entfielen auf ihn. Bolsonaro übernahm damit das Amt von Michel Temer und ist seit dem 1. Januar 2019 Staatspräsident des Landes. Bolsonaro wechselte mehrfach die Parteizugehörigkeit und gehört seit 2018 der Partido Social Liberal (PSL; Sozialliberale Partei, eine rechtsgerichtete Partei) an. Jair Bolsonaro vertritt gesellschaftspolitisch, rechtskonservative und neoliberale Positionen. Er verteidigte die brasilianische Militärdiktatur (1964–1985), hetzte gegen Homosexuelle, äußerte sich frauenfeindlich und rassistisch.


Foto: Sergio Souza (Unsplash.com)

Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

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